auch sehr beschäftigenden Brief, der keine 
Unterschrift trug und durch eine Schreibmaschine hergestellt war, noch 
einmal durch. Er lautete: 
"Sehr geehrter Herr! 
Es wird Sie dieser Tage--ich hörte es in dem Wiener Café von Bauer 
zufällig--ein Baron von Klamm besuchen. Da ich ihn sehr genau kenne, 
so erlaube ich mir, Sie vor ihm zu warnen. Er ist durchaus 
unzuverlässig!
Denken Sie diesmal nicht: Anonyme Zuschriften gehören, ohne 
beachtet zu werden, ins Feuer. 
M.P." 
Nachdem Herr Knoop diese beiden Briefe in seinem Pulte verschlossen 
hatte, klingelte er. Er übergab neben anderen Anweisungen dem 
Faktotum und Büreaudiener Adolf, einem Mann, der dadurch auffiel, 
daß er runde, stählerne Ohrringe trug, die Mappen, und hieß ihn auch, 
die draußen Wartenden nach der Reihe ihres Eintreffens ins Zimmer 
treten zu lassen. 
Zuerst erschien ein fremder Setzer. Er bat um Arbeit, und wurde von 
Herrn Knoop zum Accidenzfaktor gesandt. Nach ihm kam eine sauber 
gekleidete Frau und bat um einen Vorschuß für die Familie. Ihr Mann 
arbeitete im Papierlager, war fleißig und gewissenhaft. 
Sie brauchte das Geld für ihren Sohn, der lange krank gewesen war und 
nun überseeisch sein Glück versuchen sollte. 
Herr Friedrich Knoop ging an den Geldschrank, nahm zwei Geldstücke 
heraus und sagte: 
"Hier, Frau Bendler! Ich schenke Ihnen das! Vorschüsse gebe ich nur in 
äußersten Fällen! Das wissen Sie! Und ein andermal lassen Sie Ihren 
Mann kommen und dergleichen vorbringen. Die Frauen will ich nicht 
anhören. Da könnten alle heranlaufen, und ich hätte eine schöne Last--" 
"Gottes Segen, Herr Knoop, und vielen Dank noch! Und nehmen Sie't 
man nich für unjut, Herr Knoop! Mein Mann--Sie kennen ihm--is bei 
so wat mal zu schanierlich--" 
"Na ja, das mag sein! Aber! Entweder--oder in Zukunft! Und nun 
Adieu! Mög' es Ihnen gut gehen! Grüßen Sie Ihren Sohn Franz. 
Hoffentlich gelingt's ihm in Brasilien!" 
Nachdem sich die Frau entfernt hatte, erschien der Agent einer 
Papierfabrik.
Er machte ein Angebot auf Zeitungspapier. 
Herr Knoop trat ans Fenster, ließ das hellere Licht auf den ihm 
überreichten Probebogen fallen, betrachtete ihn aufmerksam und sagte, 
während er auch noch nach Art der Erfahrenen, die Flächen des Stoffes 
zwischen Zeigefinger und Daumen rieb, wie die Zahlungsbedingungen 
für 500 Ballen sein würden. 
Nachdem er darauf Antwort empfangen, ersuchte er den Agenten, ihm 
das Angebot nochmals schriftlich zu machen, und in dem Schreiben zu 
bemerken, daß die Fabrik unbedingte Gewähr für ihre Angaben 
übernehmen würde. 
"Jawohl! Ganz gut! Wenn Gewicht, Fabrikat und Färbung nach dieser 
Vorlage geliefert werden können, denke ich, gelangen wir zu einem 
Abschluß!" entschied Herr Knoop in einem kurzen Ton. 
Hierauf noch ein Knopfnicken und ein verbindliches Handreichen, und 
eine andere Persönlichkeit trat in das Gemach. 
Ein älteres, unmodisch gekleidetes Fräulein, mit an die Stirnseiten 
vorgekämmtem Haar und einem Strickbeutel über dem Arm, erschien 
und erörterte, daß sie sich die Erlaubnis nähme. 
"Nun ja! Bitte! Was ist's denn? Womit kann ich dienen?" stieß Herr 
Knoop heraus. 
"Mein Name ist Charlotte von Oderkranz. Ich lebe von einer kleinen 
Fideikommiß-Einnahme und habe noch eine Nichte zu ernähren. 
"Sie hat ihr Lehrerin-Examen gemacht und sucht eine Stellung als 
Gouvernante oder im Fall als Gesellschafterin. 
"Hier, bitte, Herr Zeitungseigentümer, ihre Photographie!" 
Während dieser Worte nestelte sie den Beutel auf, und zog das Bild 
eines jungen, ungewöhnlich schönen Mädchens hervor. 
Herr Knoop hatte die Antragstellern schon ersuchen wollen, von
Einzelheiten abzusehen--seine Zeit sei gemessen--aber sein Blick 
wurde doch von dieser Photographie allzusehr gefesselt. 
"Und was soll ich thun?" nahm Herr Knoop, schon unwillkürlich 
zuvorkommender im Ton, das Wort. 
"Ja, ich möchte, da wir in unseren Mitteln sehr beschränkt sind, 
bitten,--bitten, daß Sie diese Annonce einigemal in den Täglichen 
Nachrichten zu einem ermäßigten Preise aufzunehmen die Güte hätten. 
Das ist's, das ist's! Wir haben sie auch möglichst kurz gefaßt.--Bitte, 
möchten Sie sie einmal lesen, Herr Eigentümer?" 
"Ein junges Mädchen aus angesehenem Hause, mit 
Lehrerinnen-Zeugnissen versehen, und mit allen Hausarbeiten vertraut, 
besonders musikalisch, wünscht eine Stellung als Gouvernante, 
Repräsentationsdame oder Gesellschafterin. Offerten an die Expedition 
der Täglichen Nachrichten unter Ch.v.O." 
Während Herr Knoop den Inhalt studierte, fiel ihm ein, daß es seit 
lange seiner Tochter Margaretes höchster Wunsch war, eine derartige 
Gefährtin zu besitzen. 
Infolgedessen sagte er, kurz entschlossen: 
"Bitten Sie doch Ihr Fräulein Nichte, mich morgen vormittag etwa um 
diese Zeit hier in meinem Kontor zu besuchen. Ich kann ihr vielleicht, 
ohne daß wir eine Anzeige erlassen, dienlich sein! 
"Wenn aber nicht, so will ich Ihren Wunsch erfüllen! Ich werde die 
Annonce wiederholt in Zwischenräumen ohne Kosten für Sie, 
aufnehmen." 
"O, sehr, sehr gütig, Herr Eigentümer," stieß die alte Dame, glücklich 
überrascht, heraus. "Nehmen Sie innigsten Dank! Und Ileisa wird 
Ihrem Wunsch genau nachkommen. Ich werde sie selbst herführen." 
"O, nein, nein! Das ist ja nicht nötig, mein Fräulein. Was wollen Sie 
sich bemühen"--fiel Herr Knoop, höflich bestimmt, ein und erwartete,
daß die Antragstellern erfreut zustimmen würde. Aber es geschah nicht, 
es malte sich vielmehr in ihren Zügen eine mißtrauische Enttäuschung.    
    
		
	
	
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