Cannes und Genua | Page 5

Walther Rathenau
nicht in der Lage, dem Kapitalmarkt der Welt Mittel im Ausmasse reicherer Staaten zur Verf��gung zu stellen, immerhin unter den beabsichtigten Bedingungen ist Deutschland in der Lage, den ihm zugedachten Teil zu ��bernehmen. Deutschland ist um so mehr geeignet, am Wiederaufbau teilzunehmen, als es mit den technischen und wirtschaftlichen Bedingungen und Gepflogenheiten des Ostens vertraut ist. Der Weg, auf den man sich begeben will, erscheint mir richtig. Ein internationales Syndikat, und zwar ein Privatsyndikat. Deutschland glaubt, dass man die Frage des Wiederaufbaus beginnen sollte mit der Wiederherstellung des Verkehrs und der Verkehrsmittel. Man muss sodann an die Quellen der Produktion vordringen und vor allem die bestehenden Unternehmungen wieder neu beleben. Deutschland glaubt, dass es an der Entwicklung des Ostens und der Mitte Europas um so mehr Anteil zu nehmen berechtigt ist wegen seiner Haltung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung gerade dieses ?stlichen Europas gegen��ber. In dem Augenblick, als Deutschland fast am Ende seiner Kr?fte war nach Krieg, Niederbruch, Revolution hat Deutschland doch der staatlichen und sozialen Desorganisation widerstanden. H?tte diese Desorganisation in Deutschland triumphiert, so w?re sie eine entscheidende Gefahr f��r die ganze Welt geworden. Deshalb glaubt Deutschland, sich nicht nur nach Kr?ften der Wiederherstellung zerst?rter Gebiete des Westens, sondern auch mit R��cksicht auf seine geographische Lage und Kenntnis nachbarlicher Verh?ltnisse der Wiederherstellung von Ost- und Zentral-Europa widmen zu sollen, und somit an der Aufgabe teilzunehmen, die die Grossm?chte sich im Einvernehmen mit diesen Gebieten gestellt haben.

REDE VOR DEM HAUPTAUSSCHUSS DES REICHSTAGES VOM 7. M?RZ 1922
Im Mittelpunkt unserer gesamten Aussenpolitik steht nach wie vor das Problem der Reparationen. In dem Augenblick, als im Fr��hjahr letzten Jahres das Ultimatum von Deutschland unterzeichnet wurde und dadurch das Reparationsproblem in sein gegenw?rtig aktuelles Stadium trat, waren drei Auffassungen in Deutschland gegen��ber diesem Problem erkennbar.
Die eine Auffassung ging dahin, es m��sse Festigkeit gezeigt und Widerstand geleistet, es m��sse, komme, was da wolle, die Leistung der Reparationen ��berhaupt abgelehnt werden. Ich glaube nicht, dass diese Anschauung eine verbreitete war, sie ist aber in der Oeffentlichkeit zum Ausdruck gekommen. Niemand hat den Versuch gemacht, darzulegen, mit welchen Mitteln eine solche Politik gef��hrt werden k?nne, und zu welchen Ergebnissen sie f��hren w��rde. Dieses Ergebnis w?re lediglich die Katastrophe gewesen, die Versenkung Deutschlands in ein Chaos ausw?rtiger Verwirrungen.
Die zweite Auffassung, die uns entgegentrat, fand Widerklang in diesem hohen Hause. Es war die Auffassung, dass man zwar bis zu einem bestimmten Masse sich dem Reparationsproblem n?hern d��rfe, dass aber die erste Aufgabe der Reichsregierung darin bestehen m��sse, wie man sich ausdr��ckte, mit aller Offenheit zu erkl?ren, die Leistungen seien vollkommen unerf��llbar und es habe ��berhaupt keinen Zweck, sie in irgendwelchem bedeutenderen Ausmasse in Erw?gung zu ziehen. Diese Politik wurde bezeichnet als die Politik der Offenheit, und es wurde der Regierung der schwere Vorwurf gemacht, dass sie angeblich diese Offenheit nicht aufbr?chte. Diese Auffassung war unpsychologisch, denn der andere h?rte aus dem ?Wir k?nnen nicht? nur das ?Wir wollen nicht? heraus.
Die dritte Auffassung des Versuches der Erf��llung war die Auffassung der Reichsregierung, und sie ist im Laufe dieses Jahres in erheblichem Masse gef?rdert worden. Die Reichsregierung ging davon aus, dass eine Verpflichtung f��r das Reich geschaffen sei durch die Unterschrift seiner massgebenden Stellen. Sie ging davon aus, dass unter allen Umst?nden der Versuch gemacht werden m��sse, den ehemaligen Gegnern zu zeigen, dass Deutschland bereit sei, bis an die Grenze seiner Leistungsf?higkeit zu gehen. Ich glaube, dass diese Auffassung die psychologisch richtige war. Sie rechnete mit der Mentalit?t der ehemals gegnerischen L?nder und ging davon aus, dass ��ber kurz oder lang eine Erkenntnis des wirklichen Sachverhalts eintreten w��rde durch eigene Einsicht der ��brigen Nationen.
Ich bedaure, dass ein Wort, das ich bei Einleitung dieser sogenannten Erf��llungspolitik gesprochen habe, erheblichen Missverst?ndnissen begegnet ist. Man hat aus Ausf��hrungen, die ich im Reichstag tat, geschlossen, ich w?re der Meinung, Deutschland k?nne bis zu jedem beliebigen Masse seine Erf��llung treiben; es w?re lediglich eine Frage, wie weit man es f��r w��nschenswert hielte, das Volk in Not geraten zu lassen. Ich w��rde eine solche Auffassung, wenn sie in meinen Worten erkennbar w?re, auf das tiefste bedauern. Was ich gesagt habe, war aber so ziemlich das Entgegengesetzte. Ich habe f��r die M?glichkeit der Erf��llung die st?rkste Grenze gezogen, die man ��berhaupt ziehen kann, n?mlich die sittliche. Ich habe erkl?rt, dass das Mass der Erf��llung gegeben sei durch die Frage, wie weit man ein Volk in Not geraten lassen d��rfe. Dieses ?d��rfe? unterstreiche ich, denn darin war die sittliche Verpflichtung enthalten, nur bis zu dem Punkte zu gehen, den der Staatsmann verantworten kann. Diesem Grundsatz ist die Regierung treu geblieben. Es hat sich im Laufe des Jahres dann auch gezeigt, dass die Fragestellung ?M?glichkeit oder Unm?glichkeit? der Erf��llung ��berhaupt nicht diejenige geworden ist, die die Mentalit?t der ��brigen L?nder ausschliesslich besch?ftigt hat. In kurzer Zeit hat sich ergeben, dass eine weitere Frage hervortrat, n?mlich die: wie weit eine Reparationsleistung
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