liegt das Nest offen da. 
Fünf glänzende weiße Eier schimmern ihm entgegen, ein volles 
Gelege! 
Schnell zieht »Vogel« einen seiner Strümpfe aus, steckt vorsichtig die 
Eier hinein und nimmt den Strumpfschaft in den Mund ... 
Aber durch das Klappern des Storches ist der Hofhund erwacht, er 
fängt an zu kläffen und zu bellen: im Wohnhaus wird Licht angezündet 
und einen Augenblick später klappern Holzschuhe über das 
Steinpflaster. 
Da gilt es, sich zu beeilen! Vogelhansen setzt sich auf seine vier 
Buchstaben, hält die geraubten Eier mit der rechten Hand hoch in die 
Höhe und rutscht resolut vom Dach herunter. Aber in der Eile verfehlt 
er die Leiter, er muß der Sache ihren Lauf lassen -- und wie ein 
Schlitten nach einem Luftsprung saust sein Körper in die Luft hinaus. 
Da hat er das unverschämte Glück, daß der Düngerhaufen sich gerade 
unter ihm befindet: er fällt weich -- in einen großen Haufen Streu 
hinein. Er greift nach seinen Schuhen und nimmt Reißaus über die 
Heide. 
Alle Storcheneier waren heil geblieben -- er hatte für seine Verhältnisse 
einen ungewöhnlichen Fang gemacht! 
-- -- -- 
Jetzt ist er wieder hier in der Gegend. 
Ein eifriger Sammler hat ihm einen hohen Preis für die Beschaffung 
eines vollen Geleges Eier von dem großen Uhu geboten. Für den 
Sammler gilt es, die Eier zu erlangen, solange der Vogel überhaupt 
noch vorhanden ist.
Aus seiner Knabenzeit und von seinen späteren zahlreichen Besuchen 
hier ist der kleine Leuchtturmwärter mit sich im Klaren, wo ungefähr er 
suchen muß. Er geht geradeswegs nach der Stelle, wo er im 
vergangenen Jahr das Eulennest gefunden hat und beginnt von hier aus, 
den Wald in immer größeren Kreisen zu durchtraben. 
Er ist eifrig. Dem kurzen Bein wird es schwer, Schritt zu halten, ihm 
muß mit einem dicken, eisenbeschlagenen Eichenknittel nachgeholfen 
werden, dessen Krücke so gebogen ist, daß sich der Stock schnell in die 
Seitentasche einhaken läßt, wenn »Vogel« die Hände frei haben will. 
Er klopft an die Stämme und guckt in die Wipfel hinauf, er kratzt an 
den alten Eichenstubben und jagt den Stock bis an die Krücke unter alle 
Wegüberführungen und in die alten, mit Laub angefüllten Fuchsröhren. 
Strix liegt auf ihren Eiern wie ein Huhn, flach ausgestreckt -- mit 
gesträubten Hörnern ... 
Schon aus weiter Ferne hört sie den eigenartigen Gang des Mannes. 
Kla--datsch, klingt es, kla--datsch, kla--datsch ... 
Als Strix eben flügge geworden und unbekannt mit der Welt war, hatte 
sie eines Tages ein possierliches Tier im Walde umhertrollen sehen. Es 
ging auf der hohen Kante und benutzte nur seine beiden hinteren Beine, 
die beiden andern baumelten an der Seite herab. Wieder und wieder 
kehrte es zurück, strich mit den Vorderpfoten an den Bäumen entlang 
und spähte wie ein Hahn in die Wipfel hinauf. Strix hatte beobachtet, 
daß es eine ungewöhnliche Fähigkeit besaß, die Farbe zu wechseln; 
bald war der Pelz grau, bald schwarz, bald beides ... es war ein Mensch. 
Der Mensch hatte sich ein Nest aus Steinen zusammengetragen, das lag 
draußen am Waldessaum und nicht weit von ihrem Horstbaum. Sie 
fand das Nest eines Abends und sah den Menschen hineingehen und 
vor ihren Augen verschwinden. 
Lange Zeit blieb sie draußen sitzen und starrte das Loch an, durch das 
der Mensch verschwunden war. Er war eine sonderbare Erscheinung, 
fand sie. Sein Gang und sein Treiben, sein scharfer Geruch erregten
ihre ganze Neugier. 
Sie konnte es nicht lassen, den Menschen anzusehen, ihm aus der 
Entfernung zu folgen, sie fürchtete ihn instinktiv, ohne sich erklären zu 
können, weshalb, fühlte sich aber trotz alledem mächtig von ihm 
angezogen. Er kam nie in Eile, der Mensch, nie plötzlich überraschend, 
wie das Raubtier, er trollte gleichsam umher und kümmerte sich nur um 
sich selbst. Er knöhrte nicht wie der Hirsch, heulte nicht wie der Hund, 
er quakte im Grunde wie ein großer Frosch. 
Nur selten geschah es, daß der Mensch des nachts ausging; geschah es 
aber, so sah Strix, wie er auf seinen nächtlichen Wanderungen durch 
den stillen Wald gleichsam zum Narren gehalten wurde. Da ging er und 
stolperte schwerfällig auf seinen Klumpfüßen und stieß bei jedem 
Schritt ein Stück Ast in die Erde -- kla-datsch klang es, kla-datsch -- 
während es rings umher in der Dunkelheit von neugierigen Tieren 
wimmelte. Alle kannten sie seine Unterlegenheit! 
Der Fuchs lag hart am Wegrande zwischen den Farnen, der Rehbock 
stand nicht zwei Sprünge davon zwischen den Stämmen, der Marder 
guckte ruhig unter einem Stein hervor, und das Stachelschwein trabte 
in seinen Fußstapfen und schnüffelte an seinen klappernden Ballen. 
Alle hatten sie ihn lange, lange gesehen und gehört, ehe er vor ihnen 
stand; alle wußten sie, daß er in der Dunkelheit blind und taub war. 
Stand er aber plötzlich still, so erfaßte die ganze Schar ein Schrecken; 
Strix hörte sie davonstürzen, und sie empfand selbst ein sonderbar 
beklemmendes Gefühl im Halse. 
-- -- -- 
Dasselbe beklemmende Gefühl stellt sich jetzt    
    
		
	
	
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