Der Fall Deruga | Page 2

Ricarda Huch
mit dem er uns ��berrumpeln will; also passen Sie auf!?
?Aber ja,? sagte Deruga ein wenig ungeduldig. ?Ihren Kopf behalten Sie auf alle F?lle, und an meinem braucht Ihnen nicht mehr zu liegen als mir.?
Jetzt flogen die T��ren im Hintergrunde des Saales auf, und der Vorsitzende des Gerichts, Oberlandesgerichtsrat =Dr.= Zeunemann, trat ein, dem die beiden Beisitzer und der Staatsanwalt folgten. Der Luftzug hob den Talar des rasch Vorw?rtsschreitenden, so da? seine stramme und stattliche Gestalt sichtbar wurde. Er gr��?te mit einer Geb?rde, die weder herablassend noch vertraulich war und eine angemessene Mischung von Ehrerbietung und Zuversicht einfl??te. Seine Pers?nlichkeit erf��llte den b?nglich feierlichen Raum mit einer gewissen Heiterkeit, insofern man die Empfindung bekam, es werde sich hier nichts ereignen, was nicht durchaus in der Ordnung w?re. Er rieb, nachdem er sich gesetzt hatte, seine sch?nen, breiten, wei?en H?nde leicht aneinander und ging dann an das Gesch?ft, indem er die Auswahl der Geschworenen besorgte. Es ging glatt und flott voran, jeder f��hlte sich von einer wohlt?tigen Macht an seinen Platz geschoben.
?Meine Herren Geschworenen,? begann er, ?es handelt sich heute um einen etwas verwickelten Fall, dessen Vorgeschichte ich Ihnen kurz zusammenfassend vorf��hren will.
Am 2. Oktober starb hier in M��nchen, infolge eines Krebsleidens, wie man annahm, Frau Mingo Swieter, geschiedene Frau Deruga. Sie hatte nach ihrer vor siebzehn Jahren erfolgten Scheidung von Deruga ihren M?dchennamen wiederangenommen. In ihrem Testament, das Anfang November er?ffnet wurde, hatte sie ihren geschiedenen Gatten, =Dr.= Deruga, zum alleinigen Erben ihres auf etwa vierhunderttausend Mark sich belaufenden Verm?gens ernannt, mit Beiseitesetzung ihrer Verwandten, von denen die Gutsbesitzersgattin Baronin Truschkowitz, eine Kusine, die n?chste war. Auf das Betreiben der Baronin Truschkowitz und auf gewisse zureichende Verdachtsgr��nde hin, die Ihnen bekannt sind, veranla?te das Gericht die Exhumierung der Leiche, und es wurde festgestellt, da? die verstorbene Frau Swieter nicht infolge ihrer Krankheit, sondern eines furchtbaren Giftes, des Curare, gestorben war.
Als dem seit siebzehn Jahren in Prag ans?ssigen =Dr.= Deruga das Ger��cht von einem gegen ihn im Umlauf befindlichen Verdacht zu Ohren kam, reiste er hierher, um zu erfahren, wer seine Verleumder, wie er sie nannte, w?ren, und sie zu verklagen. Es wurde ihm mitgeteilt, da? das Gericht bereits den Beschlu? gefa?t habe, die Anklage auf Mord gegen ihn zu erheben, und da? er seine Anklage bis zur Beendigung des Prozesses verschieben m��sse. Unter diesen besonderen Umst?nden, da der Angeklagte sich gewisserma?en selbst gestellt hatte, wurde angenommen, da? Fluchtverdacht nicht vorliege, und von einer Verhaftung einstweilen abgesehen. Verd?chtig machte den Angeklagten von vornherein, da? er sich in bedeutenden finanziellen Schwierigkeiten befand. Ferner belastete ihn die Tatsache, da? er am Abend des 1. Oktober vergangenen Jahres eine Fahrkarte nach M��nchen l?ste und erst am Nachmittag des 3. Oktober nach Prag in seine Wohnung zur��ckkehrte. Einen gen��genden Alibibeweis vermochte der Angeklagte nicht zu erbringen.
Dies sind also die Hauptgr��nde, die das Gericht bewogen haben, die Anklage auf Totschlag zu erheben. Es wird angenommen, da? Deruga seine geschiedene Frau aufsuchte, um Geld von ihr zu erbitten, beziehungsweise zu erpressen, und da? er sie bei dieser Gelegenheit, irgendwie gereizt, vielleicht durch eine Weigerung, t?tete. Allerdings scheint der Umstand, da? Deruga Gift bei sich gehabt haben mu?, f��r einen ��berlegten Plan zu sprechen. Allein das Gericht hat der M?glichkeit Raum gegeben, der verzweifelte Spieler habe damit sich selbst vernichten wollen, wenn sein letzter Versuch mi?l?nge, und nur in einem unvorgesehenen Augenblick der Erregung davon Gebrauch gemacht.?
W?hrend des letzten Satzes hatte der Staatsanwalt vergebens versucht, durch Verdrehungen seines hageren K?rpers und Deutungen seines knotigen Zeigefingers die Aufmerksamkeit des Vorsitzenden auf sich zu lenken. ?Verzeihung,? sagte er, indem er seinem langen, wei?en Gesicht einen s��?lichen Ausdruck zu geben suchte, ?ich m?chte gleich an dieser Stelle betonen, da? ich pers?nlich dieser M?glichkeit nicht Raum gebe. Warum h?tte der Mann es denn so eilig mit dem Selbstmorde gehabt? Er am��sierte sich viel zu gut im Leben, um es so Hals ��ber Kopf wegzuwerfen.
Ferner m?chte ich darauf hinweisen, da? der Angeklagte auf das erstmalige Befragen des Untersuchungsrichters die abscheuliche Untat eingestand, oder, besser gesagt, sich ihrer r��hmte, um sie mit ebenso gro?er Dreistigkeit hernach zu leugnen.?
?Jawohl, jawohl, wir kommen darauf zur��ck,? sagte der Vorsitzende mit einer Handbewegung gegen den Staatsanwalt, wie wenn ein Kapellmeister etwa einen vorlauten Bl?ser beschwichtigt. ?Ich will zun?chst den Angeklagten vernehmen.?
?Sie m��ssen aufstehen,? fl��sterte der Justizrat seinem Klienten zu, der mit schl?friger Miene den Saal und das Publikum betrachtete.
?Aufstehen, ich?? entgegnete dieser erstaunt und beinahe entr��stet. ?Nun also auch das. Stehen wir auf,? fuhr er fort, erhob sich langsam und heftete einen scharf durchdringenden Blick auf den Pr?sidenten; man h?tte meinen k?nnen, er sei ein Examinator und =Dr.= Zeunemann ein zu pr��fender Kandidat.
?Sie hei?en Sigismondo Enea Deruga,? begann der Vorsitzende das Verh?r, die beiden klangvollen Vornamen durch eine ganz geringe Dosis von Pathos hervorhebend, die gen��gte, die Zuh?rer zum Lachen zu bringen. Deruga warf einen stechenden Blick in die
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