Der Waldbruder | Page 2

Jacob Michael Reinhold Lenz
mir von einem schelmischen Bauren gestohlen worden, der die Zeit abpa?te, als ich unten war, Brot zu kaufen. Aber wozu sollte mir auch das Geld? Wenn ich Mangel habe, gehe ich ins Dorf, und tue einen Tag Tagel?hners Arbeit, dafür kann ich zwei Tage meinen Gedanken nachh?ngen.
Ich bin glücklich, ich bin ganz glücklich. Ich ging gestern, als die Sonne uns mitten im Winter einen Nachsommer machte, in der Wiese spazieren, und überlie? mich so ganz dem Gefühl für einen Gegenstand, der's verdient, auch ohne Hoffnung zu brennen. Das matte Grün der Wiesen, das mit Reif und Schnee zu k?mpfen schien, die braunen verdorrten Gebüsche, welch ein herzerquickender Anblick für mich! Ich denke, es wird doch für mich auch ein Herbst einmal kommen, wo diese innere Pein ein Ende nehmen wird. Abzusterben für die Welt, die mich so wenig kannte, als ich sie zu kennen wünschte--o welche schwermütige Wollust liegt in dem Gedanken!
Best?ndig qu?lt mich das, was Rousseau an einem Ort sagt, der Mensch soll nicht verlangen, was nicht in seinen Kr?ften steht, oder er bleibt ewig ein unbrauchbarer schwacher und halber Mensch. Wenn ich nun aber schwach, halb unbrauchbar bleiben will, lieber als meinen Sinn für das stumpf machen, bei dessen Hervorbringung alle Kr?fte der Natur in Bewegung waren, zu dessen Vervollkommnung der Himmel selbst alle Umst?nde vereinigt hat. O Rousseau! Rousseau! wie konntest du das schreiben!
Wenn ich mir noch den Augenblick denke, als ich sie das erstemal auf der Maskerade sah, als ich ihr gegenüber am Pfeiler eingewurzelt stand und mir's war, als ob die H?lle sich zwischen uns beiden ?ffnete und eine ewige Kluft unter uns befestigte. Ach wo ist ein Gefühl, das dem gleichkommt, so viel unaussprechlichen Reiz vor sich zu sehen mit der schrecklichen Gewi?heit, nie, nie davon Besitz nehmen zu dürfen. Ixion an Jupiters Tafel hat tausendmal mehr gelitten, als Tantalus in dem Acheron. Wie sie so stand und alles sich um sie herdr?ngte und in ihrem Glanze badete, und ihr überall gegenw?rtiges Auge keinen ihrer Bewunderer unbelohnt lie?. Sieh, Rothe, diese Maskerade war der glücklichste und der unglücklichste Tag meines Lebens. Einmal kam sie nach dem Tanz im Gedr?nge vor mir zu stehen, als ich eben auf der Bank sa?, und als ob ich bestimmt gewesen w?re, in ihren Zauberzirkel zu fallen, so dicht vor mir, da? ich von meinem Sitz nicht aufstehen konnte, ihr meinen Platz anzutragen, denn die Ehrfurcht hielt mich zurück, sie anzureden. Diese Attitüde h?ttest Du sehen und zeichnen sollen, das Entzücken, so nah bei ihr zu sein, die Verlegenheit, ihr einen Platz genommen zu haben, o es war eine sü?e Folter, auf der ich diese wenige glückliche Minuten lag.
Wo bin ich nun wieder hineingeraten, ich fürchte mich, alle die Sachen dem Papier anvertraut zu haben. Heb es sorgf?ltig auf, und la? es in keine unheiligen H?nde kommen.
_Herz._
Vierter Brief
Fr?ulein Schatouilleuse an Rothen
Ha ha ha, ich lache mich tot, lieber Rothe. Wissen Sie auch wohl, da? Herz in eine Unrechte verliebt ist. Ich kann nicht schreiben, ich zerspringe für Lachen. Die ganze Liebe des Herz, die Sie mir so romantisch beschrieben haben, ist ein rasendes Qui pro quo. Er hat die Briefe einer gewissen Gr?fin Stella in seine H?nde bekommen, die ihm das Gehirn so verrückt haben, da? er nun ging und sie überall aufsuchte, da er h?rte, da? sie in angekommen sei, um an den Winterlustbarkeiten teilzunehmen. Ich wei? nicht, welcher Schelm ihm den Streich gespielt haben mu?, ihm die Frau von Weylach für die Gr?fin auszugeben, genug, er hat keinen Ball vers?umt, auf dem Frau von Weylach war, und ist überall wie ein Gespenst mit gro?en stieren Augen hinter ihr hergeschlichen, so da? die arme Frau oft darüber verlegen wurde. Sie bildet sich auch wirklich ein, er sei jetzt noch verliebt in sie, und ihr zu Gefallen in den Wald hinausgegangen. Sie hat es meinem Vater gestern erz?hlt. Melden Sie ihm das, vielleicht bringt es ihn zu uns zurück und wir k?nnen uns zusammen wieder weidlich lustig über ihn machen. Er mu? recht gesund geworden sein auf dem Lande. Ich wünscht' ihn doch wieder zu sehen.
Fünfter Brief
Rothe an Herz
Aber, Herz, bist Du nicht ein Narr, und zwar einer von den?gef?hrlichen, die, wie Shakespeare sagt, für ihre Narrheit immer eine Entschuldigung wissen und folglich unheilbar sind. Ich habe Dir aus Fr?ulein Schatouilleusens Brief begreiflich gemacht, da? Dein ganzer Tro? von Phantasei irregegangen w?re, da? Du eine andere für Deine Gr?fin angesehen h?ttest, und Du willst doch noch nicht aus Deinem Trotzwinkel zu uns zurück. Du seist nicht in ihre Gestalt verliebt gewesen, sondern in ihren Geist, in ihren Charakter, Du k?nntest Dich geirrt haben, wenn Du zu dem eine andere Hülle aufgesucht h?ttest, aber der Grund Deiner Liebe bleibe immer derselbe und?unerschütterlich. Solltest Du aber nicht wenigstens, da Du doch durchaus einer von denen sein willst, die mit Terenz insanire
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