nach einer nahezu kompletten inneren Zer- 
störung bei einer Art von völligem inneren Neuaufbau unter- 
stützend zu begleiten. Dies ist eine außerordentlich aufwen- 
dige Aufgabe. Und es ist schwer, diese Aufgabe zu leisten 
inmitten einer Umwelt voller Egoismus und Rücksichtslosig- 
keit, welche z. B. kindliche Opfer sucht und ausbeutet, die für 
den institutionalisierten Markt des »Baby-Strichs« gebraucht 
werden. 
Daß das Problem keineswegs nur an eine zu vergrößernde 
Zahl von Therapeuten und stärker geförderten Behandlungs- 
einrichtungen delegiert werden kann, liegt auf der Hand. 
Solange Erscheinungen wie »Baby-Strich« eindeutig — wie es 
Christiane bezeugt - allerseits gewohnheitsmäßig toleriert 
werden, bleibt Therapie in einem hoffnungslosen Wider- 
spruch zu den offen oder insgeheim anerkannten Interessen 
derer, die als Bestandteil ihrer bürgerlichen Freiheit den 
sexuellen Konsum von kindlichen Fixerinnen und Fixern 
beanspruchen. Für Kinder wie Christiane sind es doch diesel- 
ben Bürger auf derselben anderen angepaßten Seite der 
Gesellschaft, die sie das eine Mal als Menschen kurieren, das 
andere Mal als Ware niederdrücken und verbrauchen wollen. 
Aber eben dieser Widerspruch ist ein allgemeines Merkmal 
unserer soziokulturellen Verfassung. Diesen spiegelt uns das 
Mädchen Christine aus einem Bereich zurück, von wo aus 
man die Abgründigkeit unserer täglich als so wunderbar intakt 
verklärten Gesellschaft kompetenter und schärfer diagnosti- 
zieren kann als aus den Seminarstuben mancher hochrenom- 
mierter Forschungsinstitute. Das ist der eigentliche Grund, 
warum es so schwierig ist und auch so schwierig sein sollte, 
dieses einzigartige Buch zu ertragen. 
 
 
Horst-Eberhard Richter
DIE ANKLAGE 
 
Auszüge aus der Anklageschrift des Staatsanwalts beim 
Landgericht Berlin vom 27. Juli 1977 
 
 
Die Schülerin Christiane Vera F. wird angeklagt, als Jugend- liche mit Verantwortungsreife 
in Berlin nach dem 20. Mai 
1976 fortgesetzt vorsätzlich 
Stoffe bzw. Zubereitungen, 
die den Bestimmungen des 
Betäubungsmittelgesetzes 
unterstehen, ohne die erfor- 
derliche  Erlaubnis des Bun- 
desgesundheitsamtes   erwor- ben zu haben. 
Die Angeschuldigte ist seit Fe- bruar 1976 Heroinverbrauche- rin. Sie injizierte sich - an- 
fangs in Abständen, später 
täglich - ungefähr ein Scene- 
viertel. Seit dem 20. Mai 1976 ist sie strafrechtlich verant- 
wortlich. 
Anläßlich zweier Kontrollen 
am 1. und 13. März 1977 wur- de die Angeschuldigte in der 
Halle des Bahnhofs Zoo und 
auf dem U-Bahnhof Kurfür- 
stendamm angetroffen und 
überprüft. Sie führte 18 mg 
bzw. 140,7 mg einer heroin- 
haltigen Substanz mit sich. 
 Außerdem wurde am 12. Mai 1977 in der persönlichen Habe der Angeschuldigten ein Stan- niolbriefchen gefunden, wel- 
ches ebenfalls 62,4 mg einer 
heroinhaltigen Substanz ent- 
hielt. Bei ihr wurden auch Fi- 
xerutensilien gefunden. Die 
PTU-Untersuchung ergab 
auch, daß an den Fixerutensi- lien teilweise heroinhaltige 
Anhaftungen vorhanden wa- 
ren. Auch die Urinprobe ergab einen Morphingehalt. 
Am 12. Mai 1977 fand die Mut- ter der Angeschuldigten, Frau U. F., in der persönlichen Ha- be ihrer Tochter 62,4 mg einer heroinhaltigen Substanz, die 
sie der Kriminalpolizei über- 
sandte. 
In ihrer Einlassung gab die 
Angeschuldigte an, seit Fe- 
bruar 1976 Heroinkonsumen- 
tin zu sein. Sie sei außerdem im Winter 1976 der Prostitu- 
tion nachgegangen, um so 
das Geld für den Heroinkauf 
zu beschaffen. 
Es muß davon ausgegangen 
werden, daß die Angeschul- 
digte auch weiterhin Heroin 
konsumiert.
DAS URTEIL 
 
Auszüge aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 
14. Juni 1978. Urteil im Namen des Volkes 
 
 
In der Strafsache gegen die 
Schülerin Christiane Vera F. 
wegen Op.-Vergehen. 
Die Angeklagte ist des fortge- setzten Erwerbs von Betäu- 
bungsmitteln in Tateinheit mit fortgesetzter Steuerhehlerei 
schuldig. Die Entscheidung, 
ob Jugendstrafe zu verhängen ist, wird zur Bewährung aus- 
gesetzt. 
Gründe: Die Angeklagte hat 
bis zu ihrem 13. Lebensjahr 
eine normale Entwicklung 
durchlaufen. Sie ist über- 
durchschnittlich intelligent 
und hatte durchaus erfaßt, 
daß der Erwerb von Heroin 
eine mit Strafe bedrohte 
Handlung darstellt. Zwar be- 
stehen hinreichend Anzeichen dafür, daß die Angeklagte be- reits am 20. Mai 1976 drogen- abhängig war (vor der Straf- 
mündigkeit). Dadurch war je- 
doch weder ihre strafrechtli- 
che Verantwortlichkeit noch 
ihre Schuldfähigkeit ausge- 
schlossen. Die Angeklagte 
hatte zwischenzeitlich ihre Si- tuation durchaus erkannt und 
 sich selbst um einen Entzug 
bemüht. Sie war daher durch- aus in der Lage, das Unrecht 
ihres Verhaltens einzusehen 
und nach dieser Einsicht zu 
handeln. 
Die Prognose für die Zukunft 
ist jedenfalls im gegenwärti- 
gen Zeitpunkt günstig, wenn 
auch nicht gesagt werden 
kann, daß bei der Angeklagten ein Rückfall ausgeschlossen 
ist. Der weitere Werdegang 
der Angeklagten muß zumin- dest in nächster Zeit mit Auf- 
merksamkeit verfolgt werden.
Es war wahnsinnig aufregend. Meine Mutter packte tage- 
lang Koffer und Kisten. Ich begriff, daß für uns ein neues 
Leben anfing. 
Ich war sechs geworden, und nach dem Umzug sollte ich zur 
Schule gehen. Während meine Mutter pausenlos packte und 
immer nervöser wurde, war ich fast den ganzen Tag beim 
Bauern Völkel. Ich wartete, daß die Kühe zum Melken in den 
Stall kamen. Ich fütterte die Sauen und die Hühner und tobte 
mit den anderen im Heu. Oder ich trug die jungen Katzen 
herum. Es war ein herrlicher Sommer, der    
    
		
	
	
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