Der Weinhüter | Page 4

Paul Heyse
wies auf eine Rebe, die glatt mitten durchgeschnitten war, da? das Laub schon welk und gelb an den Ranken hing--das Herz blutet einem, so ein gesundes, friedliches Gew?chs, das nur auf der Welt ist, um seinem Herrn das Fa? zu füllen, von den Hundsf?ttern verheert zu sehen, aus purer Niedertracht, uns zum Possen. Find' ich einen einmal beim Werk, so gnad' ihm Gott!
Er schüttelte, in der Richtung nach der Stadt, drohend die Hellebarde und bohrte sie darin heftig in den Sand.
Der geistliche Herr schrak leicht zusammen, verga? aber seiner Würde nicht und sagte: Ich will mit dem Hauptmann sprechen, heute noch, da? er strenger drauf sieht, nach dem Zapfenstreich keinen Mann aus der Kaserne zu lassen. Du aber bez?hme deine Hitze, mein Sohn, und bedenke, da? du hier im Dienste der Obrigkeit stehest und das Gericht ihr überlassen sollst. Behüt dich Gott, Andree. Ich gehe heute wohl auf Goyen hinauf, zum Hirzer. Hast mir was aufzutragen an den Franz oder die Rosina? Einen Gru? etwa?
Nein, Hochwürden. 's ist immer noch beim alten zwischen dem Bauern und mir. Er will nichts von uns wissen, so frag' ich ihm nichts nach. Die andern sind ganz rechtschaffen, m?cht' ihnen beim Vater keinen Verdru? machen, indem ich sie grü?en lie?'. Aber wenn Ihr etwa meiner Schwester begegnet--nein, auch der sagt nichts, es war nur ein Einfall.
Rasch, wie um seine Verwirrung zu verbergen, bückte er sich nach der Hand des Priesters, kü?te sie ehrerbietig und schwang sich an dem langen Hellebardenschaft auf die Mauer zurück, wo er sogleich hinter dichtem Rebenlaub verschwand.
Kopfschüttelnd setzte der Zehnuhrmesser seinen Weg fort, und das Gespr?ch mit dem Jüngling besch?ftigte sein menschenfreundliches Gemüt noch eine geraume Zeit. Aber die lange, t?gliche übung einer ausgebreiteten Seelsorge und die geistliche Pflicht, das ?l der Geduld in eigene und fremde Stürme zu tr?ufeln, hatten den sch?rfsten Stachel des Mitgefühls bereits abgestumpft. Es ahnte ihm nicht von fern, wie es jetzt im Innern des Burschen aussah, der oben bei seiner Maishütte lag, das Gesicht gegen den Felsboden gedrückt, als wollte er sich bei lebendigem Leibe in den Scho? der Mutter Erde vergraben, um vor einem übergro?en Kummer Zuflucht zu finden,
Eine volle Stunde mochte er so gelegen haben, zuletzt durch einen mitleidigen Halbschlaf von seinen hilflosen Gedanken erl?st, als ein helles Lachen, das unten am Weg erscholl, ihn j?hlings erweckte. Einen Augenblick lag er still, sich zu besinnen, ob er's nicht etwa getr?umt habe. Aber eine helle Stimme drang zu ihm herauf und dasselbe unschuldig trillernde und girrende M?dchenlachen, das sich von fern fast wie der Gesang eines Vogels ausnahm. Im Nu war der Jüngling aufgesprungen und an ein Lugloch gestürzt, das den Blick hinunter freilie?. Auf dem n?mlichen Weg unter den Weiden, den der geistliche Herr vorhin gewandelt war, kam, diesmal aber von der Stadtseite, ein M?dchen, das nicht über siebzehn Jahr sein konnte, blond, eher klein als gro?, in der dunklen, schwerf?lligen Landestracht. Aber die Bewegungen der zierlichen Gestalt, so langsam und behaglich sie einherschritt, waren so leicht und anmutig, da? jedes Auge ihr unwillkürlich folgen mu?te. Sie hatte die H?nde ruhig ineinandergelegt, wie es die Art der M?dchen hier zu Lande ist, wenn sie nichts zu tragen haben. Der runde Kopf aber blieb keinen Augenblick still auf dem schlanken Nacken, sondern wendete sich wie bei einem Vogel rastlos nach allen Seiten, am h?ufigsten freilich zu ihrem Begleiter, über dessen scherzhafte Reden sie best?ndig in ein neues Lachen ausbrach. Das war ein gewandter, rühriger Gesell, dem die leinene Soldatenjacke, die enganschlie?enden blauen Hosen und die schiefe blaue Kappe ohne Schirm nicht übel standen. Sein dunkles Gesicht und die schwarzen Augen verrieten das welsche Blut. Auch hatte er gro?e Mühe, sich dem M?dchen in seinem gebrochenen Deutsch verst?ndlich zu machen. Aber schon der Klang seiner verstümmelten und verwelschten Worte schien sie h?chlich zu belustigen. Mehrmals warf er forschende Blicke in der Gegend umher. Einen Bauern, der ein Kalb mit Hilfe seines Hundes nach dem n?chsten Dorfe trieb, lie? er mit absichtlichem Z?gern vorankommen, und jetzt, da derselbe um die Ecke des Weges verschwunden war, rüstete er sich offenbar, mit dem M?dchen etwas handgreiflicher anzubinden, als sein sp?hendes Auge pl?tzlich die drohende Gestalt des Weinhüters entdeckte, der aus der ?ffnung des Weinganges herausgetreten war und mit erhobener Waffe, noch sprachlos, hinunterwinkte.
Der Welsche stand unschlüssig still. Auch das M?dchen hermmte den gleichmütigen Schritt und sah hinauf. Guten Nachmittag, Andree! rief sie ohne jede Verlegenheit. Es ist mein Bruder, setzte sie, zu dem Soldaten gewendet, hinzu. Macht, da? Ihr fortkommt; er versteht keinen Spa?.
Der Soldat schien den wohlgemeinten Rat vollkommen zu würdigen, aber durch die Entfernung seines Feindes sich einstweilen noch sicher zu fühlen. Nix Furcht, Fralla, sagte er; ihm geben Kreizer a comprar tabacco; dann still sein, gut Freund.-Er griff in die Tasche und holte eben seine geringe Barschaft heraus, als er die donnernde Stimme des
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