Die Laune des Verliebten | Page 3

J.W. Goethe
geklagt. Was hilft's dich? Magst du's ihm auch heut noch einmal sagen - Er wird beruhigt gehn, und morgen wieder klagen.
Eridon. Und das vielleicht mit Recht.
Amine. Mit Recht? Ich! Untreu sein? Amine, dir? Mein Freund, kannst du es glauben?
Eridon. Nein! Ich kann, ich will es nicht.
Amine. Gab ich in meinem Leben Dir je Gelegenheit?
Eridon. Die hast du oft gegeben.
Amine. Wenn war ich untreu?
Eridon. Nie! das ist es, was mich quaelt: Aus Vorsatz hast du nie, aus Leichtsinn stets gefehlt. Das, was mir wichtig scheint, haeltst du fuer Kleinigkeiten; Das, was mich aergert, hat bei dir nichts zu bedeuten.
Egle. Gut! nimmt's Amine leicht, so sag, was schadet's dir?
Eridon. Das hat sie oft gefragt; ja freilich schadet's mir!
Egle. Was denn? Amine wird nie andern viel erlauben.
Eridon. Zu wenig zum Verdacht, zu viel, sie treu zu glauben.
Egle. Mehr, als ein weiblich Herz je liebte, liebt sie dich.
Eridon. Und liebt den Tanz, die Lust, den Scherz so sehr als mich.
Egle. Wer das nicht leiden kann, mag unsre Muetter lieben!
Amine. Schweig, Egle! Eridon, hoer auf, mich zu betrueben! Frag unsre Freunde nur, wie ich an dich gedacht, Selbst wenn wir fern von dir getaendelt und gelacht; Wie oft ich mit Verdruss, der mein Vergnuegen nagte, Weil du nicht bei mir warst, was mag er machen? fragte. O wenn du es nicht glaubst, komm heute mit mir hin, Und dann sag' noch einmal, dass ich dir untreu bin. Ich tanze nur mit dir, ich will dich nie verlassen, Dich nur soll dieser Arm, dich diese Hand nur fassen. Wenn mein Betragen dir den kleinsten Argwohn gibt -
Eridon. Dass man sich zwingen kann, beweist nicht, dass man liebt.
Egle. Sieh ihre Traenen an, sie fliessen dir zur Ehre! Nie dacht ich, dass dein Herz im Grund so boese waere. Die Unzufriedenheit, die keine Grenzen kennt Und immer mehr verlangt, je mehr man ihr vergoennt, Der Stolz, in ihrer Brust der Jugend kleine Freuden, Die ganz unschuldig sind, nicht neben dir zu leiden, Beherrschen wechselsweis dein hassenswuerdig Herz; Nicht ihre Liebe ruehrt, dich ruehret nicht ihr Schmerz. Sie ist mir wert, du sollst hinfort sie nicht betrueben: Schwer wird es sein, dich fliehn, doch schwerer ist's, dich lieben.
Amine [fuer sich]. Ach! warum muss mein Herz so voll von Liebe sein!
Eridon [steht einen Augenblick still, dann naht er sich furchtsam Aminen und fasst sie bei der Hand]. Amine! liebstes Kind, kannst du mir noch verzeihn?
Amine. Ach, hab ich dir es nicht schon allzu oft bewiesen?
Eridon. Grossmuetges, bestes Herz, lass mich zu deinen Fuessen!
Amine. Steh auf, mein Eridon!
Egle. Jetzt nicht so vielen Dank! Was man so heftig fuehlt, fuehlt man nicht allzulang.
Eridon. Und diese Heftigkeit, mit der ich sie verehre -
Egle. Waer weit ein groesser Glueck, wenn sie so gross nicht waere. Ihr lebtet ruhiger, und dein und ihre Pein -
Eridon. Vergib mir diesmal noch, ich werde klueger sein.
Amine. Geh, lieber Eridon, mir einen Strauss zu pfluecken! Ist er von deiner Hand, wie schoen wird er mich schmuecken!
Eridon. Du hast die Rose ja!
Amine. Ihr Lamon gab sie mir. Sie steht mir schoen.
Eridon [empfindlich]. Ja wohl -
Amine. Doch, Freund, ich geb' sie dir, Dass du nicht boese wirst.
Eridon [nimmt sie an und kuesst ihr die Hand]. Gleich will ich Blumen bringen. [Ab.]

Vierter Auftritt
[Amine. Egle. Hernach Lamon.]
Egle. Gutherzig armes Kind, so wird dir's nicht gelingen! Sein stolzer Hunger waechst, je mehr dass du ihm gibst. Gib acht, er raubt zuletzt dir alles, was du liebst.
Amine. Verlier' ich ihn nur nicht, das Eine macht mir bange.
Egle. Wie schoen! Man sieht es wohl, du liebst noch nicht gar lange. Im Anfang geht es so: hat man sein Herz verschenkt, So denkt man nichts, wenn man nicht an den Liebsten denkt. Ein seufzender Roman, zu dieser Zeit gelesen, Wie zaertlich der geliebt, wie jener treu gewesen, Wie fuehlbar jener Held, wie gross in der Gefahr, Wie maechtig zu dem Streit er durch die Liebe war, Verdreht uns gar den Kopf; wir glauben uns zu finden, Wir wollen elend sein, wir wollen ueberwinden. Ein junges Herz nimmt leicht den Eindruck vom Roman; Allein ein Herz, das liebt, nimmt ihn noch leichter an. Wir lieben lange so, bis wir zuletzt erfahren, Dass wir, statt treu zu sein, von Herzen naerrisch waren.
Amine. Doch das ist nicht mein Fall.
Egle. Ja, in der Hitze spricht Ein Kranker oft zum Arzt: ich hab' das Fieber nicht. Glaubt man ihm das? Niemals. Trotz allem Widerstreben Gibt man ihm Arzenei. So muss man dir sie geben.
Amine. Von Kindern spricht man so, von mir klingt's laecherlich; Bin ich ein Kind?
Egle. Du liebst!
Amine. Du auch!
Egle. Ja, lieb' wie ich! Besaenftige den Sturm, der dich bisher getrieben! Man kann sehr ruhig sein, und doch sehr zaertlich lieben.
Lamon. Da ist das Band!
Amine. Sehr schoen!
Egle. Wie lange zauderst du!
Lamon. Ich ging am Huegel hin, da rief mir Chloris zu. Da hab ich ihr den Hut mit Blumen schmuecken muessen.
Egle.
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