Salambo | Page 2

Gustave Flaubert
beladen: Antilopen noch
mit ihren Hörnern, Pfauen in ihrem Gefieder, ganze Hammel, in süßem
Wein gedünstet, Kamel- und Büffelkeulen, Igel in Fischsauce,
gebackene Heuschrecken und eingemachte Siebenschläfer. In Mulden
aus Tamrapanniholz schwammen safranbedeckt große Speckstücke.
Alles war reichlich gewürzt mit Salz, Trüffeln und Asant. Früchte
rollten über Honigscheiben. Auch hatte man nicht vergessen, ein paar
von den kleinen, dickbäuchigen Hunden mit rosigem Seidenfell
aufzutragen, die mit Oliventrebern gemästet waren, ein karthagisches
Gericht, das die andern Völker verabscheuten. Die Verwunderung über
neue Gerichte erregte die Lust, davon zu essen. Die Gallier, mit ihrem
langen auf dem Scheitel geknoteten Haar, rissen sich um die

Wassermelonen und Limonen, die sie mit der Schale verzehrten. Neger,
die noch nie Langusten gesehen, zerstachen sich das Gesicht an ihren
roten Stacheln. Die glattrasierten Griechen, weißer als Marmor, warfen
die Abfälle ihrer Mahlzeit hinter sich, während bruttinische Hirten, in
Wolfsfelle gehüllt, das ganze Gesicht in ihre Schüsseln tauchten und
ihr Essen schweigsam verschlangen.
Es ward Nacht. Man entfernte das Zeltdach über der großen
Zypressenallee und brachte Fackeln. Der flackernde Schein des
Steinöls, das in Porphyrschalen brannte, erschreckte die dem Mond
geweihten Affen in den Wipfeln der Zedern. Sie kreischten laut, den
Söldnern zur Belustigung.
Flammenzungen leckten die ehernen Panzer. Die mit Edelsteinen
eingelegten Schüsseln glitzerten in bunten Lichtern. Die Mischkrüge,
deren Bäuche gewölbte Spiegel bildeten, gaben das in die Breite
verzerrte Bild eines jeden Dinges wieder. Die Söldner drängten sich um
diese Spiegel, blickten erstaunt hinein und schnitten Gesichter, um sich
gegenseitig zum Lachen zu bringen. Andre warfen sich über die Tische
hinweg mit elfenbeinernen Fußbänken und goldnen Löffeln und
schlürften in vollen Zügen Wein: griechischen, den man in Schläuchen
aufbewahrt, kampanischen, der in Amphoren verschlossen ist,
kantabrischen, der in Fässern verfrachtet wird, auch Wein aus
Brustbeeren, Zimt und Lotos. Auf dem Erdboden stand er in Lachen,
darin man ausglitt. Der Dampf der Speisen stieg, mit dem Dunst des
Atems vermischt, in das Laubwerk der Bäume. In das Krachen der
Kinnbacken tönte der Lärm der Stimmen, der Lieder und der
Trinkschalen, das Klirren kampanischen Geschirrs, das in Stücke
zersprang, und der helle Klang der großen Silberschüsseln.
Je mehr die Trunkenheit zunahm, desto lebhafter gedachte man der
Unredlichkeit Karthagos. Die durch den Krieg erschöpfte Republik
hatte nämlich die Ansammlung aller Söldner in der Stadt zugelassen.
Gisgo, ihr General, war umsonst so vorsichtig gewesen, sie nur
abteilungsweise von Sizilien nach Afrika zu schicken, um die
Auszahlung ihres Soldes zu erleichtern, aber der Rat hatte gemeint, sie
würden zu guter Letzt in Abzüge einwilligen. Jetzt haßte man sie, weil
man sie nicht bezahlen konnte. In den Köpfen der Karthager verwuchs
diese Schuld mit den zehn Millionen Mark, die Lutatius beim
Friedensschluß ausbedungen, und die Söldner erschienen ihnen als ihre

Feinde, genau so wie Rom. Das hatten die Truppen in Erfahrung
gebracht, und ihre Entrüstung war in Drohungen und Ausschreitungen
zum Ausdruck gekommen. Schließlich hatten sie verlangt, sich zur
Erinnerungsfeier eines ihrer Siege versammeln zu dürfen. Die
Friedenspartei gab nach aus Rachlust gegen Hamilkar, der die Seele des
Krieges gewesen war. Trotz Hamilkars starkem Widerspruch hatte der
Feldzug ein Ende genommen, worauf der Feldherr--an Karthago
verzweifelnd--den Oberbefehl über die Söldner an Gisgo abgegeben
hatte. Wenn nun die Karthager seinen Palast dem Soldatenfeste zur
Verfügung stellten, so wälzten sie damit einen Teil des Hasses, der den
Söldnern galt, auf Hamilkar ab. Ihm sollten die zweifellos riesigen
Ausgaben möglichst allein zur Last fallen.
Stolz darauf, daß sich die Republik ihrem Willen gebeugt hatte,
wähnten die Söldner, nun endlich heimkehren zu können, mit dem
Lohn für ihr Blut in der Tasche. Jetzt im Taumel der Trunkenheit
erschienen ihnen die überstandenen Strapazen ungeheuer groß und in
keinem Verhältnis zu dem kärglichen Solde. Sie zeigten einander ihre
Wunden und erzählten sich von ihren Kämpfen, ihren Fahrten und den
Jagden in ihrer Heimat. Sie ahmten das Geschrei und die Sprünge der
wilden Tiere nach. Dann kam es zu schweinischen Wetten. Man steckte
den Kopf in die großen Steinkrüge und trank, ohne abzusetzen, wie
verschmachtete Dromedare. Ein Lusitanier, ein wahrer Hüne, trug auf
jeder Hand einen Mann und lief so zwischen den Tischen einher, indem
er dabei Feuer aus den Nasenlöchern blies. Lakedämonier, die ihre
Panzer nicht abgelegt hatten, tanzten schwerfällig herum. Einige
sprangen mit unanständigen Gebärden vor die andern und ahmten
Weiber nach. Andre zogen sich nackt aus, um inmitten des Trinkgeräts
gleich Gladiatoren miteinander zu kämpfen. Ein Fähnlein Griechen
hüpfte um eine Vase, auf der Nymphen tanzten, während ein Neger mit
einem Ochsenknochen den Takt dazu auf einem Blechschild schlug.
Plötzlich vernahm man klagenden Gesang, der bald laut, bald leise
durch die Lüfte zitterte, wie der Flügelschlag eines verwundeten
Vogels.
Es waren die Sklaven im Kerker. Ein paar Söldner sprangen mit einem
Satz auf und verschwanden, um sie zu befreien.
Sie kamen zurück und trieben unter lautem Geschrei etwa zwanzig
Männer mit auffällig bleichen Gesichtern durch den Staub
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