so wie es auch die Heiterkeit des vorüberwogenden Haufens 
erregte, der ihn auslachte und den zum Sammeln hingestellten Hut des 
alten Mannes leer ließ, indes das übrige Orchester ganze Kupferminen 
einsackte. Ich war, um das Original ungestört zu betrachten, in einiger 
Entfernung auf den Seitenabhang des Dammes getreten. Er spielte noch 
eine Weile fort. Endlich hielt er ein, blickte, wie aus einer langen 
Abwesenheit zu sich gekommen, nach dem Firmament, das schon die 
Spuren des nahenden Abends zu zeigen anfing, darauf abwärts in 
seinen Hut, fand ihn leer, setzte ihn mit ungetrübter Heiterkeit auf, 
steckte den Geigenbogen zwischen die Saiten; "Sunt certi denique 
fines", sagte er, ergriff sein Notenpult und arbeitete sich mühsam durch 
die dem Feste zuströmende Menge in entgegengesetzter Richtung, als 
einer, der heimkehrt. 
Das ganze Wesen des alten Mannes war eigentlich wie gemacht, um 
meinen anthropologischen Heißhunger aufs äußerste zu reizen. Die 
dürftige und doch edle Gestalt, seine unbesiegbare Heiterkeit, so viel 
Kunsteifer bei so viel Unbeholfenheit; daß er gerade zu einer Zeit 
heimkehrte, wo für andere seinesgleichen erst die eigentliche Ernte 
anging; endlich die wenigen, aber mit der richtigsten Betonung, mit
völliger Geläufigkeit gesprochenen lateinischen Worte. Der Mann hatte 
also eine sorgfältigere Erziehung genossen, sich Kenntnisse eigen 
gemacht, und nun--ein Bettelmusikant! Ich zitterte vor Begierde nach 
dem Zusammenhange. 
Aber schon befand sich ein dichter Menschenwall zwischen mir und 
ihm. Klein, wie er war, und durch das Notenpult in seiner Hand nach 
allen Seiten hin störend, schob ihn einer dem andern zu, und schon 
hatte ihn das Ausgangsgitter aufgenommen, indes ich noch in der Mitte 
des Dammes mit der entgegenströmenden Menschenwoge kämpfte. So 
entschwand er mir, und als ich endlich selbst ins ruhige Freie gelangte, 
war nach allen Seiten weit und breit kein Spielmann mehr zu sehen. 
Das verfehlte Abenteuer hatte mir die Lust an dem Volksfest 
genommen. Ich durchstrich den Augarten nach allen Richtungen und 
beschloß endlich, nach Hause zu kehren. 
In die Nähe des kleinen Türchens gekommen, das aus dem Augarten 
nach der Taborstraße führt, hörte ich plötzlich den bekannten Ton der 
alten Violine wieder. Ich verdoppelte meine Schritte, und siehe da! der 
Gegenstand meiner Neugier stand, aus Leibeskräften spielend, im 
Kreise einiger Knaben, die ungeduldig einen Walzer von ihm 
verlangten. "Einen Walzer spiel!" riefen sie; "einen Walzer, hörst du 
nicht?" Der Alte geigte fort, scheinbar ohne auf sie zu achten, bis ihn 
die kleine Zuhörerschar schmähend und spottend verließ, sich um einen 
Leiermann sammelnd, der seine Drehorgel in der Nähe aufgestellt 
hatte. 
"Sie wollen nicht tanzen", sagte wie betrübt der alte Mann, sein 
Musikgeräte zusammenlegend. Ich war ganz nahe zu ihm getreten. 
"Die Kinder kennen eben keinen andern Tanz als den Walzer", sagte 
ich. "Ich spielte einen Walzer", versetzte er, mit dem Geigenbogen den 
Ort des soeben gespielten Stückes auf seinem Notenblatte bezeichnend. 
"Man muß derlei auch führen, der Menge wegen. Aber die Kinder 
haben kein Ohr", sagte er, indem er wehmütig den Kopf 
schüttelte.--"Lassen Sie mich wenigstens ihren Undank wieder 
gutmachen", sprach ich, ein Silberstück aus der Tasche ziehend und 
ihm hinreichend.--"Bitte! bitte!" rief der alte Mann, wobei er mit 
beiden Händen ängstlich abwehrende Bewegungen machte, "in den Hut! 
in den Hut!"--Ich legte das Geldstück in den vor ihm stehenden Hut, 
aus dem es unmittelbar darauf der Alte herausnahm und ganz zufrieden
einsteckte, "das heißt einmal mit reichem Gewinn nach Hause gehen", 
sagte er schmunzelnd.--"Eben recht", sprach ich, "erinnern Sie mich auf 
einen Umstand, der schon früher meine Neugier rege machte! Ihre 
heutige Einnahme scheint nicht die beste gewesen zu sein, und doch 
entfernen Sie sich in einem Augenblicke, wo eben die eigentliche Ernte 
angeht. Das Fest dauert, wissen Sie wohl, die ganze Nacht, und Sie 
könnten da leicht mehr gewinnen als an acht gewöhnlichen Tagen. Wie 
soll ich mir das erklären?" 
"Wie Sie sich das erklären sollen", versetzte der Alte. "Verzeihen Sie, 
ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie müssen ein wohltätiger Herr sein 
und ein Freund der Musik", dabei zog er das Silberstück noch einmal 
aus der Tasche und drückte es zwischen seine gegen die Brust 
gehobenen Hände. "Ich will Ihnen daher nur die Ursachen angeben, 
obgleich ich oft deshalb verlacht worden bin. Erstens war ich nie ein 
Nachtschwärmer und halte es auch nicht für recht, andere durch Spiel 
und Gesang zu einem solchen widerlichen Vergehen anzureizen; 
zweitens muß sich der Mensch in allen Dingen eine gewisse Ordnung 
festsetzen, sonst gerät er ins Wilde und Unaufhaltsame. Drittens 
endlich--Herr! ich spiele den ganzen Tag für die lärmenden Leute und 
gewinne kaum kärglich Brot dabei; aber der Abend gehört mir und 
meiner armen Kunst. 
Abends halte ich mich zu Hause, und"--dabei ward seine Rede immer 
leiser, Röte überzog sein Gesicht, sein Auge suchte den Boden--"da 
spiele ich denn aus der Einbildung, so für mich ohne Noten. 
Phantasieren, glaub ich, heißt es in den Musikbüchern." 
Wir waren beide ganz stille geworden. Er, aus Beschämung über    
    
		
	
	
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