Aus der Chronika eines fahrenden Schnlers | Page 8

Clemens Brentano
deine neue
Heimat; bist du zufrieden bei mir?"
Da sagte ich: "Herr, sollte ich nicht froh sein? Da ich nun weiß, wo
schlafen und wo Brot finden und wem dienen um des Herren willen, da
weiß ich nun auch, wen lieben, wem danken außer Gott, und für wen
beten außer für mich. Herr, meine neue Heimat gefällt mir wohl; Gott
gebe, daß ich auch ihr wohlgefalle, und ihrer würdig werde." Da
lächelte der Ritter und sprach: "Johannes, wenn dir deine Worte ernst
sind, so werden wir gute Gesellen sein, denn deine Rede gefällt mir
wohl. Aber was willst du tun, mir wohlzugefallen; was willst du mir
geben, da du nichts hast?"
Hierauf erwiderte ich: "Herr, ich bleibe Euer Schuldner vor der Welt,
denn ich kann Euch kein Wams geben für das Wams, das ich durch
Eure Gnade trage; aber vor Gott gebe ich Euch einen guten Zahlmann,
denn vor ihm schenke ich Euch mein Herz."
Da versetzte der Ritter scherzhaft: "Wenn ich dir nun auch mein Herz
geben wollte für das deinige, so behielt ich doch das Wams zugute; wie
dann, Johannes?"
Worauf ich entgegnete: "Herr, Ihr rechnet so gestreng, als wolltet Ihr
mich versuchen in Gegenrechnung, und so muß ich dann schon sagen,
daß mein Herz gewiß nicht Wert hat gegen das Eure, welches geprüfet
ist durch lange Jahre, da das meinige arm ist und ohne Verdienst, ja da
ihm alles Gute, was es gewollt hat, nicht zugute kömmt, da es keinen
Wert hat, den es Euch mit sich geben kann, weil der Glaube an die
Barmherzigkeit des Heilands nicht mit dem Herzen geschenkt werden
kann und dieser Glaube allein doch ein Herz zu beseligen und selig zu
machen vermag. So nehmt es denn hin, wie es ist, und füget hinzu, was
man nicht mitgeben kann. Doch habe ich noch eine Gabe, deren ich
Euch genießen lassen will, und die Ihr mir nicht so leicht einholen
sollet; denn sie ist rasch und fliehet davon, auch werdet Ihr sie mit
allem Ernste nicht leicht verdrängen mögen; denn sie ist lieblich und
lustig anzuschauen, und könnte ich sie Euch wirklich zu eigen geben,
so würdet Ihr sie nicht gerne wieder lassen, eine also gute Gesellin ist
sie."

Mein Herr, der sehr ernst geworden war, sagte hierauf, traurig vor sich
niederschauend: "Und was ist das vor ein Kleinod, Johannes, mit dem
du so prahlest?"
Da erwiderte ich: "Herr, es ist meine Jugend; deren will ich Euch
genießen lassen, wie ich kann. Damit Ihr Euer Alter vergesset bei mir,
will ich Euch erfreuen mit mancherlei fröhlichen Reden und
Gedanken."
Aber was ich da zuletzt gesprochen hatte, war wohl töricht und ein
schlechter Anfang meiner versprochenen erfreulichen Reden; denn
mein gnädiger Herr ward nun sehr stille und finster. Weil ich ihn an
sein Alter erinnert hatte, glaubte ich. Da redete ich ihn schüchtern an:
"Herr, ich habe Euch mit törichten Worten erzürnet."
Er aber sprach: "Das hast du nicht getan, Johannes, du hast die
Wahrheit gesprochen, aber mir ist schwerer aufs Herz gefallen, was mir
lange schon darauf liegt, mein Unwert. Nun aber bedenke ich, ob dein
fröhlicher Mut mir wohl diese Last von der Brust nehmen wird; aber
das mag wohl nicht sein; hast du mich nicht gefunden hier im Grünen,
in einem lustigen Garten, von der lieben Sonne beschienen, und
angesungen von den unschuldigen Vögelein, nachdenklich und betrübt?
Wirst du können, was der Frühling nicht vermag? So du aber Künste
gelernt hast, die ich nicht besitze, so wirst du mein Schuldner nicht
bleiben, wenn ich gleich selbst ewig Gottes Schuldner bleibe. Setze
dich zu mir und sage mir treulich, wie du zur Armut gekommen bist im
Guten, und wie es sich mit dir begeben, bis ich dich gestern an der
Eiche gefunden habe im Blobsheimer Wald, und dann sollst du
ebenfalls von mir hören, warum ich betrübt bin."
Da ich die große Freundlichkeit meines Herrn aus dieser Rede
vernommen hatte, faßte ich einen guten Mut, setzte mich zu ihm unter
den Baum, und sprach also: "Mein gnädiger Herr und Ritter, es gibt
keinen ehrlicheren Weg ins Leben als die Geburt, denn unser Heiland
ist ihn auch gewandelt, und so gibt es auch keinen ehrlicheren Weg zur
Armut, als in ihr geboren zu sein, denn auch unser Heiland ward in ihr
geboren, und so kam ich zur Armut, als ich zur Welt kam. Aber ich bin
doch nicht lang arm geblieben; denn ich fand eine unaussprechlich
liebe Mutter; die ließ mich an ihrem Herzen schlummern, und sah auf
mich nieder mit sorgenden Liebesblicken, und weckte sie mich nicht
mit ihren Tränlein, die auf mich niederfielen, so weckte sie mich mit

Küssen, und ließ mich ihr eignes Leben aus ihren Brüsten trinken; o
Herr, war ich nicht reich, wer ist reicher als ein neugebornes
Kindlein?--Ja, ich war so reich, daß ich meiner lieben Mutter Freud und
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