Die Verschwoerung des Fiesco zu Genua | Page 4

Friedrich von Schiller
auf. Oder wollen Sie die
Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbüßen?
Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?
Julia. Aufzubrechen--den Sessel zurückzustoßen--der Tafel den Rücken

zu kehren--der Tafel, Graf! an der ich sitze.
Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.
Julia. Und mehr ist es nicht?--Über die Fratze! und ist es denn meine
Schuld, (sich belächelnd) daß der Graf seine Augen hat?
Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht
überall hat.
Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fordre
Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des
Herzogs?
Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der Eifersucht
abbittet.
Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor
einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für
ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen
erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco?--ob sich die Gräfin von Lavagna
nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl
beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand
zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so fände.
Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen!--Ich weiß
es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte. Meine
Vernunft heißt mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias
beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist
meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die
Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende
Sonne der Majestät anzufliegen.
Julia. Eine große, große, gräfliche Lüge, die auf Stelzen
heranhinkt--Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem
Schattenriß einer Andern.
Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will ihn
hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem
himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert.)
Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen
zerstören.
Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer, bei
meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige um.)
So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)
Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott.

(Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die
Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla! (Menge Bediente.)
Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar, Musik lärme die
Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende
Lampen spotten die Morgensonne hinweg--Allgemein sei die Lust, der
bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in polternde Trümmer!
(Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang
aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin
viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk--und Spieltische von Gästen
besetzt.)

Fünfter Auftritt
Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina. Sacco.
Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.
Gianettino (lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich,
unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh Einer von euch, streu' es
in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich thun--Bei
meiner Geburt! sie werden den Tag roth im Kalender zeichnen und
drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.
Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)
Gianettino (wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die
Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um
Gianettino.)
Lomellin (führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir
neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche
begegnete?
Gianettino. Das hab' ich auch, Bursche, und muß ihre Bekanntschaft
haben.
Lomellin. Die kann ich Eurer Gnaden verschaffen.
Gianettino (rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich
neulich zur Procuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.
Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn sechzig
Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener, als Euer
Gnaden unterthäniger Diener.
Gianettino (schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! Du sollst
Procurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in
Genua? Laß sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale

schmeißen, was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart
meines Onkels, Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen?
Ich will, du sollst Procurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der
Signoria.
Lomellin (leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines gewissen
Verrina.
Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! muß ich
sie brauchen.
Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigsten
Republikaners!
Gianettino. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines
Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtthurm muß
einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Drei schwarze
Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog
Andreas seine Narben geholt in den Schlachten dieser
Lumpenrepublikaner, daß sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute
erbetteln soll? Donner und Doria! diesen Gelust müssen sie
niederschlucken, oder ich will über den Gebeinen meines Oheims einen
Galgen aufpflanzen, an dem sich ihre genuesische
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