Kamisolchen, Andres, ist nit zur Montur: du kannst's 
brauchen, Andres. 
ANDRES [ganz starr, sagt zu allem]: Jawohl. 
WOYZECK: Das Kreuz meiner Schwester und das Ringlein. 
ANDRES: Jawohl. 
WOYZECK: Ich hab' auch noch ein Heiligen, zwei Herze und schön 
Gold - es lag in meiner Mutter Bibel, und da steht: Herr, wie dein Leib 
war rot und wund, so laß mein Herz sein aller Stund. Mein Mutter fühlt 
nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Händ scheint - das tut nix. 
ANDRES: Jawohl. 
WOYZECK [zieht ein Papier hervor]: Friedrich Johann Franz 
Woyzeck, Wehrmann, Füsilier im 2. Regiment, 2. Bataillion 4. 
Kompanie, geboren Mariä Verkündigung, den 20. Juli. - Ich bin heut 
alt 30 Jahr, 7 Monat und 12 Tage. 
ANDRES: Franz, du kommst ins Lazarett. Armer, du mußt Schnaps 
trinken und Pulver drin, das töt' das Fieber. 
WOYZECK: Ja, Andres, wenn ein Schreiner die Hobelspäne sammelt, 
es weiß niemand, wer seinen Kopf drauflegen wird.
Straße 
[Marie mit Mädchen vor der Haustür, Großmutter; später Woyzeck] 
MÄDCHEN: Wie scheint die Sonn am Lichtmeßtag und steht das Korn 
im Blühn. Sie gingen wohl die Wiese hin, sie gingen zu zwein und 
zwein. Die Pfeifer gingen voran, die Geiger hinterdrein, sie hatten rote 
Socken an ... 
ERSTES KIND: Das ist nit schön. 
ZWEITES KIND: Was willst du auch immer! 
ERSTES KIND: Marie, sing du uns! 
MARIE: Ich kann nit. 
ERSTES KIND: Warum? 
MARIE: Darum. 
ZWEITES KIND: Aber warum darum? 
DRITTES KIND: Großmutter, erzähl! 
GROSSMUTTER: Kommt, ihr kleinen Krabben! - Es war einmal ein 
arm Kind und hatt' kein Vater und keine Mutter, war alles tot, und war 
niemand mehr auf der Welt. Alles tot, und es is hingangen und hat 
gesucht Tag und Nacht. Und weil auf der Erde niemand mehr war, 
wollt's in Himmel gehn, und der Mond guckt es so freundlich an; und 
wie es endlich zum Mond kam, war's ein Stück faul Holz. Und da is es 
zur Sonn gangen, und wie es zur Sonn kam, war's ein verwelkt 
Sonneblum. Und wie's zu den Sternen kam, waren's kleine goldne 
Mücken, die waren angesteckt, wie der Neuntöter sie auf die Schlehen 
steckt. Und wie's wieder auf die Erde wollt, war die Erde ein 
umgestürzter Hafen. Und es war ganz allein. Und da hat sich's 
hingesetzt und geweint, und da sitzt es noch und is ganz allein.
WOYZECK [erscheint]: Marie! 
MARIE [erschreckt]: Was is? 
WOYZECK: Marie, wir wollen gehn. 's is Zeit. 
MARIE: Wohin? 
WOYZECK: Weiß ich's? 
 
Waldsaum am Teich 
[Marie und Woyzeck.] 
MARIE: Also dort hinaus is die Stadt. 's is finster. 
WOYZECK: Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich! 
MARIE: Aber ich muß fort. 
WOYZECK: Du wirst dir die Füße nit wund laufe. 
MARIE: Wie bist du nur auch! 
WOYZECK: Weißt du auch, wie lang es jetzt is, Marie? 
MARIE: Am Pfingsten zwei Jahr. 
WOYZECK: Weißt du auch, wie lang es noch sein wird? 
MARIE: Ich muß fort, das Nachtessen richten. 
WOYZECK: Friert's dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du 
heiße Lippen hast! Heiß, heißen Hurenatem! Und doch möcht' ich den 
Himmel geben, sie noch einmal zu küssen. - Friert's dich? Wenn man 
kalt is, so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren. 
MARIE: Was sagst du?
WOYZECK: Nix. 
[Schweigen.] 
MARIE: Was der Mond rot aufgeht! 
WOYZECK: Wie ein blutig Eisen. 
MARIE: Was hast du vor, Franz, du bist so blaß. - [Er holt mit dem 
Messer aus.] - Franz halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe! 
WOYZECK [sticht drauflos:] Nimm das und das! Kannst du nicht 
sterben? So! So! - Ha, sie zuckt noch; noch nicht? Noch nicht? Immer 
noch. - [Stößt nochmals zu.] - Bist du tot! Tot! Tot! - [Er läßt das 
Messer fallen und läuft weg.] 
 
Das Wirtshaus 
WOYZECK: Tanzt alle, immer zu! Schwitzt und stinkt! Er holt euch 
doch einmal alle! - [Singt:] Ach. Tochter, lieb Tochter was hast du 
gedenkt, daß du dich an die Landkutscher und die Fuhrleut haßt 
gehenkt. [Er tanzt:] So, Käthe, setz dich! Ich hab' heiß heiß! - [Er zieht 
den Rock aus.] - Es ist einmal so, der Teufel holt die eine und läßt die 
andre laufen. Käthe, du bist heiß! War- um denn? Käthe, du wirst auch 
noch kalt werden. Sei vernünftig. - Kannst du nicht singen? 
KÄTHE [singt]: Ins Schwabenland, das mag ich nicht, und lange 
Kleider trag' ich nicht, denn lange Kleider, spitze Schuh, die kommen 
keiner Dienstmagd zu. 
WOYZECK: Nein, keine Schuh, man kann auch ohne Schuh in die 
Höll gehn. 
KÄTHE [singt]: O pfui mein Schatz, das war nicht fein, behalt dein 
Taler und schlaf allein. 
WOYZECK: Ja, wahrhaftig, ich möcte mich nicht blutig machen.
KÄTHE: Aber was hast du an deiner Hand? 
WOYZECK: Ich? Ich? 
KÄTHE: Rot! Blut! 
[Es stellen sich Leute um sie.] 
WOYZECK: Blut? Blut? 
WIRT: Uu - Blut! 
WOYZECK: Ich glaub', ich hab' mich geschnitten, da an    
    
		
	
	
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