Der Schuss von der Kanzel | Page 2

Conrad Ferdinand Meyer
Brennessel, die keiner ungestochen ber��hrt, und sein Vetter, der Pfarrer von Mythikon, das alte Kind, bringt unsern Stand in Verruf mit seiner Meute, seinem Gewehrkasten und seinem unaufh?rlichen Puffen und Knallen. Du hast ja selbst im Fr��hjahre als Vikar genug darunter zu leiden gehabt. Freilich die Rahel mit ihrem feingebogenen N?schen und ihrem roten Kirschmunde! Aber sie liebt dich nicht! Die Junkerin wird schlie?lich bei einem Junker anlangen. Es hei?t, sie sei mit dem Leo Kilchsperger verlobt. Doch la? dich's, h?rst du, nicht anfechten. Ein Korb ist noch lange kein consilium abeundi. Um dich zu tr?sten: Auch ich habe deren einige erhalten, und, siehe, ich lebe und gedeihe, bin auch vor kurzem in den Stand der Ehe getreten."
Der lange Kandidat warf unter seinen blonden, vom Winde verwehten Haaren hervor einen Blick der Verzweiflung auf den Kollegen und seufzte erb?rmlich. Ihm mangelte die dessen Herzmuskel bekleidende Fettschicht.
"Weg! fort von hier!" rief er dann schmerzvoll aufgeregt. "Ich gehe hier zugrunde! Der General wird mir die erledigte Feldkaplanei seiner venezianischen Kompanie nicht verweigern."
"Pfannenstiel, ich wiederhole dir, dein Vorhaben entbehrt der Vernunft! Bleibe im Lande und n?hre dich redlich."
"Du nimmst mir allen Lebensatem", klagte der Blonde. "Ich soll nicht fort und kann nicht bleiben. Wohin soll ich denn? Ins Grab?"
"Sch?me dich! Deine Knabenschuhe vertreten sollst du! Der Gedanke mit der venezianischen Feldkaplanei w?re an sich so ��bel nicht. Das hei?t, wenn du ein resoluter Mensch w?rest und nicht so blaue unschuldige Kinderaugen h?ttest. Der General hat sie neulich mir angetragen. Ein so ger?umig entwickelter Brustkasten w��rde seinen Leuten imponieren, meinte er. Nat��rlich Affenpossen! Denn er wei?, da? ich ein befestigter Mensch bin und meinen Weinberg nicht verlasse."
"Warst du dr��ben?"
"Vorgestern."--Dem ��tikoner stieg ein Zorn in den Kopf. "Seit er wieder hier ist--nicht l?nger als eine Woche--, hat der alte St?refried richtig Stadt und See in Aufruhr gebracht. Er komme, vor dem n?chsten Feldzuge sein Haus zu bestellen, schrieb er von Wien. Nun er kam, und es begann ein Rollen von Karossen am linken Seeufer nach der Au zu. Die Landenberge, die Schmidte, die Reinharte, alle seine Verwandten, die den ergrauten Freigeist und Sp?tter sonst mieden wie einen Verpesteten, alle kamen und wollten ihn beerben. Er aber ist nie zu Hause, sondern f?hrt wie ein Satan auf dem See herum, blitzschnell in einer zw?lfrudrigen Galeere, die er mit seinen Leuten bemannt. Meine Pfarrkinder rei?en die Augen auf, werden unruhig und munkeln von Hexerei. Nicht genug! Vom Eindunkeln an bis gegen Morgen steigen feurige Drachen und Scheine aus den Schl?ten des Auhauses auf. Der General, statt wie ein Christenmensch zu schlafen, schmiedet und schlossert zuweilen die ganze Nacht hindurch. Kunstreiche Schl?sser, wahre Prachtst��cke, hab ich von seiner Arbeit gesehn, die kein Dietrich ?ffnet, f��r Leute, sagte er mit einem boshaften Seitenblicke auf meine apostolische Armut, die Sch?tze sammeln, welche von Dieben gestohlen und von Motten gefressen werden. Nun du begreifst, die Funkengarbe spielt ihre Rolle und wird als Stra?e des H?llenf��rsten durch den Schornstein viel betrachtet und reichlich besprochen. So wuchs die G?rung. Die Leute aufkl?ren ist von eitel b?sen Folgen. Ich w?hlte den k��rzeren Weg und ging hin��ber, den General als Freund zu warnen. Kreuzsapperlot, an den Abend werd ich mein Lebtag denken. Meine Warnung beseitigte er mit einem Hohnl?cheln, dann fa?te er mich am Rockknopfe, und ein Diskurs bricht los, wie Sturm und Wirbelwind, sag ich dir, Pfannenstiel., Mit abgerissenen Kn?pfen und ger?dert kam ich nach Hause. Mosler hat er mir vorgesetzt, aber mit den gr??ten Bosheiten verg?llt. Nat��rlich sprach er von seinem Testamente, denn das ist jetzt sein Steckenpferd. 'Ihr steht auch darin, Ehrw��rden!' Ich erschrecke. 'Nun, ich will Euch den Paragraphen weisen.' Er ?ffnet das Konvolut. 'Leset.' Ich lese, und was lese ich, Pfannenstiel?
"... 'Item, meinem sch?tzbaren Freunde, dem Pfarrer Rosenstock, zwei hohle Hemdkn?pfe von Messing mit einer Glasscheibe versehen, worunter auf gr��nem Grunde je drei winzige W��rfelchen liegen. Gestikuliert der Herr auf der Kanzel nun mit der Rechten, nun mit der Linken, und sch��ttelt besagte W��rfelchen auf eine ungezwungene Weise, so kann er vermittelst wiederholter schr?ger Blicke bei w?hrendem Sermone mit sich selbst ein kurzweiliges Spielchen machen. Vorgenannte Kn?pfe sind in Algier, Tunis und Tripolis bei den And?chtigen beliebt und finden ihre Anwendung in den Moscheen w?hrend der Vorlesung des Korans'...
"Nun denke dir, Pfannenstiel, das ?rgernis bei Er?ffnung des Testamentes!--Der B?sewicht lie? sich dann erbitten, mir die Gabe gleich einzuh?ndigen und den Paragraphen zu streichen. Hier!" Und Rosenstock hob das niedliche Spielzeug aus seiner Brusttasche.
"Das ist ja eine ganz ruchlose Erfindung", sagte Pfannenstiel mit einem Anfluge von L?cheln, denn er kannte die Neigung des ��tikoners zum W��rfelspiele, "und du meinst, der General ist allen geistlichen Leuten aufs?ssig?"
"Allen ohne Ausnahme, seit er puncto gottloser Reden prozessiert und um eine schwere Summe geb��?t wurde!"
"Ist ihm nicht zu viel geschehen?" fragte Pfannenstiel, der sich den helvetisch reformierten Glaubensbegriff mit etwas bescheidener Mystik vers��?te und in
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