alt, ernsthafter Weise? 
Viola. Von euerm Alter, Gnädigster Herr. 
Herzog. So ist sie zu alt; ein Weibsbild soll immer einen ältern nehmen 
als sie ist, so daurt sie ihn aus, und ist sicher, ihren Plaz in ihres 
Mannes Herzen immer zu behalten. Denn, glaube mir, Junge, wir 
mögen uns so schön machen als wir wollen, so sind doch unsre 
Zuneigungen immer weit schwindlichter, unsteter, schwankender, und 
leichter abgenuzt und verlohren, als der Weiber ihre.
Viola. Das denk' ich selbst, Gnädigster Herr. 
Herzog. Wähle dir also eine Liebste die jünger als du bist, oder deine 
Liebe wird von keiner Dauer seyn: Denn Weiber sind wie Rosen; in der 
nemlichen Stunde, da ihre schöne Blume sich völlig entfaltet, fällt sie 
ab. 
Viola. Und so sind sie; wie schade, daß sie so sind! daß sie in dem 
Augenblik sterben, worinn sie den Punkt ihrer Vollkommenheit 
erreicht haben. (Curio und der Narr zu den Vorigen.) 
Herzog. O, komm du, guter Freund--Das Lied von gestern 
Nachts--Gieb Acht darauf, Cäsario, es ist alt und einfältig; die 
Spinnerinnen und Strikerinnen, wenn sie an der Sonne bey ihrer Arbeit 
sizen, und die muntern Webers-Mädchen, wenn sie zetteln, pflegen es 
zu singen; es ist ein läppisches, kindisches Ding, aber es sympathisiert 
mit der Unschuld der Liebe, wie man vor Alters liebte. 
Narr. Seyd ihr fertig, Herr? 
Herzog. Ja; sing, ich bitte dich. (Ein Lied.*) 
Herzog. Hier ist was für deine Mühe. 
Narr. Keine Mühe, Herr; singen ist ein Vergnügen für mich, Herr. 
Herzog. So will ich dir dein Vergnügen bezahlen. 
Narr. Das ist ein anders, Herr; Vergnügen will über kurz oder lange 
bezahlt seyn. 
Herzog. Du kanst nun wieder gehen, so schnell du willst. 
Narr. Nun, der melancholische Gott der Liebe behüte dich, und der 
Schneider mache dir ein Wamms von schielichtem Taft; denn dein 
Gemüth ist ein wahrer Opal. Leute von solcher Standhaftigkeit müßte 
man mir über Meer schiken, damit ihr Geschäfte allenthalben und ihr 
Ziel nirgends wäre; denn das ist gerade was man braucht, um von einer 
langen Reise nichts nach Hause zu bringen. Lebt wohl.
(Er geht ab.) 
* Der Verfasser der Beurtheilung des ersten Theils dieser Übersezung, 
in der Bibliothek der schönen Wissenschaften hat eine so glükliche 
Probe mit einem Liede des Narren im König Lear gemacht, daß wir 
ihm auch dieses Gassenhauerchen überlassen wollen. Es ist in der That 
alles was Orsino davon sagt, aber es müßte, um nicht alles zu 
verliehren in der Sprache Sebastian Brands oder einer noch ältern, in 
der nemlichen oder einer ganz ähnlichen Versart, mit der nemlichen 
Wahrheit der Erfindung, und tändelnden Einfalt des Ausdruks, übersezt 
werden--eine Arbeit, welche vielleicht schwerer ist, als das feinste 
Sonnet von einem Zappi, in Reime zu übersezen. 
 
Sechste Scene. 
Herzog. Macht uns Plaz ihr andern--Versuch es noch zum leztenmal, 
Cäsario; geh noch einmal zu dieser schönen Unerbittlichen; sag ihr, 
meine Liebe lege einer Menge von ausgebreiteten Erdschollen die man 
Ländereyen heißt, keinen Werth bey; sag ihr, die Güter die das Glük ihr 
zugelegt habe, seyen in meinen Augen so eitel als das Glük selbst; ihr 
Gemüth allein, dieses Wunder, dieses unvergleichliche Kleinod, das die 
Natur so schön gefaßt hat, ziehe meine Seele an, und wenn sie die 
ganze Welt zum Brautschaz hätte, so würde sie in meinen Augen nicht 
reizender seyn. 
Viola. Aber wenn sie euch nun nicht lieben kan, Gn. Herr? 
Herzog. Ich will keine solche Antwort haben. 
Viola. Aber wie dann, wenn ihr müßt? Sezet den Fall, es gäbe eine 
junge Dame, wie es vielleicht eine giebt, die aus Liebe zu euch diese 
nemliche Quaal in ihrem Herzen fühlte, die ihr für Olivia fühlt; und ihr 
könntet sie nicht lieben, und ihr sagtet ihr das; müßte sie sich diese 
Antwort nicht gefallen lassen? 
Herzog. Es giebt kein weibliches Herz das stark genug wäre, den Sturm 
einer so heftigen Leidenschaft auszuhalten, wie die meinige ist--es
giebt keines, das groß genug wäre, eine solche Liebe zu fassen. Ihre 
Liebe verdient mehr den Namen eines flüchtigen Gelusts, sie reizt nur 
ihren Gaumen, nicht ihre Leber, und endigt sich bald durch 
Überfüllungen Ekel und Abscheu; da die meinige hingegen so hungrig 
ist wie die See, und eben so viel verdauen kan. Mache keine 
Vergleichung zwischen der Liebe die ein Weibsbild für mich haben kan, 
und der meinigen für Olivia. 
Viola. Gut, und doch weiß ich-- 
Herzog. Was weißst du? 
Viola. Nur zuwohl was für einer Liebe die Weibsbilder zu den 
Mannsleuten fähig sind. Aufrichtig zu reden, sie haben so getreue 
Herzen als wir immer. Mein Vater hatte eine Tochter die jemand so 
sehr liebte, als ich vielleicht, wenn ich ein Weibsbild wäre, Euer 
Gnaden lieben würde. 
Herzog. Und was ist ihre Geschichte? 
Viola. Ein weisses Blatt Papier: Nie entdekte sie ihre Liebe sondern 
ließ ihr Geheimniß, gleich einem Wurm in der Knospe, an ihrer 
Rosenwange nagen: Sie verschloß ihre Quaal in ihr Herz, und, in 
blasser hinwelkender    
    
		
	
	
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