Arm zu erblicken, der sich wohl jemals um 
den Hals eines Jünglings geschlungen hatte. Er hielt sein Besteck in der 
Hand und getraute sich nicht, es zu eröffnen; er stand und getraute nicht 
niederzusitzen. Der Widerwille, dieses herrliche Naturerzeugnis noch 
weiter zu entstellen, stritt mit der Anforderung, welche der 
wissensbegierige Mann an sich zu machen hat und welcher sämtliche 
Umhersitzende Genüge leisteten. 
In diesen Augenblicken trat ein ansehnlicher Mann zu ihm, den er zwar 
als einen seltenen, aber immer als einen sehr aufmerksamen Zuhörer
und Zuschauer bemerkt und demselben schon nachgefragt hatte; 
niemand aber konnte nähere Auskunft geben; daß es ein Bildhauer sei, 
darin war man einig; man hielt ihn aber auch für einen Goldmacher, der 
in einem großen, alten Hause wohne, dessen erste Flur allein den 
Besuchenden oder bei ihm Beschäftigten zugänglich, die übrigen 
sämtlichen Räume jedoch verschlossen seien. Dieser Mann hatte sich 
Wilhelmen verschiedentlich genähert, war mit ihm aus der Stunde 
gegangen, wobei er jedoch alle weitere Verbindung und Erklärung zu 
vermeiden schien. 
Diesmal jedoch sprach er mit einer gewissen Offenheit: "Ich sehe, Sie 
zaudern, Sie staunen das schöne Gebild an, ohne es zerstören zu 
können; setzen Sie sich über das Gildegefühl hinaus und folgen Sie 
mir." Hiermit deckte er den Arm wieder zu, gab dem Saaldiener einen 
Wink, und beide verließen den Ort. Schweigend gingen sie 
nebeneinander her, als der Halbbekannte vor einem großen Tore 
stillestand, dessen Pförtchen er aufschloß und unsern Freund 
hineinnötigte, der sich sodann auf einer Tenne befand, groß, geräumig, 
wie wir sie in alten Kaufhäusern sehen, wo die ankommenden Kisten 
und Ballen sogleich untergefahren werden. Hier standen Gipsabgüsse 
von Statuen und Büsten, auch Bohlenverschläge gepackt und leer. "Es 
sieht hier kaufmännisch aus", sagte der Mann; "der von hier aus 
mögliche Wassertransport ist für mich unschätzbar." Dieses alles paßte 
nun ganz gut zu dem Gewerb eines Bildhauers; ebenso konnte Wilhelm 
nichts anders finden, als der freundliche Wirt ihn wenige Stufen hinauf 
in ein geräumiges Zimmer führte, das ringsumher mit Hoch--und 
Flachgebilden, mit größeren und kleineren Figuren, Büsten und wohl 
auch einzelnen Gliedern der schönsten Gestalten geziert war. Mit 
Vergnügen betrachtete unser Freund dies alles und horchte gern den 
belehrenden Worten seines Wirtes, ob er gleich noch eine große Kluft 
zwischen diesen künstlerischen Arbeiten und den wissenschaftlichen 
Bestrebungen, von denen sie herkamen, gewahren mußte. Endlich sagte 
der Hausbesitzer mit einigem Ernst: "Warum ich Sie hierher führe, 
werden Sie leicht einsehen; diese Türe", fuhr er fort, indem er sich nach 
der Seite wandte, "liegt näher an der Saaltüre, woher wir kommen, als 
Sie denken mögen." Wilhelm trat hinein und hatte freilich zu erstaunen, 
als er, statt wie in den vorigen Nachbildung lebender Gestalten zu
sehen, hier die Wände durchaus mit anatomischen Zergliederungen 
ausgestattet fand; sie mochten in Wachs oder sonstiger Masse verfertigt 
sein, genug, sie hatten durchaus das frische, farbige Ansehen erst fertig 
gewordener Präparate. "Hier, mein Freund", sagte der Künstler, "hier 
sehen Sie schätzenswerte Surrogate für jene Bemühungen, die wir, mit 
dem Widerwillen der Welt, zu unzeitigen Augenblicken mit Ekel oft 
und großer Sorgfalt dem Verderben oder einem widerwärtigen 
Aufbewahren vorbereiten. Ich muß dieses Geschäft im tiefsten 
Geheimnis betreiben, denn Sie haben gewiß oft schon Männer vom 
Fach mit Geringschätzung davon reden hören. Ich lasse mich nicht 
irremachen und bereite etwas vor, welches in der Folge gewiß von 
großer Einwirkung sein wird. Der Chirurg besonders, wenn er sich zum 
plastischen Begriff erhebt, wird der ewig fortbildenden Natur bei jeder 
Verletzung gewiß am besten zu Hülfe kommen; den Arzt selbst würde 
ein solcher Begriff bei seinen Funktionen erheben. Doch lassen Sie uns 
nicht viel Worte machen! Sie sollen in kurzem erfahren, daß Aufbauen 
mehr belehrt als Einreißen, Verbinden mehr als Trennen, Totes beleben 
mehr als das Getötete noch weiter töten; kurz also, wollen Sie mein 
Schüler sein?" Und auf Bejahung legte der Wissende dem Gaste das 
Knochenskelett eines weiblichen Armes vor, in der Stellung, wie sie 
jenen vor kurzem vor sich gesehen hatten. "Ich habe", fuhr der Meister 
fort, "zu bemerken gehabt, wie Sie der Bänderlehre durchaus 
Aufmerksamkeit schenkten und mit Recht, denn mit ihnen beginnt sich 
für uns das tote Knochengerassel erst wieder zu beleben; Hesekiel 
mußte sein Gebeinfeld sich erst auf diese Weise wieder sammeln und 
fügen sehen, ehe die Glieder sich regen, die Arme tasten und die Füße 
sich aufrichten konnten. Hier ist biegsam Masse, Stäbchen und was 
sonst nötig sein möchte; nun versuchen Sie Ihr Glück." 
Der neue Schüler nahm seine Gedanken zusammen, und als er die 
Knochenteile näher zu betrachten anfing, sah er, daß diese künstlich 
von Holz geschnitzt seien. "Ich habe", versetzte der Lehrer, "einen 
geschickten Mann, dessen Kunst nach Brote ging, indem die Heiligen 
und Märtyrer, die er zu schnitzen gewohnt war, keinen Abgang mehr 
fanden, ihn hab' ich darauf geleitet, sich der Skelettbildung zu 
bemächtigen und solche im großen wie im kleinen naturgemäß zu 
befördern."
Nun tat unser Freund sein Bestes    
    
		
	
	
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