Auch sprach sie mit starker Betonung: 
"Meine Nichte macht stets nur in meiner Begleitung Besuche bei 
Herren. Sie ist so erzogen--" 
"Gut denn--gu--ut denn!" bestätigte Herr Knoop, sich in die Wünsche 
der Alten fügend, mit einem überlegenen Lächeln. 
"Wenn Sie Furcht haben, es könne Ihrem Fräulein Nichte etwas 
geschehen.--Oder--oder--jawohl--jawohl--daß es eben passender für 
eine junge Dame ist--: Völlig einverstanden! Also um zehn Uhr oder 
später, wie es Ihnen gefällt. Bis zwölf Uhr bin ich in meinem Kontor!" 
So sprach Herr Knoop. Die Alte aber, die nichts erwidert hatte, wandte 
sich während des Fortgehens noch einmal um, ergriff seine Hand und 
sagte zartfühlend: 
"Verzeihen Sie, wenn ich--wenn ich--Es war ja so nicht gemeint!--Und 
nochmals innigsten Dank." 
Dann ging sie. Herr Knoop aber trat, angenehm berührt, und zunächst 
noch im Nachdenken über diesen Besuch, an seinen Schreibtisch. 
Hier begab er sich an die Beantwortung verschiedener Geschäftsbriefe, 
deren Erwiderungen er, bevor er sie in die Umschläge steckte, auch 
noch auf einer auf einem Nebentisch stehenden Kopierpresse 
eigenhändig abklatschte. 
Inzwischen war die Zeit so weit vorgerückt, daß es von dem Turm der 
nahegelegenen Kirche zwölf schlug, und fast in demselben Augenblick 
erschien auch schon der in seiner dunkelblauen Dienerlivree mit den 
silbernen Knöpfen steckende Adolf und überreichte Herrn Knoop mit 
etwas zweifelnder Miene eine Visitenkarte. 
"Soll ich ihm 'reinlassen oder jleich abweisen?" fügte er, während Herr
Knoop diese studierte, hinzu. 
"Nein! Im Gegenteil! Ich werde ihm selbst öffnen, du kannst 
inzwischen hinten fragen, ob etwas zu besorgen ist," erwiderte Herr 
Knoop und entließ den, seinen dicken, mit den beringten Ohren 
versehenen Kopf bewegenden Alten. 
Nachdem er gegangen, zog Herr Knoop das anonyme Schreiben hervor 
und ließ es,--weil er das Gefühl hatte, sicherlich einem sehr gewandten, 
nicht leicht zu durchschauenden Weltmann 
gegenüberstehen,--nochmals auf sich wirken. 
Alsdann trat er Herr von Klamm gegenüber und nötigte ihn, mit artiger 
Zuvorkommenheit, näher zu treten. 
Herr von Klamm machte einen äußerst vorteilhaften Eindruck. Er besaß 
bei einem angenehm gemessenen Wesen vollendete Manieren, und 
verstärkt wurde noch das sich für ihn in Herrn Knoop regende Interesse, 
als er nach Erledigung der Einleitungsworte eingehend über seine 
Absichten sprach. 
"Die Einrichtung Ihres Geschäfts kennen zu lernen, ist mir von 
doppeltem Wert, sehr verehrter Herr Knoop. Es interessiert mich an 
sich, und ich verbinde damit, offen gestanden, einen Zweck. 
"Ich möchte unter Umständen den Versuch machen, in einem solchen 
Unternehmen eine Thätigkeit zu finden. Erlauben Sie mir, Ihnen kurz 
zu sagen, wer ich bin: 
"Mein Vater besaß eine Gutsherrschaft in der Nähe von Bautzen. Diese 
ging nach seinem Tode in den Besitz meiner Mutter über, die aus den 
Erträgnissen eines aus der Verwertung desselben hervorgegangenen 
Vermögens existiert. 
"Ich wurde als junger Mensch von meinen Eltern in die Kadettenanstalt 
in Dresden gethan, und bin sodann in Wien in österreichische 
Militärdienste getreten. Nachdem ich wegen einer 
Meinungsverschiedenheit mit meinem Vorgesetzten den Abschied
genommen, war ich in gleicher Eigenschaft als Soldat einige Jahre im 
Ausland und habe mich, von dort zurückgekehrt, in den großen 
europäischen Städten auf verschiedenen, mich interessierenden 
Gebieten, namentlich auch schriftstellerisch und journalistisch versucht, 
und bin endlich, nach längerem Aufenthalt in Wien und Dresden, hier 
seit reichlich einem Jahre in dem mich besonders anziehenden Berlin 
gestrandet. 
"Gewiß, ich begreife, daß man Persönlichkeiten, die häufig in ihren 
Lebensbeschäftigungen wechseln, ein gewisses Mißtrauen 
entgegenträgt. Indessen hat mich stets ein ausgeprägter Sinn für alles 
Wissenswerte geleitet, und ganz besondere Umstände führten die 
eingetretenen Ortsveränderungen herbei. 
"Auch darf ich der Wahrheit gemäß behaupten, daß ich, war ich auch 
einmal leichtlebig, in allen ernsten und Ehrensachen stets äußerst genau 
verfahren habe. 
"Letzteres erwähne ich, weil ich Sie gegebenen Falles zu fragen mir 
erlauben möchte, ob Sie mir nicht eine Thätigkeit in Ihrem 
vielverzweigten Geschäft anweisen könnten. 
"Ich führe--ich darf es behaupten--eine gewandte Feder! 
"Und noch eins gleich! Sie haben vielleicht ein anonymes Schreiben 
erhalten! Ich bitte, daß Sie mich es lesen lassen, um die 
Verleumdungen zu widerlegen." 
Herr Knoop hatte, wie erwähnt, dieser inhaltreichen, in einem 
außerordentlich freimütigen Ton vorgetragenen Rede unter den 
vorteilhaftesten Eindrücken zugehört. 
Als Herr von Klamm aber den letzten Satz sprach, meldete sich ein 
gewisses Mißtrauen. Sicher! Keiner, der Beste,--so überlegte Herr 
Knoop--konnte sich vor Verdächtigungen schützen, aber die Wirkung 
solcher konnte auf andere niemals eine günstige sein! Im übrigen 
entsprach er dem Wunsch, den Baron Klamm geäußert hatte.
Während Baron Klamm das Schreiben prüfte, trat ein verächtlicher 
Ausdruck in sein Antlitz. Dann sagte er, während er den Brief Herrn 
Knoop mit kavaliermäßiger Artigkeit wieder überreichte: 
"Ich danke Ihnen, und ich bitte, daß Sie die immer gleichlautende 
Niederträchtigkeit in den Ofen werfen. Und hier!" fuhr er fort, zog ein 
Schriftstück aus der Tasche und unterbreitete es Herrn Knoop. 
"Ich bitte freundlichst, daß Sie dies Ihrer Beachtung würdigen." 
Herr Knoop nahm das ihm Gebotene, entfaltete es und las die 
nachstehenden Worte: 
"Herr Alfred, Baron von Klamm-Gleichen, war, nachdem er den 
überseeischen Dienst verlassen hatte, während einer längeren Zeit    
    
		
	
	
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