seinem Buch unterm Arm. Er setzte sich sogleich so nah als 
möglich zu der Tante hin und schlug das Buch auf. »Das ist gut, daß du 
da bist, Tante, die Mama hat gar nicht zu Ende hören können, und es ist 
ein gar merkwürdiges Tier, ich hatte ein prachtvolles Exemplar 
gefangen. Aber du mußt nicht zu kurz kommen, Tante, morgen such' 
ich schon wieder einen und bring' ihn dir.« 
»Nein, nein!« schrie das Rikli auf; »sag nein, Tante, er springt einem 
fast ins Gesicht und hat gelbe Augen, wie ein Drache und --« 
Fred hatte aus seiner leeren Hand eine Faust gemacht, hielt diese 
plötzlich dem Rikli vor das Gesicht und schnellte sie auf; mit Geschrei 
sprang das Kind weg und zur Tür hinaus. »So, jetzt kann man doch 
ruhig lesen«, sagte Fred, befriedigt über die Wirkung, legte seine Hand 
auf das Buch und begann: »Der grüne oder Wasserfrosch, #esculenta# 
--«
In dem Augenblick ging drüben die Tür auf, man hörte Schritte und 
Stimmen. 
»Komm«, sagte die Tante, »wir müssen das kranke Kind abfahren 
sehen, wir kehren nachher zum Frosch zurück.« Sie ging ans Fenster. 
Auf das Gesicht der Tante kam ein trauriger Ausdruck, als sie sah, wie 
das Kind in den Wagen gehoben wurde. 
»O, wie blaß und krank sieht das liebliche Gesichtchen aus! Du armes 
Kind! Nein, du arme Mutter!« korrigierte sie sich, als ihr Blick auf die 
Dame fiel, die herzlich der Hausfrau die Hand drückte, während ihr 
große Tränen die Wangen hinabflossen. »Ach Gott!« seufzte die Tante 
noch einmal. Der Wagen rollte fort. Fred hatte sein Buch wieder 
ergriffen; aber die Geschichte des Frosches konnte nicht mehr 
aufgenommen werden, denn jetzt kam die Mutter herein und war sehr 
erregt von dem eben Erlebten. Sie mußte gleich der Tante Mitteilung 
davon machen, hatte diese doch von jeher alles mit ihr durchgelebt, was 
in Freud' oder Leid sie bewegte. Die Tante gehörte auch so ganz und 
gar zu ihrem Haus, daß die Kinder alle sich ein Haus ohne Tante 
eigentlich gar nicht vorstellen konnten, denn diese war doch so 
notwendig da wie ein Papa und Mama. Fred nahm schnell der Tante 
noch das Versprechen ab, vor dem Augenblick des Aufrufs zum 
allgemeinen Rückzug nach den Nachtquartieren noch die Lebensweise 
des Frosches anhören zu wollen; dann befolgte er die Anweisung der 
Mutter, sich ein wenig hinauszubegeben. Die Mutter erzählte nun, 
welche tiefe Teilnahme die fremde Dame, Frau Stanhope, und ihr 
krankes Töchterchen ihr eingeflößt haben. Sie fand, das zarte 
Geschöpfchen mit den großen, blauen Augen und dem feinen, farblosen 
Gesichtchen sehe aus, als ob es nur noch halb der Erde angehöre. Die 
arme Mutter aber könne sichtlich diesen Gedanken nicht ertragen, denn 
schon beim ersten Wort der herzlichen Teilnahme, das sie, die 
Doktorsfrau, ihr ausgesprochen hatte, sei sie in schmerzliche Tränen 
ausgebrochen und habe gesucht, sich selbst zu täuschen mit dem Trost, 
die Reise habe ihre Nora so sehr angegriffen, daß sie nun gar so blaß 
und durchsichtig aussehe. Jetzt in der frischen Bergluft werde es gewiß 
bald anders werden, darauf hatte sie ihre ganze Hoffnung gesetzt.
Soweit hatte die Mutter berichtet, als sie den Hufschlag eines Pferdes 
vernahm; sie wußte, es war ihr Mann, der von seinen ärztlichen 
Besuchen heimkehrte. Augenblicklich ging sie ihm entgegen und 
benachrichtigte ihn davon, daß die erwartete Dame mit dem kranken 
Kinde angekommen sei. Der Doktor machte sich auch, nachdem er 
vom Pferde gestiegen, gleich wieder auf den Weg, um seinen ersten 
Besuch bei der neuen Patientin zu machen. Er hatte eine Wohnung 
gefunden, die, soweit es überhaupt in dieser ländlichen Gegend 
möglich war, den Wünschen entsprach, welche sein Freund, der Arzt 
am Rhein, für die Kranke und ihre Mutter ausgesprochen hatte. Erst 
spät am Abend kehrte der Doktor wieder zurück, als die Kinder schon 
verschwunden waren, nicht ohne daß Fred noch seinen Zweck erreicht 
hatte. Die letzte halbe Stunde lang war er unausgesetzt mit seinem 
Buch unterm Arm der Tante auf Schritt und Tritt nachgegangen, um 
den geeigneten Augenblick zur Mitteilung wahrzunehmen, was heute, 
wie schon öfter, längere Zeit erforderte, denn die Tante war wieder 
einmal von allen Geschwistern zugleich in Anspruch genommen, 
während auf der einen Seite die Mutter und auf der anderen die Kathri 
zu gleicher Zeit noch einen Rat von ihr begehrten. Aber Fred hatte viel 
Beharrlichkeit und er konnte auch heute sich beruhigt niederlegen, 
denn er hatte die Tante trotz allen Nebenansprüchen an sie noch mit 
den sämtlichen Lebensbedingungen des Wasserfrosches bekannt 
gemacht. 
Der Doktor hatte sich jetzt zu seinem Nachtessen gesetzt. Mutter und 
Tante saßen neben ihm und erwarteten mit Spannung seine 
Mitteilungen über die junge Kranke: wie er ihren Zustand gefunden 
habe und ob er die Hoffnung hege, der Sommeraufenthalt werde die 
gewünschte Genesung bringen. Aber der Doktor schüttelte den Kopf. 
»Da ist wenig zu hoffen«, sagte er, »es ist keine Lebenskraft in dem 
Pflänzchen. Es handelt sich    
    
		
	
	
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