Anläufe, die dazu genommen wurden, sind eben Anläufe geblieben und 
wie das leider so oft an depossedirten Höfen der Fall ist, die ganze 
Thätigkeit hat sich in kleine und kleinliche Intriguen ausgelöst. Ich bin 
hier schon lange in einer mehr als peinlichen Situation, um so mehr als 
Graf Platen--wie Sie ja wissen, den Grafen Breda hierher geschickt hat, 
welcher als geheimer Agent des Königs figurirt, obwohl Seine Majestät 
mir persönlich versichert hat, ihn gar nicht zu kennen, und dessen 
eigenthümliche Thätigkeit die Sache des Königs mehr und mehr 
discreditirt. Ich würde für meine Person nicht unzufrieden sein, wenn 
diese ganze Unruhe ein Ende nehme und wenn nur für das ganze 
Welfenhaus eine sichere und würdige Zukunft geschaffen werden 
könnte. Doch müßte man sich in Hietzing klar werden, was man 
will--Eins oder das Andere, entweder den Frieden oder einen so festen 
und energischen Krieg, daß man gefürchtet bleibt und im gegebenen
Augenblick die Macht des Handelns behält. Es scheint aber, daß überall 
in der Welt heute der Entschluß und die Thatkraft verschwindet. Denn 
ich muß Ihnen aufrichtig gestehen, daß ich auch hier bei Ihnen nicht 
mehr verstehen kann, wo man denn eigentlich hinaus will und was man 
beabsichtigt." 
Der Graf Chaudordy seufzte. 
"In der That," sagte er, "häuft man hier Fehler auf Fehler. Ich fürchte, 
daß sich das eines Tages bitter rächen wird; ich bin mit Herz und Seele 
Franzose und bin dem Kaiser und dem Kaiserreich aufrichtig ergeben, 
aber für die Dynastie sehe ich in der Art und Weise, wie man hier die 
Geschäfte behandelt, wenig erfreuliche Aussichten für die Zukunft. 
Unsere Fehler beginnen von 1866; nachdem sich der Kaiser damals zu 
keinem Entschluß aufraffen konnte, mußte er dahin gedrängt werden, 
größere Freiheiten zu geben. Er hat sich auch dazu nur langsam und 
fast zu spät entschließen können, und da er diesen Entschluß so lange 
hinausgeschoben hat, so wird er nun gezwungen werden endlich den 
Krieg zu machen, welcher der größte Fehler sein wird." 
"Sie hätten also gewollt," fragte Herr Meding, "daß der Kaiser im Jahre 
1866 entschieden für Oesterreich hätte Partei nehmen sollen?" 
Der Graf Chaudordy blickte ihn groß an. 
"Nein," sagte er, "nicht für Oesterreich; ich habe Herrn von Bismarck 
immer für sehr stark gehalten, ich habe Preußens Ueberlegenheit über 
Oesterreich nie bezweifelt und Oesterreichs Niederlage vorher gesehen. 
Nach meiner Ueberlegung hätte der Kaiser damals--und zwar vor dem 
Kriege--eine feste und entschiedene Alliance mit Preußen machen 
müssen, um aus derselben alle die Vortheile für Frankreich zu ziehen, 
welche das siegreiche Preußen ihm nach dem Kriege nicht mehr 
gewährte. Auch heute noch wäre es das einzig Richtige, um jeden Preis 
eine aufrichtige Verständigung mit Preußen zu suchen--das ist die 
einzige Macht, mit welcher wir eine nützliche und starke Alliance 
schließen können, und wenn wir diese Alliance nicht schließen, so 
werden wir ihr und zwar in kurzer Zeit in einem furchtbaren und 
gewaltigen Krieg isolirt entgegentreten müssen."
"Man rechnet aber doch," warf Herr Meding ein, "sehr erheblich auf 
Oesterreich und Italien--Sie kennen gewiß die Negotiationen, welche in 
diesem Augenblick im Gange sind, um einen Coalitionsvertrag mit den 
beiden Mächten zu schließen. Wie man mir erzählt, soll die Sache sehr 
weit gediehen sein und man verspricht sich hier sehr viel davon." 
"Das wird Alles zu Nichts führen," sagte der Graf von Chaudordy. 
"Auch in dieser Richtung hin hat man einen Fehler gemacht. Man hat 
geglaubt, in Herrn von Beust, an dessen Erhebung zum Minister in 
Oesterreich der Kaiser großen Antheil hat, einen entschiedenen 
Alliirten zu finden,--man hat sich getäuscht und hätte dies sogleich 
erkennen sollen, als die neue österreichische Regierung statt ihre ganze 
Kraft militairischen Rüstungen zu widmen, sich mit Verfassungsfragen 
zu beschäftigen begann. Wie ist es denn möglich, sich jetzt auf dieses 
Oesterreich zu stützen, welches keine Armee und kein Geld hat und uns 
im entscheidenden Augenblick um so mehr im Stich lassen wird, als 
die entscheidende Leitung der dortigen Politik täglich mehr in die 
Hände Ungarns übergeht. 
"Der Kaiser erkennt das Alles sehr gut," fuhr er fort, "aber er ist nicht 
mehr der er war und zwischen den verschiedensten, heterogensten 
Entschlüssen hin- und herschwankend wird er endlich dahin gedrängt 
werden, gänzlich isolirt und ohne alle Alliancen den Krieg zu machen, 
der kaum mit einem entscheidenden Siege für Frankreich enden wird, 
und der uns leicht in eine unendliche innere Verwirrung stürzen kann, 
auch giebt man alle Gründe, um vernünftiger Weise dort den Krieg 
vorzubereiten, aus der Hand. Man hat den Prager Frieden so lange 
verletzen lassen, daß es fast lächerlich sein würde, heute noch 
kategorisch dessen Erfüllung zu fordern. Jetzt läßt man die 
Bewegungen in Baden und Süddeutschland wieder ohne Beachtung 
und Unterstützung,--es wäre so leicht--und man hat uns darüber 
Mittheilungen gemacht, eine Volksbewegung in Baden gegen den von 
der dortigen Regierung projectirten Anschluß an Preußen zu erregen 
und dadurch die deutsche Frage von Neuem zum Gegenstand der 
Aufmerksamkeit Europas zu machen.    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
 
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.
	    
	    
