Der Mann im Nebel - Roman | Page 3

Gustav Falke
gef��hrt, die ein paar Stunden von hier ihre schl?frigen Wellen auf den Sand des flachen, langweiligen Strandes warf.
Da hatte er ein Bad genommen und hatte dann fast zwei Stunden lang auf dem R��cken im warmen Sand gelegen, die k��hle Seeluft geatmet, Verse gemacht und an ein kleines M?dchen in rotem Wollkleid gedacht. Gedanken, die nicht tief herkamen, die aber hartn?ckig waren.
Es war eigentlich nur das rote Wollkleid gewesen, das ihn besch?ftigt hatte. Diese grelle, rote Farbe, die wie ein Fleck auf allem lag, wohin er sah, auf dem Wasser, auf dem gelben Sand, und in der hellen zitternden Luft tanzte.
Ja, ja, das kam noch auf das bewusste Konto. Hallucinationen. Er hatte auch gar zu w��st gelebt, den ganzen Winter. Aber er sollte ja auch nur dar��ber hinweg kommen. So ein Abschied f��r immer ist keine Kleinigkeit. Und es hatte doch tiefer bei ihm gesessen. Schliesslich geht's auf die Nerven. Erst dies Verh?ltnis, dann der Alkohol, Kopfschmerz, Schlaflosigkeit, Gespenster. Es war nicht mehr zum aushalten gewesen. Er hatte zuletzt mit dem Arzt sprechen m��ssen. Der untersuchte ihn gr��ndlich; kerngesund. Aber hier oben, mein Lieber, diese Knoten auf dem Kopf da. Sehen sie sich vor. Etwas weniger Spirituosen. Es ist weiter nichts als das. Gehen Sie ein paar Wochen an die See. Immer draussen. Oder machen Sie eine Fusstour. Aber wie gesagt: h?chstens zwei Glas!
Das war's, was ihn seinen Koffer hatte packen lassen. Der Arzt hatte recht, es ging wirklich nicht so weiter, wollte er noch ein paar Jahre leben. Und das wollte er. Sein Leben lag doch noch vor ihm, das Leben, das seiner Natur gem?ss w?re. Und das war ja sein einziges Streben, sich mal ausleben zu k?nnen, ein paar Jahre nur, ganz souver?n, keinem willig und gehorsam als nur den Geboten seiner Natur. Und dazu bedurfte er der Gesundheit. Es k?me ja sonst nicht darauf an, ein paar Jahre fr��her oder sp?ter abzutreten. Aber nur jetzt noch nicht, jetzt, wo er endlich die Mittel hatte, sich sein Leben nach seinen W��nschen einzurichten. Zehn Jahre w��rde sein kleines Kapital ausreichen, zehn Jahre ungebundenen Sichauslebens. Die wollte er geniessen. Und dann? Er war nicht der Mann sich mit dem zu besch?ftigen, was nach zehn Jahren sein k?nnte.

4.
Randers sass in halbliegender Stellung auf der Bank unter den alten Buchen, die dem Schulhause gegen��ber ihre hohen teilweise abgestorbenen Kronen allen Winden aussetzten. Diese Buchen, einen ger?umigen Rundplatz einfassend, bildeten gleichsam das Portal zu dem Unterholz, das sich an dem ausgefahrenen Landweg hinzog und sich in einer Tiefe von einer Viertelstunde Wegs vor dem h��geligen Hochwald lagerte.
Die Moosdecke dieses Platzes war schadhaft und zeigte Spuren von Kinderspielen. Um die Bank herum war jede Vegetation von den F��ssen niedergetreten. Das nackte Erdreich bildete eine harte Tenne. Da lagen Papierfetzen und allerlei Abfall umher, der anzeigte, dass die weiblichen Mitglieder der Lehrerfamilie hier oft ihren Aufenthalt nahmen und einen Teil der h?uslichen T?tigkeit hierherverlegten.
Randers ?rgerte sich ��ber diese Verunzierung des h��bschen Waldplatzes, diese "Besudelung der Natur" mit menschlichem Krimskram. Einen grellbunten Fetzen eines schottischen Kleiderstoffes, der ihn besonders erboste, hatte er w��tend mit der Spitze seines Spazierstockes hinter sich geschleudert. Er wehte lustig, ein bunter Wimpel, in den Zweigen eines jungen weissst?mmigen Birkenb?umchens. Randers h?tte das F?hnlein gerne da heruntergeholt, aber es war ihm zu m��hsam, darum aufzustehen.
Er hatte gelesen, oder vielmehr zu lesen versucht: Storms "Waldwinkel". Aber die unruhigen Schatten des leicht bewegten Laubes, die auf den Bl?ttern des Buches einen Zittertanz auff��hrten und die Buchstaben mit hineinrissen, und das leise Laubgelispel um ihn her st?rten ihn. Auch das Schw?rmen der Bienen bel?stigte ihn. Es war ein ununterbrochenes Summen um ihn. Aus den St?cken des Lehrers kamen sie, ��ber die Blumen des Gartens und die Honigtr?ger am Grabenrand der Landstrasse her, nach dem breiten Waldsteig, wo Bienensaug, Brombeerbl��te und hundert andere s��sse Sch��sseln lockten.
Und dann war noch ein andres, was ihn ablenkte. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu Gerd Gerdsens Brief zur��ck, den er heute morgen beantwortet hatte.
Ja das k?nnte etwas werden! Das w��rde ihm Spass machen. Spass? Nein, durchaus ernst wollte er es nehmen. Was gab es da nicht alles zu berichten und zu--beichten. Er geriet in ein Gr��beln ��ber sich und sein Schicksal, und ging hier einen Weg zur��ck und da einen anderen, um auf die Anf?nge dieser und jener Richtung in seinem Charakter zu stossen. Und die Wege f��hrten ihn zur��ck in die Kindheit, in das kleine Fischerdorf an der Ostsee. Er sah das v?terliche Pfarrhaus vor sich, mit den wilden Rosen um T��r und Fenster, mit dem kleinen Blumengarten vorn und dem grossen K��chengarten hinten, der an den Deich stiess. Er sah das bunte, rote Laub der Weinlaube, die weissen und lila Sterne der Astern, den ganzen farbigen Herbstgarten.
Warum er nur die Heimat immer im Herbstschmuck sah? Weil da die ?pfel reif waren? Oder waren es nicht die ?pfel, sondern nur
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