Der Fall Deruga | Page 3

Ricarda Huch
Runde. ?Ist es hier etwa ein Verbrechen, nicht Johann Schulze oder Karl M��ller zu hei?en?? sagte er.
?Beantworten Sie bitte schlechtweg meine Fragen,? sagte =Dr.= Zeunemann k��hl. ?Sie hei?en Sigismondo Enea Deruga, sind in Bologna geboren und sechsundvierzig Jahre alt. Stimmt das??
?Jawohl.?
?Sie haben in Bologna, Padua und Wien Medizin studiert und sich erst in Linz, dann in Wien niedergelassen, nachdem Sie dort das Heimatrecht erworben hatten. Stimmt das??
?Es w?re wirklich eine Schande,? sagte Deruga, ?wenn Sie nach vier Monaten nicht einmal das richtig herausgebracht h?tten.?
?Ich erinnere Sie nochmals, Angeklagter,? sagte der Vorsitzende, den das sich erhebende Gel?chter ein wenig ?rgerte, ?da? Sie sich an die kurze und klare Beantwortung der an Sie gerichteten Fragen zu halten haben. Es ist Ihre Schuld, da? sich die Voruntersuchung so lange hingezogen hat. Ich ergreife die Gelegenheit, Ihnen einen ernstlichen Vorhalt zu machen. Sie befolgen augenscheinlich den Grundsatz, das Gericht durch Ungeh?rigkeiten und Wunderlichkeiten hinzuhalten und irrezuf��hren. Sie verschlimmern dadurch Ihre Lage, ohne Ihren Zweck zu erreichen. Die Untersuchung nimmt ihren sicheren Gang trotz aller Steine, die Sie auf ihren Weg werfen. Sie stehen unter einer schweren Anklage und t?ten besser, anstatt die gegen Sie zeugenden Momente durch ungeb?rdiges und z��gelloses Betragen zu verst?rken, den Gerichtshof und die Herren Geschworenen durch Aufrichtigkeit in ihrer dornigen Arbeit zu unterst��tzen und f��r sich einzunehmen. Sie befinden sich in einem Lande, wo die Justiz ihres verantwortungsvollen Amtes mit unersch��tterlicher Unbestechlichkeit und Unparteilichkeit waltet. Der H?chste und der Niedrigste findet bei uns nicht mehr und nicht weniger als Gerechtigkeit. Wir erwarten dagegen vom H?chsten wie vom Niedrigsten diejenige Ehrfurcht, die einer so heiligen und w��rdigen Institution zukommt. Der Gebildete sollte sie uns freiwillig darbringen; aber im Notfall wissen wir sie zu erzwingen.?
?Ja, ja,? sagte Deruga gutm��tig, ?nur zu, ich werde schon antworten.?
=Dr.= Zeunemann hielt es f��r besser, es dabei bewenden zu lassen, und fuhr fort: ?Sie verheirateten sich im Jahre 18.. mit Mingo Swieter aus L��beck, erzielten aus dieser Ehe ein Kind, eine Tochter, die vierj?hrig starb, und kurz darauf, vor jetzt siebzehn Jahren, wurde die Ehe geschieden. Als Grund ist b?swillige Verlassung von seiten der Frau angegeben, und zwar hat Frau Swieter das Wiener Klima vorgesch��tzt, welches sie nicht vertragen k?nne. In Wirklichkeit sollen Ihr unvertr?glicher Charakter und Ihr unberechenbares Temperament, das zu Gewalttaten neigt, Ihre Frau zu diesem Schritt veranla?t haben.?
Da =Dr.= Zeunemann bei diesen Worten fragend zu =Dr.= Deruga hin��bersah, sagte dieser: ?Es wird das beste sein, wenn Sie sich schlechtweg an die in den Akten befindlichen Angaben halten.?
Der Vorsitzende unterdr��ckte eine Anwandlung zu lachen und fuhr gelassen fort: ?Bald nach erfolgter Scheidung zogen Sie von Wien nach Prag und ��bten dort Ihre Praxis aus, w?hrend Frau Swieter sich in M��nchen niederlie?, wo sie einen Teil ihrer Jugendjahre verlebt hatte. Auf weitere Daten werden wir gelegentlich zur��ckkommen. Erz?hlen Sie uns jetzt, was Sie am 1. Oktober des vorigen Jahres getan haben.?
?Da ich kein Tagebuch f��hre,? sagte =Dr.= Deruga laut, ?noch meine t?glichen Verrichtungen durch einen Kinematographen oder ein Grammophon aufnehmen lasse, ist es mir leider unm?glich, Ihnen den Verlauf des Tages mit mathematischer Genauigkeit wiederzugeben. Ich werde eben gefr��hst��ckt, einige Patienten besucht, zu Mittag gegessen und hernach eine Stunde im Caf�� gesessen haben. Dann werde ich in der Sprechstunde mehrere Exemplare der mir sehr unsympathischen Gattung Mensch untersucht haben. Gegen Abend ging ich aus, um eine mir befreundete, hochanst?ndige Dame zu besuchen. In der N?he des Bahnhofs begegnete ich einem Kollegen, der mich fragte, ob ich auch in den ?rztlichen Verein ginge. Ich sagte, ich k?nne leider nicht, da ich verreisen m��sse. Worauf er mich bis zum Bahnhof begleitete. Ich nahm aufs Geratewohl eine Karte nach M��nchen, weil ich ja sonst meine L��ge h?tte zugestehen m��ssen, und auch weil mir eingefallen war, da? auf diese Weise die mir befreundete Dame sicher w?re, nicht kompromittiert zu werden.?
?Weigern Sie sich nach wie vor,? fragte =Dr.= Zeunemann, ?den Namen dieser hochanst?ndigen Dame zu nennen??
?Ich habe ja schon gesagt, da? mir daran liegt, sie nicht zu kompromittieren,? antwortete Deruga.
?Ich gebe Ihnen zu bedenken, Herr Deruga,? sagte =Dr.= Zeunemann warnend, ?da? Ihre Ritterlichkeit auf sehr wackeligen F��?en steht. Sollte eine Dame zulassen, da? sich ein Freund um ihretwillen in solche Gefahr begibt? Da m?chte man schon lieber annehmen, da? diese Dame gar nicht existiert. Die ganze Geschichte, die Sie vorbringen, entbehrt der Wahrscheinlichkeit. Da? Sie eine Dame besuchten und Tage und N?chte bei ihr zubrachten, w?re an sich bei Ihrer Lebensf��hrung nicht unglaublich. Auch das mag hingehen, da? Sie den Wunsch hatten, sie nicht zu kompromittieren, aber das Mittel, das Sie zu diesem Zweck gew?hlt haben wollen, kann man nur als ungeeignet und l?cherlich bezeichnen. Jemand, der sich in so schlechter finanzieller Lage befindet wie Sie, gibt nicht zweiunddrei?ig Mark f��r eine Fahrkarte aus, die er nicht braucht.?
?Einunddrei?ig Mark f��nfundsiebzig Pfennig,? verbesserte Deruga.
?Die Karte von Prag nach M��nchen kostet zweiunddrei?ig Mark,?
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