weiches Herz war 
zerrissen; er warf sich unter tausend Tränen zu ihren Füßen, bekannte, 
bat um Verzeihung, beteuerte, daß nur die Neigung zu Ottilien ihn 
verleiten können und daß sich keine anderen Laster zu diesem jemals 
gesellt hätten. Er erzählte darauf die Geschichte seiner Reue, daß er 
vorsätzlich dem Vater die Möglichkeit, den Schreibtisch zu eröffnen, 
entdeckt und daß er durch Ersparnis auf der Reise und durch eine 
glückliche Spekulation sich imstande sehe, alles wieder zu ersetzen. 
Die Mutter, die nicht gleich nachgeben konnte, bestand darauf, zu 
wissen, wo er mit den großen Summen hingekommen sei, denn die 
Geschenke betrügen den geringsten Teil. Sie zeigte ihm zu seinem 
Entsetzen eine Berechnung dessen, was dem Vater fehlte; er konnte 
sich nicht einmal ganz zu dem Silber bekennen, und hoch und teuer 
schwur er, von dem Golde nichts angerührt zu haben. Hierüber war die 
Mutter äußerst zornig. Sie verwies ihm, daß er in dem Augenblicke, da 
er durch aufrichtige Reue seine Besserung und Bekehrung 
wahrscheinlich machen sollte, seine liebevolle Mutter noch mit 
Leugnen, Lügen und Märchen aufzuhalten gedenke, daß sie gar wohl 
wisse: wer des einen fähig sei, sei auch alles übrigen fähig. 
Wahrscheinlich habe er unter seinen liederlichen Kameraden 
Mitschuldige, wahrscheinlich sei der Handel, den er geschlossen, mit 
dem entwendeten Gelde gemacht, und schwerlich würde er davon 
etwas erwähnt haben, wenn die übeltat nicht zufällig wäre entdeckt 
worden. Sie drohte ihm mit dem Zorne des Vaters, mit bürgerlichen 
Strafen, mit völliger Verstoßung; doch nichts kränkte ihn mehr, als daß 
sie ihn merken ließ, eine Verbindung zwischen ihm und Ottilien sei 
eben zur Sprache gekommen. Mit gerührtem Herzen verließ sie ihn in 
dem traurigsten Zustande. Er sah seinen Fehler entdeckt, er sah sich in 
dem Verdachte, der sein Verbrechen vergrößerte. Wie wollte er seine
Eltern überreden, daß er das Gold nicht angegriffen? Bei der heftigen 
Gemütsart seines Vaters mußte er einen öffentlichen Ausbruch 
befürchten; er sah sich im Gegensatze von allem dem, was er sein 
konnte. Die Aussicht auf ein tätiges Leben, auf eine Verbindung mit 
Ottilien verschwand. Er sah sich verstoßen, flüchtig und in fremden 
Weltgegenden allem Ungemach ausgesetzt. 
Aber selbst alles dieses, was seine Einbildungskraft verwirrte, seinen 
Stolz verletzte, seine Liebe kränkte, war ihm nicht das Schmerzlichste. 
Am tiefsten verwundete ihn der Gedanke, daß sein redlicher Vorsatz, 
sein männlicher Entschluß, sein befolgter Plan, das Geschehene 
wiedergutzumachen, ganz verkannt, ganz geleugnet, gerade zum 
Gegenteil ausgelegt werden sollte. Wenn ihn jene Vorstellungen zu 
einer dunkeln Verzweiflung brachten, indem er bekennen mußte, daß er 
sein Schicksal verdient habe, so ward er durch diese aufs innigste 
gerührt, indem er die traurige Wahrheit erfuhr, daß eine übeltat selbst 
gute Bemühungen zugrunde zu richten imstande ist. Diese Rückkehr 
auf sich selbst, diese Betrachtung, daß das edelste Streben vergebens 
sein sollte, machte ihn weich; er wünschte nicht mehr zu leben. 
In diesen Augenblicken dürstete seine Seele nach einem höhern 
Beistand. Er fiel an seinem Stuhle nieder, den er mit seinen Tränen 
benetzte, und forderte Hülfe vom göttlichen Wesen. Sein Gebet war 
eines erhörenswerten Inhalts: der Mensch, der sich selbst vom Laster 
wieder erhebt, habe Anspruch auf eine unmittelbare Hülfe; derjenige, 
der keine seiner Kräfte ungebraucht lasse, könne sich da, wo sie eben 
ausgehen, wo sie nicht hinreichen, auf den Beistand des Vaters im 
Himmel berufen. 
In dieser überzeugung, in dieser dringenden Bitte verharrte er eine 
Zeitlang und bemerkte kaum, daß seine Türe sich öffnete und jemand 
hereintrat. Es war die Mutter, die mit heiterm Gesichte auf ihn zukam, 
seine Verwirrung sah und ihn mit tröstlichen Worten anredete. "Wie 
glücklich bin ich", sagte sie, "daß ich dich wenigstens als keinen 
Lügner finde und daß ich deine Reue für wahr halten kann. Das Gold 
hat sich gefunden; der Vater, als er es von einem Freunde wiedererhielt, 
gab es dem Kassier aufzuheben, und durch die vielen Beschäftigungen
des Tages zerstreut, hat er es vergessen. Mit dem Silber stimmt deine 
Angabe ziemlich zusammen, die Summe ist nun viel geringer. Ich 
konnte die Freude meines Herzens nicht verbergen und versprach dem 
Vater, die fehlende Summe wieder zu verschaffen, wenn er sich zu 
beruhigen und weiter nach der Sache nicht zu fragen verspreche." 
Ferdinand ging sogleich zur größten Freude über. Er eilte, sein 
Handelsgeschäft zu vollbringen, stellte bald der Mutter das Geld zu, 
ersetzte selbst das, was er nicht genommen hatte, wovon er wußte, daß 
es bloß durch die Unordnung des Vaters in seinen Ausgaben vermißt 
wurde. Er war fröhlich und heiter, doch hatte dieser ganze Vorfall eine 
sehr ernste Wirkung bei ihm zurückgelassen. Er hatte sich überzeugt, 
daß der Mensch Kraft habe, das Gute zu wollen und zu vollbringen; er 
glaubte nun auch, daß dadurch der Mensch das göttliche Wesen für sich 
interessieren und sich dessen Beistand versprechen könne, den er 
soeben unmittelbar erfahren hatte. Mit großer Freudigkeit entdeckte er 
nun dem Vater seinen Plan, sich in jenen Gegenden niederzulassen. Er 
stellte die Anstalt    
    
		
	
	
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