wieder, das ist bestimmt, Kassandra hat es gesagt, man muß nur fest 
und ruhig schlafen. 
 
Zweites Kapitel 
+Peppis Rosenhaus+ 
Als die kleine Maja erwachte, war es schon hell geworden. Sie fror ein 
wenig unter ihrem großen grünen Blatt, und die ersten Bewegungen, 
die sie machte, gelangen ihr nur schwerfällig und langsam. Sie hielt 
sich an einem Äderchen des Blattes fest und ließ ihre Flügel zittern und 
flimmern, damit sie geschmeidig und frei von Staub werden möchten. 
Dann glättete sie ihre blonden Haare und wischte sich die großen 
Augen blank. Vorsichtig kroch sie etwas weiter, bis an den Rand des 
Blattes, und schaute sich um. 
Sie war ganz geblendet von der Pracht und dem Glanz der 
Morgensonne umher. Die Blätter leuchteten wie grünes Gold hoch über 
ihr, da wo sie selbst saß, war es noch kühl im Schatten. 
O du herrliche Welt, dachte die kleine Biene. 
Nur langsam entsann sie sich aller Erlebnisse des vergangenen Tags, 
aller Gefahren und aller Schönheiten, die sie gesehn hatte. Aber sie 
blieb entschlossen, nicht in den Stock zurückzukehren. Freilich, wenn 
sie an Kassandra dachte, klopfte ihr Herz. Aber es war ja unmöglich, 
daß Kassandra sie jemals finden würde. Nein, es war nun einmal ihre 
Freude nicht, immer ein und ausfliegen zu müssen, Honig zu tragen 
oder Wachs zu bereiten. Sie wollte glücklich und frei sein und das 
Leben auf ihre Art genießen, mochte kommen was wollte, sie würde es 
ertragen. So leichtsinnig dachte Maja, jedenfalls auch deshalb, weil sie 
keine rechte Vorstellung von allem hatte, was ihrer noch wartete.
Irgendwo fern in der Sonne schimmerte es rot. Maja sah es glänzen und 
leuchten, und eine heimliche Ungeduld befiel sie. Sie verspürte auch, 
daß sie hungrig war. Da schwang sie sich mutig mit einem hellen 
frohen Summen aus ihrem Versteck, weit hinein in die helle 
flimmernde Luft und in den warmen Sonnenschein. Sie steuerte in 
ruhigem Flug grade auf das rote Blumenlicht zu, das ihr zu winken 
schien, und als sie in die Nähe kam, spürte sie den Hauch eines so 
süßen Duftes, daß sie beinahe betäubt wurde und die große rote Blume 
nur mit Mühe erreichte. Sie schwang sich auf das äußerste, gewölbte 
Blumenblatt und hielt sich fest. Da rollte ihr, mit der leisen Bewegung, 
in die das Blatt geraten war, eine funkelnde silberne Kugel entgegen, 
fast so groß wie sie selbst, durchsichtig und flimmernd in allen Farben 
des Regenbogens. Maja erschrak furchtbar, obgleich die Pracht dieser 
kühlen Silberkugel sie entzückte. Der durchsichtige Ball rollte vorüber, 
neigte sich über den Rand des Blattes, sprang in den Sonnenschein und 
fiel nieder ins Gras. 
Maja stieß einen leisen Ruf des Schreckens aus, als sie sah, daß die 
schöne Kugel unten in viele winzige Perlchen zersprungen war. Aber es 
flimmerte nun im Gras so belebt und frisch, rann in zitternden 
Tröpflein an den Halmen nieder und funkelte, wie Diamanten im 
Lampenlicht blitzen. Maja hatte erkannt, daß es ein großer 
Wassertropfen gewesen war, der sich im Kelch der Blume in der 
feuchten Nacht gebildet hatte. 
Als sie sich dem Kelch wieder zuwandte, sah sie einen Käfer mit 
braunen Flügeldecken und einem schwarzen Brustschild am Eingang 
zum Blumenkelch sitzen. Er war etwas kleiner als sie, behauptete 
seinen Platz ruhig und sah sie ernst, aber durchaus nicht unfreundlich 
an. 
Maja begrüßte ihn höflich. 
»Gehörte die Kugel Ihnen?« fragte sie. Und als der Käfer nicht 
antwortete, fügte sie hinzu. »Es tut mir sehr leid, sie hinabgeworfen zu 
haben.« 
»Meinen Sie den Tautropfen?« fragte der Käfer und lächelte etwas
überlegen. »Deswegen brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Ich 
hatte bereits getrunken, und meine Frau trinkt niemals Wasser, weil sie 
mit den Nieren zu tun hat. Was wollen Sie hier?« 
»Was ist dies für eine herrliche Blume?« sagte Maja, ohne auf seine 
Frage zu antworten. »Würden Sie so gütig sein, mich zu unterrichten, 
wie sie heißt?« 
Sie erinnerte sich der Ratschläge Kassandras und war so höflich als 
möglich. 
Der Käfer bewegte seinen blanken glänzenden Kopf im Rückenschild. 
Dies ließ sich leicht und angenehm bewerkstelligen, da er ganz prächtig 
hineinpaßte und lautlos hin und her glitt. 
»Sie sind wohl erst von gestern?« fragte er und lachte, nicht grade 
höflich, über Majas Unkenntnis. Überhaupt hatte er etwas, was Maja 
als unfein auffiel, die Bienen waren gebildeter und wußten sich besser 
zu benehmen. Aber gutmütig schien der Käfer doch zu sein, denn als er 
sah, wie Majas Wangen sich mit einer feinen Röte der Verlegenheit 
überzogen, wurde er nachsichtiger gegen ihre Unwissenheit. 
»Es ist eine Rose,« sagte er, »damit Sie es denn also nun wissen. Wir 
haben sie vor vier Tagen bezogen und sie ist inzwischen unter unsrer 
Pflege auf das prächtigste gediehen. Darf ich Sie bitten näher zu 
treten?« 
Maja zögerte, aber sie überwand ihre Besorgnis und machte ein paar 
Schritte. Der Käfer drückte ein helles Blättchen beiseite, und sie 
betraten nebeneinander die schmalen Gemächer mit    
    
		
	
	
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