ihm notwendig müsse zerschmettert 
worden sein. 
An dem nächsten Scheidewege stand sie still, und harrte, ob nicht einer, 
der ihr, nach dem kleinen Philipp, der liebste auf der Welt war, noch 
erscheinen würde. Sie ging, weil niemand kam, und das Gewühl der 
Menschen anwuchs, weiter, und kehrte sich wieder um, und harrte 
wieder; und schlich, viel Tränen vergießend, in ein dunkles, von Pinien 
beschattetes Tal, um seiner Seele, die sie entflohen glaubte, 
nachzubeten; und fand ihn hier, diesen Geliebten, im Tale, und 
Seligkeit, als ob es das Tal von Eden gewesen wäre. 
Dies alles erzählte sie jetzt voll Rührung dem Jeronimo, und reichte 
ihm, da sie vollendet hatte, den Knaben zum Küssen dar.--Jeronimo 
nahm ihn, und hätschelte ihn in unsäglicher Vaterfreude, und verschloß 
ihm, da er das fremde Antlitz anweinte, mit Liebkosungen ohne Ende 
den Mund. Indessen war die schönste Nacht herabgestiegen, voll 
wundermilden Duftes, so silberglänzend und still, wie nur ein Dichter 
davon träumen mag. Überall, längs der Talquelle, hatten sich, im 
Schimmer des Mondscheins, Menschen niedergelassen, und bereiteten 
sich sanfte Lager von Moos und Laub, um von einem so qualvollen 
Tage auszuruhen. Und weil die Armen immer noch jammerten; dieser, 
daß er sein Haus, jener, daß er Weib und Kind, und der dritte, daß er 
alles verloren habe: so schlichen Jeronimo und Josephe in ein dichteres 
Gebüsch, um durch das heimliche Gejauchz ihrer Seelen niemand zu 
betrüben. Sie fanden einen prachtvollen Granatapfelbaum, der seine 
Zweige, voll duftender Früchte, weit ausbreitete; und die Nachtigall 
flötete im Wipfel ihr wollüstiges Lied. Hier ließ sich Jeronimo am 
Stamme nieder, und Josephe in seinem, Philipp in Josephens Schoß,
saßen sie, von seinem Mantel bedeckt, und ruhten. Der Baumschatten 
zog, mit seinen verstreuten Lichtern, über sie hinweg, und der Mond 
erblaßte schon wieder vor der Morgenröte, ehe sie einschliefen. Denn 
Unendliches hatten sie zu schwatzen vom Klostergarten und den 
Gefängnissen, und was sie um einander gelitten hätten; und waren sehr 
gerührt, wenn sie dachten, wie viel Elend über die Welt kommen mußte, 
damit sie glücklich würden! 
Sie beschlossen, sobald die Erderschütterungen aufgehört haben 
würden, nach La Conception zu gehen, wo Josephe eine vertraute 
Freundin hatte, sich mit einem kleinen Vorschuß, den sie von ihr zu 
erhalten hoffte, von dort nach Spanien einzuschiffen, wo Jeronimos 
mütterliche Verwandten wohnten, und daselbst ihr glückliches Leben 
zu beschließen. Hierauf, unter vielen Küssen, schliefen sie ein. 
Als sie erwachten, stand die Sonne schon hoch am Himmel, und sie 
bemerkten in ihrer Nähe mehrere Familien, beschäftigt, sich am Feuer 
ein kleines Morgenbrot zu bereiten. Jeronimo dachte eben auch, wie er 
Nahrung für die Seinigen herbeischaffen sollte, als ein junger 
wohlgekleideter Mann, mit einem Kinde auf dem Arm, zu Josephen trat, 
und sie mit Bescheidenheit fragte: ob sie diesem armen Wurme, dessen 
Mutter dort unter den Bäumen beschädigt liege, nicht auf kurze Zeit 
ihre Brust reichen wolle? Josephe war ein wenig verwirrt, als sie in ihm 
einen Bekannten erblickte; doch da er, indem er ihre Verwirrung falsch 
deutete, fortfuhr: es ist nur auf wenige Augenblicke, Donna Josephe, 
und dieses Kind hat, seit jener Stunde, die uns alle unglücklich gemacht 
hat, nichts genossen; so sagte sie: "ich schwieg--aus einem andern 
Grunde, Don Fernando; in diesen schrecklichen Zeiten weigert sich 
niemand, von dem, was er besitzen mag, mitzuteilen": und nahm den 
kleinen Fremdling, indem sie ihr eigenes Kind dem Vater gab, und 
legte ihn an ihre Brust. Don Fernando war sehr dankbar für diese Güte, 
und fragte: ob sie sich nicht mit ihm zu jener Gesellschaft verfügen 
wollten, wo eben jetzt beim Feuer ein kleines Frühstück bereitet werde? 
Josephe antwortete, daß sie dies Anerbieten mit Vergnügen annehmen 
würde, und folgte ihm, da auch Jeronimo nichts einzuwenden hatte, zu 
seiner Familie, wo sie auf das innigste und zärtlichste von Don 
Fernandos beiden Schwägerinnen, die sie als sehr würdige junge
Damen kannte, empfangen ward. 
Donna Elvire, Don Fernandos Gemahlin, welche schwer an den Füßen 
verwundet auf der Erde lag, zog Josephen, da sie ihren abgehärmten 
Knaben an der Brust derselben sah, mit vieler Freundlichkeit zu sich 
nieder. Auch Don Pedro, sein Schwiegervater, der an der Schulter 
verwundet war, nickte ihr liebreich mit dem Haupte zu.-In Jeronimos 
und Josephens Brust regten sich Gedanken von seltsamer Art. Wenn sie 
sich mit so vieler Vertraulichkeit und Güte behandelt sahen, so wußten 
sie nicht, was sie von der Vergangenheit denken sollten, vom 
Richtplatze, von dem Gefängnisse, und der Glocke; und ob sie bloß 
davon geträumt hätten? Es war, als ob die Gemüter, seit dem 
fürchterlichen Schlage, der sie durchdröhnt hatte, alle versöhnt wären. 
Sie konnten in der Erinnerung gar nicht weiter, als bis auf ihn, 
zurückgehen. Nur Donna Elisabeth, welche bei einer Freundin, auf das 
Schauspiel des gestrigen Morgens, eingeladen worden war, die 
Einladung aber nicht angenommen hatte, ruhte zuweilen mit 
träumerischem Blicke auf Josephen; doch der Bericht, der über irgend 
ein neues gräßliches Unglück erstattet ward, riß ihre, der    
    
		
	
	
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