Tonio Kröger, by Thomas Mann 
 
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Title: Tonio Kröger 
Author: Thomas Mann 
Release Date: November 4, 2007 [EBook #23313] 
Language: German 
Character set encoding: ISO-8859-1 
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TONIO 
KRÖGER *** 
 
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THOMAS MANN 
TONIO KRÖGER
1964 
S. FISCHER VERLAG 
 
S. FISCHER SCHULAUSGABEN 
TEXTE MODERNER AUTOREN 
 
255.--284. Tausend dieser Ausgabe 
Copyright 1922 by S. Fischer Verlag AG, Berlin 
Druck: Hanseatische Druckanstalt GmbH, Hamburg 
Printed in Germany 
 
I 
Die Wintersonne stand nur als armer Schein, milchig und matt hinter 
Wolkenschichten über der engen Stadt. Naß und zugig war's in den 
giebeligen Gassen, und manchmal fiel eine Art von weichem Hagel, 
nicht Eis, nicht Schnee. 
Die Schule war aus. Über den gepflasterten Hof und heraus aus der 
Gatterpforte strömten die Scharen der Befreiten, teilten sich und 
enteilten nach rechts und links. Große Schüler hielten mit Würde ihr 
Bücherpäckchen hoch gegen die linke Schulter gedrückt, indem sie mit 
dem rechten Arm wider den Wind dem Mittagessen entgegen ruderten; 
kleines Volk setzte sich lustig in Trab, daß der Eisbrei umherspritzte 
und die Siebensachen der Wissenschaft in den Seehundsränzeln 
klapperten. Aber hie und da riß alles mit frommen Augen die Mützen 
herunter vor dem Wotanshut und dem Jupiterbart eines gemessen 
hinschreitenden Oberlehrers...
»Kommst du endlich, Hans?« sagte Tonio Kröger, der lange auf dem 
Fahrdamm gewartet hatte; lächelnd trat er dem Freunde entgegen, der 
im Gespräch mit anderen Kameraden aus der Pforte kam und schon im 
Begriffe war, mit ihnen davonzugehen... »Wieso?« fragte er und sah 
Tonio an... »Ja, das ist wahr! Nun gehen wir noch ein bißchen.« 
Tonio verstummte, und seine Augen trübten sich. Hatte Hans es 
vergessen, fiel es ihm erst jetzt wieder ein, daß sie heute mittag ein 
wenig zusammen spazierengehen wollten? Und er selbst hatte sich seit 
der Verabredung beinahe unausgesetzt darauf gefreut! 
»Ja, adieu, ihr!« sagte Hans Hansen zu den Kameraden. »Dann gehe 
ich noch ein bißchen mit Kröger.« -- Und die beiden wandten sich nach 
links, indes die anderen nach rechts schlenderten. 
Hans und Tonio hatten Zeit, nach der Schule spazierenzugehen, weil 
sie beide Häusern angehörten, in denen erst um vier Uhr zu Mittag 
gegessen wurde. Ihre Väter waren große Kaufleute, die öffentliche 
Ämter bekleideten und mächtig waren in der Stadt. Den Hansens 
gehörten schon seit manchem Menschenalter die weitläufigen 
Holzlagerplätze drunten am Fluß, wo gewaltige Sägemaschinen unter 
Fauchen und Zischen die Stämme zerlegten. Aber Tonio war Konsul 
Krögers Sohn, dessen Getreidesäcke mit dem breiten schwarzen 
Firmendruck man Tag für Tag durch die Straßen kutschieren sah; und 
seiner Vorfahren großes altes Haus war das herrschaftlichste der 
ganzen Stadt... Beständig mußten die Freunde, der vielen Bekannten 
wegen, die Mützen herunternehmen, ja, von manchen Leuten wurden 
die Vierzehnjährigen zuerst gegrüßt... 
Beide hatten die Schulmappen über die Schultern gehängt, und beide 
waren sie gut und warm gekleidet; Hans in eine kurze 
Seemanns-Überjacke, über welcher auf Schultern und Rücken der 
breite, blaue Kragen seines Marineanzuges lag, und Tonio in einen 
grauen Gurtpaletot. Hans trug eine dänische Matrosenmütze mit kurzen 
Bändern, unter der ein Schopf seines bastblonden Haares hervorquoll. 
Er war außerordentlich hübsch und wohlgestaltet, breit in den Schultern 
und schmal in den Hüften, mit freiliegenden und scharf blickenden 
stahlblauen Augen. Aber unter Tonios runder Pelzmütze blickten aus
einem brünetten und ganz südlich scharfgeschnittenen Gesicht dunkle 
und zart umschattete Augen mit zu schweren Lidern träumerisch und 
ein wenig zaghaft hervor... Mund und Kinn waren ihm ungewöhnlich 
weich gebildet. Er ging nachlässig und ungleichmäßig, während 
Hansens schlanke Beine in den schwarzen Strümpfen so elastisch und 
taktfest einherschritten... 
Tonio sprach nicht. Er empfand Schmerz. Indem er seine etwas schräg 
stehenden Brauen zusammenzog und die Lippen zum Pfeifen gerundet 
hielt, blickte er seitwärts geneigten Kopfes ins Weite. Diese Haltung 
und Miene war ihm eigentümlich. 
Plötzlich schob Hans seinen Arm unter den Tonios und sah ihn dabei 
von der Seite an, denn er begriff sehr wohl, um was es sich handelte. 
Und obgleich Tonio auch bei den nächsten Schritten noch schwieg, so 
ward er doch auf einmal sehr weich gestimmt. 
»Ich hatte es nämlich nicht vergessen, Tonio«, sagte Hans und blickte 
vor sich nieder auf das Trottoir, »sondern ich dachte nur, daß heute 
doch wohl nichts daraus werden könnte, weil es ja so naß und windig 
ist. Aber mir macht das gar nichts, und ich finde es famos, daß du 
trotzdem auf mich gewartet hast. Ich glaubte schon, du seist nach 
Hause gegangen, und ärgerte mich...« 
Alles in Tonio geriet in eine hüpfende und jubelnde Bewegung bei 
diesen    
    
		
	
	
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