Die Verschwoerung des Fiesco zu Genua | Page 3

Friedrich von Schiller
Schwelger und
Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen
Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen--das ist
Fiesco!--Ach, Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden--auch
ich meinen Gemahl!
Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.
Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein
Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt
in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)

Zweiter Auftritt
Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im
Gespräch.
Gianettino. Du hast mich verstanden.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Die weiße Maske.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Ich sage--die weiße Maske!
Mohr. Wohl! wohl! wohl!
Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend)
hieher verfehlen.
Mohr. Seid unbekümmert.
Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!
Mohr. Er soll zufrieden sein.
Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht
Mohr. Um Vergebung--wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins
Gewicht fallen?
Gianettino. Hundert Zechinen schwer.
Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!
Gianettino. Was brummst du da?
Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.
Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle
unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn ja
recht.

Mohr. Aber, Herr--ich muß flugs auf die That nach Venedig.
Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.)
In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.)
Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit!
Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)

Dritter Auftritt
Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.
Calcagno. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.
Sacco. Und ich beobachte, daß die mir alle verbirgst. Höre, Calcagno,
seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht
geradezu just dem Vaterland gilt.--Ich dächte, Bruder, wir Beide
könnten schon Geheimniß gegen Geheimniß tauschen, und am Ende
hätte Keiner beim Schleichhandel verloren--Wirst du aufrichtig sein?
Calcagno. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine
Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge
entgegen kommen soll--Ich liebe die Gräfin Fiesco.
Sacco (tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt' ich nicht
entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen--Deine
Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen,
wenn sie glückt.
Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.
Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text.
Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz
auf-Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die
abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den
Grafen in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben.
Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in
seinen Hühnerstall fallen.
Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du
plötzlich des Rothwerdens überhoben. Was ich mich zu denken
geschämt habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler,
wenn die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.
Calcagno. Sind deine Schulden so groß?
Sacco. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am
ersten Zehentheil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir
Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft,

soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.
Calcagno. Ich verstehe--und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit
frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir
Einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der
Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das
Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns
Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Körpers
durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet--Weiß Verrina um deinen
Anschlag?
Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du selbst,
ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen
Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug. Auch dich
hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.
Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen
und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)

Vierter Auftritt
Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.
Julia. Lakaien! Läufer!
Fiesco. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie?
Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll
vorfahren.
Fiesco. Sie erlauben--er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.
Julia. Pah! doch wohl das nicht--Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung
in Stücken--Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen
Sie doch.
Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen.
-Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön!
sehenswürdig! Rufe doch Jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem
reizenden Schauspiel!--Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese
Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie
im Kalender ihrer Liebkosungen blättert und einen Bruch in der
Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie
wohlfeiler markten. So stehen Sie doch
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