Die ungleichen Schalen | Page 4

Jakob Wasserman
T��re auf, feierlich)
Der General-Adjutant Kammerherr Graf Orlow.
Orlow
(tritt s?bel- und sporenklirrend ein. Er tr?gt die Uniform der Preobraschenskyschen Leibwachen. Seine Gestalt ist ?u?erst schlank, sein Gesicht kalt, bleich, hochm��tig und etwas verw��stet. Die Z��ge verraten eine kaum zu b?ndigende Leidenschaftlichkeit. Er wei? um seine Sch?nheit, ist eitel darauf und verachtet sie zugleich. Seine H?nde sind fein und lang. Er verbeugt sich tief vor Rasumowsky, die beiden Offiziere scheint er zu ��bersehen.)
Ich komme hoffentlich nicht zu ungelegener Stunde, Graf Alexei?
Chidrowo
(kaum h?rbar)
Verloren, M��tterchen Ru?land, verloren ...
Rasumowsky
Michael Jefimowitsch, du wirst die G��te haben, dr��ben im gelben Zimmer zu warten.
Lassunsky
Wir wollen keinesfalls st?ren.
Rasumowsky
Auch Sie, Fedor Alexandrowitsch, m?gen warten, wenn es Ihnen gef?llig ist.
Chidrowo
Wenn es erlaubt ist, will ich warten. (Ab mit Lassunsky nach rechts.)
Rasumowsky
Nehmen Sie Platz, Graf Orlow. (Er setzt sich, legt die Bibel aus der Hand.)
Orlow
(setzt sich gleichfalls)
Da? ich nicht mit einer langen Vorrede l?stig falle, Erlaucht: Wie Ihnen bekannt sein d��rfte, hat sich Ihre Majest?t, die Kaiserin, entschlossen zu heiraten.
Rasumowsky
(bed?chtig)
Wieder zu heiraten.
Orlow
Zar Peter ist tot.
Rasumowsky
Doch war er gekr?nter und gesalbter Zar von Ru?land.
Orlow
Ihm folgte von Gottes Gnaden Katharina.
Rasumowsky
Ich unterwerfe mich dem��tig ihrem m?chtigen Willen.
Orlow
Ihre erhabene Majest?t hat ihr Herz an einen Unw��rdigen verschenkt, den sie aus dem Staub zu sich auf den Thron erheben will. Dieser Unw��rdige befindet sich vor Ihnen, Erlaucht.
Rasumowsky
Und schaudert Ihnen nicht vor solcher Erhebung, Graf Orlow? Da? Sie mit Worten der Bescheidenheit davon sprechen, steht Ihnen wohl an. Ich hatte es nicht erwartet.
Orlow
Da? ich endlich einen Mann finde, dem ich mein volles und bedr��cktes Gem��t er?ffnen kann! (Emphatisch.) Warum hat uns das Geschick nicht fr��her einander n?her kommen lassen!
Rasumowsky
Mein Los ist Einsamkeit seit langem, Graf Orlow. Fast kenne ich die Welt nicht mehr, und fremd ist mir geworden, was sich au?erhalb dieser Schwelle begibt.
Orlow
So dacht ich mir's, Erlaucht, und nur mit frommen Empfindungen bin ich genaht.
Rasumowsky
Unheilig war stets, was mir von drau?en kam, das ist wahr. Doch liebe ich die Jugend, wenn schon vieles mir unbegreiflich an ihr ist.
Orlow
(geschmeidig und beredt)
Wie Sie leicht ermessen k?nnen, Erlaucht, begegnet die edle Absicht der Kaiserin dem Widerstand aller Gro?en des Reichs. Man beneidet mich, man legt mir Fallstricke, man zettelt Verschw?rungen an, ja man schreckt nicht vor offenbaren Beleidigungen zur��ck, denen mein Gleichmut unm?glich gewachsen ist.
Rasumowsky
Ja, ja, ja. Es ist geblieben, wie es immer war.
Orlow
Ich habe mich beherrschen gelernt, Erlaucht. Mein Vater hat mich in Demut und Gehorsam erzogen. Niemals, in meinen verwegensten Tr?umen nicht, konnte ich ahnen, da? der Blick meiner gn?digen Herrscherin auf mich fallen w��rde. Wer kann es mir verargen, Erlaucht, da? mein ganzes Blut sich in Hingebung f��r diese Frau entflammte, da? ich bereit bin, meine Seligkeit f��r sie zu opfern, da? mir nichts m��hevoll, nichts unerreichbar mehr erscheint, seitdem sie mich erw?hlt hat?
Rasumowsky
Wohl kann ich dies verstehen, Graf Orlow.
Orlow
(schw?rmerisch)
O, ich wu?te es, Erlaucht, ich wu?te es. Dank, allen Dank meines armen Herzens.
Rasumowsky
Ein Herz wie das Ihre ist nicht arm, Graf Orlow.
Orlow
Doch scheint mir's so in Ihrer N?he. Aber h?ren Sie weiter, Erlaucht. Vor wenigen Tagen wurde die Zarin, deren Geist in qu?lender Unschl��ssigkeit irgend einen Weg suchte, von einem ruchlosen Ratgeber auf Ihre Ehe --
Rasumowsky
(unterbricht hastig)
Ich wei?, ich wei? ...
Orlow
Sie wissen, Erlaucht? Ich atme auf. Dies mindert die Schwierigkeit meiner Sendung.
Rasumowsky
Ich bin erstaunt, da? Ihre Majest?t ein solches Mittel n?tig zu haben glaubt. Jede Handlung ist gerechtfertigt, die sie guthei?t.
Orlow
Ganz meine Meinung, Erlaucht. Aber Katharina ist gewissenhaft und dankbar, zwei Eigenschaften, die den F��rsten das Regieren erschweren.
Rasumowsky
Und Ihre Mission ist also --
Orlow
Der Plan war, den Gro?kanzler zu schicken --
Rasumowsky
(nickt)
Auch dies ist mir bekannt.
Orlow
Ich wollte es um jeden Preis verhindern, selbst auf die Gefahr, ungehorsam gegen meine Wohlt?terin zu sein. Der Kanzler Woronzow ist ein vortrefflicher Diener, aber er ist nur ein Diener. Seine Rauheit, sein m��rrisches Wesen, seine Unf?higkeit, zarte Dinge zart zu packen, h?tte Sie unbedingt verletzt, Graf Alexei. Ich begriff das Ungeheuerliche des Auftrags wie die Delikatesse, mit der er behandelt werden mu?te, vom ersten Augenblick an. Ich habe tief mit Ihnen gef��hlt, Erlaucht, ich f��rchtete die Dazwischenkunft des Kanzlers, und -- ich habe ihn gefangen setzen lassen.
Rasumowsky
Was Sie getan haben, ist h?chst tadelnswert, Graf Orlow, doch kann ich dem Edelmut, der Sie antrieb, meine Bewunderung und meinen Dank nicht versagen.
Orlow
Und so bin ich gekommen -- (zaudert.)
Rasumowsky
Gekommen --?
Orlow
(leise, als sch?me er sich)
Sie um die Dokumente Ihrer Ehe mit der Zarin Elisabeth Petrowna zu bitten.
Rasumowsky
Mein Erstaunen w?chst, Graf Orlow. Wie kann man mit einer Tatsache rechnen, mit der die ?ffentlichkeit niemals behelligt worden ist, die niemals zugegeben worden ist und die daher niemals Gegenstand weder einer politischen, noch einer privaten Aktion werden kann?
Orlow
Ich ehre diese Entr��stung, Erlaucht, und finde sie gerecht. Aber es gibt Dinge, die so lange verschwiegen werden bis jedes Kind um sie wei?.
Rasumowsky
Wahrlich, was Sie da sagen, betr��bt mich aufs ?u?erste, Graf Orlow. Mir ist, als sei ich bestohlen worden. Mir ist, als h?tte man meine Brust durchw��hlt, um ihr das Teuerste zu
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