daß hier ein gewaltiges Reich entstehe, das 
Niemand überwinden kann, als Cyrus, der morgen oder übermorgen 
kommen werde, den gottlosen König Balsazar zu züchtigen, wie es ja 
Daniel längst vorher gesagt hat. 
Oder er grub den Jordan ab, d. i. den Bach, der von der Quelle floß, und 
leitete ihn anderer Wege--oder er that das alles nicht, sondern entschlief 
auf der offenen Fläche, und ließ über sich einen bunten Teppich der 
Träume weben. Die Sonne sah ihn an, und lockte auf die 
schlummernden Wangen eine Röthe, so schön und so gesund, wie an 
gezeitigten Aepfeln, oder so reif, und kräftig, wie an der Lichtseite 
vollkörniger Haselnüsse, und wenn sie endlich gar die hellen großen 
Tropfen auf seine Stirne gezogen hatte, dann erbarmte ihr der Knabe 
[53] und sie weckte ihn mit einem heißen Kusse. 
So lebte er nun manchen Tag und manches Jahr auf der Haide, und 
wurde größer und stärker, und in das Herz kamen tiefere, dunklere und 
stillere Gewalten, und es ward ihm wehe und sehnsüchtig--und er 
wußte nicht, wie ihm geschah. Seine Erziehung hatte er vollendet, und 
was die Haide geben konnte, das hatte sie gegeben; der reife Geist 
schmachtete nun nach seinem Brote, dem W i s s e n, und das Herz 
nach seinem Weine, der L i e b e. Sein Auge ging über die fernen 
Duftstreifen des Moores, und noch weiter hinaus; als müsse dort 
draußen etwas sein was ihm fehle, und als müsse er eines Tages seine 
Lenden gürten, den Stab nehmen, und weit, weit von seiner Heerde 
gehen. 
Die Wiese, die Blumen, das Feld und seine Aehren, der Wald und seine 
unschuldigen Thierchen sind die ersten und natürlichsten Gespielen 
und Erzieher des Kinderherzens. Ueberlaß den kleinen Engel nur 
seinem eigenen innern Gotte, und halte bloß die Dämonen ferne, und er 
wird sich wunderbar erziehen und vorbereiten. Dann, wenn das 
fruchtbare Herz hungert nach Wissen und Gefühlen, dann schließ ihm 
die Größe der Welt, des Menschen und Gottes auf. 
Und somit laßt uns Abschied nehmen von dem Knaben auf der Haide.
II. 
Das Haidehaus. 
Eine gute Wegestunde von dem Roßberge stand ein Haus, oder 
vielmehr eine weitläufige Hütte. Sie stand am Rande der Haide weit ab 
jeder Straße menschlichen Verkehres; sie stand ganz allein, und das 
Land um sie war selber wieder eine Haide, nur anders, als die, auf der 
der Knabe die Ziegen hütete. Das Haus war ganz aus Holz, faßte zwei 
Stuben und ein Hinterstübchen, alles mit mächtigen braunschwarzen 
Tragebalken, daran manch Festkrüglein hing, mit schönen 
Trinksprüchen [54] bemalt. Die Fenster, licht und geräumig, sahen auf 
die Haide, und das Haus war umgeben von dem Stalle, Schuppen [55] 
und der Scheune. Es war auch ein Gärtlein vor demselben, worin 
Gemüse wuchs, ein Hollunderstrauch und ein alter Apfelbaum 
stand--weiter ab waren noch drei Kirschbäume, und unansehnliche 
Pflaumengesträuche. Ein Brunnen floß vor dem Hause, kühl, aber 
sparsam; er floß von dem hohen starken Holzschafte in eine Kufe 
nieder, die aus einem einzigen Haidestein gehauen war. 
In diesem Hause war es sehr einsam geworden; es wohnten nur ein 
alter Vater und eine alte Mutter darinnen, und eine noch ältere 
Großmutter--und Alle waren sie traurig; denn er war fortgezogen, weit 
in die Fremde, der das Haus mit seiner jugendlichen Gestalt belebt 
hatte, und der die Freude Aller war. Freilich spielte noch ein kleines 
Schwesterlein an der Thürschwelle, aber sie war noch gar zu klein, und 
war noch zu thöricht; denn sie fragte ewig, wann der Bruder Felix 
wieder kommen werde. Weil der Vater Feld und Wiese besorgen mußte, 
so war ein anderer Ziegenknabe genommen worden; allein dieser legte 
auf der Haide Vogelschlingen, trieb immer sehr früh nach Hause, [56] 
und schlief gleich nach dem Abendessen ein. Alle Wesen auf der Haide 
trauerten um den schönen lockigen Knaben, der von ihnen fortgezogen. 
Es war ein traurig schöner Tag gewesen, an dem er fortgegangen war. 
Sein Vater war ein verständig stiller Mann, der ihm nie ein Scheltwort 
gegeben hatte, und seine Mutter liebte ihn, wie ihren Augapfel;--und
aus i h r e m Herzen, dem er oft und gerne lauschte, sog er jene 
Weichheit und Fantasiefülle, die sie hatte, aber zu nichts verwenden 
konnte, als zu lauter Liebe für ihren Sohn. Den Vater ehrte sie als den 
Oberherrn, der sich Tag und Nacht so plagen müsse, um den Unterhalt 
herbeizuschaffen, da die Haide karg war, und nur gegen große Mühe 
sparsame Früchte trug, und oft die nicht, wenn Gott ein heißes Jahr 
über dieselbe herabsandte. Darum lebten sie in einer friedsamen Ehe, 
und liebten sich pflichtgetreu von Herzen, und standen einander in 
Noth und Kummer bei. Der Knabe kannte daher nie den giftigen 
Mehlthau für Kinderherzen, Hader und Zank, außer, wenn ein stößiger 
Bock [57] Irrsal stiftete, [58] den er aber immer mit tüchtigen Püffen 
seiner Faust zu Paaren trieb, [59] was das böseste Thier von ihm, und    
    
		
	
	
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