erschöpft auf die Erde 
hinkauerte, den Kopf jammernd zwischen den Knieen verbergend. 
Dann hob die Frau ihr Haupt wieder empor und starrte plötzlich mit 
dem weit offenen Munde einer Maske und mit entsetzten Blicken zur 
Türe, wo das Kind zitternd stand, und dann stieß der starre Mund einen 
furchtbaren Schrei aus. Da hatte die Amme aber auch schon das Kind 
erblickt und hatte es schnell aus der Tür gedrängt und mit einem der 
Diener in sein Zimmer geschickt. 
Es zitterte und war ganz bleich geworden, es hatte den Mund offen wie 
jene Frau drüben, nur daß es nicht schreien konnte, und endlich in den
Armen seiner Pflegemutter löste sich das Entsetzen des Kindes, ein 
heißer Tränenquell sänftigte sein verwirrtes Gemüt. Und so lag Berta 
die ganze Nacht in den Armen ihrer Pflegerin, die mild auf sie 
einsprach und die ihr Gesicht eng an des Kindes bleiche Wangen 
drückte, als wolle sie alle bösen Geister davon abhalten. 
Nach diesem Abend, der das Mädchen um viele Jahre älter machte, 
wurde die kranke Gräfin mit der Amme in den runden einsamen Turm 
oben im Walde gebracht, zu dem ein schattiger Waldpfad wohl eine 
Stunde lang vom Schlosse emporklomm; so daß in den folgenden 
Nächten denen im Schlosse unten ein neues Sternlein aufleuchtete, die 
Ampel im friedlosen Schlafgemach der Gräfin. 
Das Kind aber verblieb noch einige Monate im Schlosse. Es war sehr 
nachdenklich und schreckhaft geworden, aus dem Schlafe schrie es oft 
und verzerrte das Gesicht wie in einer großen Angst und stöhnte aus 
seinen Träumen. Da wußte sich der Graf, dem das scheue Wesen seines 
Kindes unheimlich war, nach langer Beratung mit seiner Base und dem 
Pfarrer keinen andern Rat, als sie aus dem Hause zu geben. Und Berta 
kam zu den Feldegg, armen Rittersleuten, die dem Grafen eine Meierei 
verwalteten und die stundenweit vom Schlosse in einem Tale hausten; 
hier verblieb Berta durch viele Monate. 
* * * * * 
Die ersten Wochen weilte die Base bei dem Mädchen. Dann aber fuhr 
sie von dannen, da sie sah, wie wohl die neue Umgebung und die Güte 
der Meiersleute auf das Gemüt des Kindes wirkten. Die waren brave 
Menschen, denen von ihren Kindern nur ein Knabe geblieben war, 
Leon, der etwa vierzehn Jahre zählen mochte, und sie freuten sich über 
die Auszeichnung, nunmehr die Tochter ihres Herrn pflegen zu dürfen; 
was ihnen in ihrer bedrängten Lage gewiß zum Vorteile gereichen 
mußte. Sie waren einst selbst wohlbegütert gewesen, aber durch 
Wetterschäden, allerlei Krankheiten und Unglück heruntergekommen, 
so daß sie gern ein Lehen des Grafen empfingen. 
Nun nahm sich also Frau Anna, Leons Mutter, des armen Grafenkindes 
mit all der überschüssigen Liebe an, die ihren verstorbenen Kindern
zugedacht war; und sie verhätschelte und verzärtelte das Kind, das 
anfangs solche Liebe gar nicht verstand; denn die brave Rittersfrau 
wußte wohl um das traurige Geschick des mutterlosen Kindes und 
empfand es in ihrem frommen Gemüte als eine himmlische Gnade, daß 
sie es nun pflegen und ihm die Mutter ersetzen dürfe. Und ihrem Leon 
hatte sie in einer jener fürs ganze Leben unvergeßlichen Stunden, da 
Herz zu Herzen spricht, erklärt, wie unglücklich Berta trotz ihres 
Ranges und Reichtums sei, da sie ohne Mutter lebe, und der gute, 
geweckte Knabe hatte als Antwort und Beweis, daß er sie verstanden 
habe, die Mutter weinend und wortlos umarmt und immer wieder an 
sich gedrückt und ihr dann geschworen, er wolle die junge Gräfin wie 
ein Ritter schützen. 
Und der Knabe hielt sein Versprechen. Er war schlank und 
wohlgebildet und hatte jene pagenhafte Art, die Knaben von seiner Art 
die gröberen Altersgenossen fliehen und die Einsamkeit mit ihrem 
Rauschen und Raunen lieben läßt; so daß mit vierzehn Jahren viel mehr 
Dichter in den Landen herumträumen, als das Leben später zuläßt. Er 
betrachtete das Grafenkind mit bewundernder Scheu, weil sie viel 
Leids erlebt hatte und weil sie des Grafen Kind war. Und er freute sich, 
daß sie in seinen Märchen so gut die traurige Prinzessin oder verlassene 
Königin vorstellen konnte, die auf ihren Ritter wartet. 
Berta gab ihm denn auch gern ihre Hand, wenn sie in den Wald gingen, 
gesittet wie bei Hofe, und lauschte seinen Worten, denn er wußte gar 
manches, was sie noch nicht gelernt hatte. Und im dichten 
Waldesschatten sitzend, erzählten sie einander von ihrem Leben. 
»Ich will einmal was Großes werden,« sagte er, »der Vater möchte 
mich zu einem Soldaten machen, aber ich will lieber ein Gelehrter 
werden oder ein berühmter Arzt oder ein Papst, der in Rom wohnt. Und 
die Mutter, meine liebe Mutter« ..... da unterbrach er sich aber, denn er 
hatte einen flüchtigen Blick auf Berta getan und nun schwieg er 
betroffen still. Die zwei großen, blauen Augen neben den seinigen taten 
ihm leid, sie waren so traurig, und plötzlich schlang er den Arm um die 
Schultern seiner Gespielin: »Du mußt immer bei uns bleiben, bei uns 
ist    
    
		
	
	
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