ankam; er hatte nicht eher geruht, bis sie versprochen hatte, das ganze 
Haus in Alarm zu setzen, das Blondenkleid, in welchem sie bei Hofe 
war präsentiert worden, ausbügeln zu lassen und auf den Ball zu 
kommen. Wie spitzte er sich auf die langen Gesichter der Damen, auf 
die freundlichen Blicke der Herren, wenn er die wunderschöne Dame in 
den Saal führen würde; denn kennen konnte sie im ersten Augenblicke
niemand. 
Wo hatte nur das Mädchen die Zeit hergenommen, so recht eigentlich 
bildhübsch zu werden? Als sie vor drei Jahren abreiste, wie besorglich 
schaute da der gute Hofrat dem Wagen nach! Er hatte sie auf dem Arm 
gehabt, als sie kaum geboren war; bis zu ihrem vierzehnten Jahre hatte 
er sie alle Tage gesehen, hatte sie früher auf dem Knie reiten lassen, 
hatte sie nachher, trotz dem Schmollen der Präsidentin, zu allen tollen 
Streichen angeführt. Er liebte sie wie sein eigenes Kind; aber er mußte 
sich vor drei Jahren doch gestehen, daß ihm angst und bange sei, was 
aus dem wilden Ding werden solle, das man da in die Residenz führe, 
um sie menschlich zu machen. 
Denn wollte man ein Mädchen sehen, das zur Jungfrau und fürs Haus 
völlig verdorben schien, so war es Präsidents Wildfang; einen solchen 
Unband traf man auf zwanzig Meilen nicht. Kein Graben war ihr zu 
breit, kein Baum zu hoch, kein Zaun zu spitzig; sie sprang, sie klimmte, 
sie schleuderte trotz dem wildesten Jungen; hatte sie doch selbst einmal 
heimlich ihren Damensattel auf den wilden Renner ihres Bruders, des 
Leutnants, gebunden und war durch die Stadt gejagt, als sollte sie Feuer 
reiten! Dabei war sie mager und unscheinbar, scheute vor jeder 
weiblichen Arbeit, und der einzige Trost der gnädigen Mama war, daß 
sie Französisch plappere wie ein Stärchen und daß, trotz ihrem 
Umherrennen in der Märzsonne, ihr Teint dennoch trefflich erhalten 
sei. 
Aber jetzt--! 
Nein, was war mit diesem Mädchen in den kurzen drei Jahren eine 
Veränderung vorgegangen! Wenigstens um einen Kopf war sie 
gewachsen, alles an ihr hatte eine Rundung, eine zarte Fülle bekommen, 
die man sonst nicht für möglich gehalten hätte; das Haar, das sonst, wie 
oft man es auch kämmte und an den Kopf hinsalbte, der wilden 
Hummel in unordentlichen Strängen und Locken um den Kopf flog, 
war jetzt der herrlichste Kopfputz, den man sich denken konnte. Die 
Augen waren glänzender, und doch fuhren sie nicht, wie ehemals, wie 
ein Feuerrädchen umher, alles anzuzünden drohend. Die Wangen 
bedeckte ein feines Rot, das bei jedem Atemzug in alle Schattierungen 
von zartem Rosa bis ins Purpurrot wechselte; das liebe Gesichtchen 
war oval und hatte eine Würde bekommen, über die der staunende 
Hofrat lächeln mußte, so sehr er sie bewunderte.
Dieses Götterkind, diesen Ausbund von Liebenswürdigkeit, erwartete 
der Hofrat; dem guten alten Junggesellen pochte das Herz beinahe 
hörbar, wenn er an sein Gold-Idchen dachte. Wie mußte sie erst im 
Ballkleide aussehen, wenn sie ihn in dem Reiseüberröckchen und in der 
Haube _à la jolie femme_ beinahe närrisch machte; wie mußte sie erst 
strahlen, wenn sie, wie sie ihm versprochen, die Haare nach dem 
allernagelfunkelneuesten Geschmack, die schöne Stirne und den 
schlanken Hals, die wie aus Wachs geformten Partien, welche die 
handbreiten Brüsseler Kanten umziehen sollten, mit dem 
Amethystschmuck schmückte, den sie von ihrer Pate, der Fürstin 
Romanow, geschenkt bekommen hatte. Ihm, ihm hatte sie mit all jener 
Herzlichkeit, mit der sie früher versprochen, einen Spaziergang mit ihm 
zu machen oder ihn, den Einsamen, zu besuchen, wenn er krank war, 
jetzt als Königin des Festes die erste Polonäse zugesagt.-- 
Immer verdrießlicher wurden die Damen, immer ungestümer mahnten 
die Herren den alten _Maître de plaisir_; schon seit einer halben Stunde 
stimmten die Musikanten, daß man vor dem Quieken der Klarinette, 
vor dem Brummen der Bässe sein eigenes Wort nicht hörte, --er gab 
nicht nach. Da rasselte ein Wagen über den Marktplatz her und hielt 
vor dem Flügeltor des Museums. 
"Das sind sie," murmelte der Hofrat und stürzte zum Saal hinaus; bald 
darauf öffneten sich die Flügeltüren, und der kleine freundliche Alte 
schritt am Arm einer jungen Dame in den Saal. 
* * * * * 
 
IDA. 
Aller Augen waffneten sich mit Lorgnetten und Brillen. Wer konnte 
das wunderschöne Mädchen sein, so hoch und schlank mit dem 
königlichen Anstand, mit dem siegenden Blicke, mit der kräftigen 
Frische des jugendlichen Körpers? Sie nickte so bekannt nach allen 
Seiten, als käme sie alle Tage auf Freilinger Bälle und Assembleen; 
und doch kannte sie niemand. Doch ja! Da kommt ja auch der alte 
Präsident, wahrhaftig! Es kann niemand anders sein als Präsidents Ida! 
Aber wie herrlich war dieses Knöspchen aufgegangen! "Welcher 
Anstand!" bemerkten die Herren. "Welche Figur! Welcher Nacken! 
Wahrhaftig, man möchte ein Mückchen oder noch etwas Wenigeres 
sein, nur um darauf spazieren zu gehen." "Welcher Schmuck, welche
Spitzen, welche Stickerei an dem Kleid!" bemerkten die Damen und 
wünschten sich weit weg; denn wie    
    
		
	
	
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