Nein, ehrlicher Parmenio; nun im Ernst! Mein Vater weiß es, 
daß dich der Feind verblutet und schon halb erstarrt von der Walstatt 
aufgehoben. Laß prahlen, wer prahlen will; der ist leicht gefangen zu 
nehmen, den der nahende Tod schon entwaffnet hat.--Wie viele 
Wunden hast du nun, alter Knecht?-- 
Parmenio. O, davon konnte ich sonst eine lange Liste hersagen. Itzt 
aber habe ich sie um ein gut Teil verkürzt. 
Philotas. Wie das? 
Parmenio. Ha! Ich rechne nun nicht mehr die Glieder, an welchen ich 
verwundet bin; Zeit und Atem zu ersparen, zähle ich die, an welchen 
ich es nicht bin.--Kleinigkeiten bei dem allem! Wozu hat man die 
Knochen anders, als daß sich die feindlichen Eisen darauf schartig 
hauen sollen? 
Philotas. Das ist wacker!--Aber nun--was willst du meinem Vater 
sagen? 
Parmenio. Was ich sehe; daß du dich wohl befindest. Denn deine 
Wunde, wenn man mir anders die Wahrheit gesagt hat,-- 
Philotas. Ist so gut als keine. 
Parmenio. Ein kleines liebes Andenken. Dergleichen uns ein 
inbrünstiges Mädchen in die Lippe beißt. Nicht wahr, Prinz?
Philotas. Was weiß ich davon? 
Parmenio. Nu, nu; kömmt Zeit, kömmt Erfahrung.--Ferner will ich 
deinem Vater sagen, was ich glaube, daß du wünschest-- 
Philotas. Und was ist das? 
Parmenio. Je eher, je lieber wieder bei ihm zu sein. Deine kindliche 
Sehnsucht, deine bange Ungeduld-- 
Philotas. Mein Heimweh lieber gar. Schalk! warte, ich will dich anders 
denken lehren! 
Parmenio. Bei dem Himmel, das mußt du nicht! Mein lieber 
frühzeitiger Held, laß dir das sagen: Du bist noch Kind! Gib nicht zu, 
daß der rauhe Soldat das zärtliche Kind so bald in dir ersticke. Man 
möchte sonst von deinem Herzen nicht zum besten denken; man 
möchte deine Tapferkeit für angeborne Wildheit halten. Ich bin auch 
Vater, Vater eines einzigen Sohnes, der nur wenig älter als du, mit 
gleicher Hitze--du kennst ihn ja. 
Philotas. Ich kenne ihn. Er verspricht alles, was sein Vater geleistet hat. 
Parmenio. Aber wüßte ich, daß sich der junge Wildfang nicht in allen 
Augenblicken, die ihm der Dienst frei läßt, nach seinem Vater sehnte, 
und sich nicht so nach ihm sehnte, wie sich ein Lamm nach seiner 
Mutter sehnet: so möchte ich ihn gleich--siehst du!--nicht erzeugt 
haben. Itzt muß er mich noch mehr lieben, als ehren. Mit dem Ehren 
werde ich mich so Zeit genug müssen begnügen lassen; wenn nämlich 
die Natur den Strom seiner Zärtlichkeit einen andern Weg leitet; wenn 
er selbst Vater wird.--Werde nicht ungehalten, Prinz. 
Philotas. Wer kann auf dich ungehalten werden?--Du hast recht! Sage 
meinem Vater alles, was du glaubest, daß ihm ein zärtlicher Sohn bei 
dieser Gelegenheit muß sagen lassen. Entschuldige meine jugendliche 
Unbedachtsamkeit, die ihn und sein Reich fast ins Verderben gestürzt 
hätte. Bitte ihn, mir meinen Fehler zu vergeben. Versichere ihn, daß ich 
ihn nie durch einen ähnlichen Fehler wieder daran erinnern will; daß
ich alles tun will, damit er ihn auch vergessen kann. Beschwöre ihn-- 
Parmenio. Laß mich nur machen! So etwas können wir Soldaten recht 
gut sagen.--Und besser als ein gelehrter Schwätzer; denn wir sagen es 
treuherziger.--Laß mich nur machen! Ich weiß schon alles.--Lebe wohl, 
Prinz; ich eile-- 
Philotas. Verzieh! 
Parmenio. Nun?--Und welch feierliches Ansehen gibst du dir auf 
einmal? 
Philotas. Der Sohn hat dich abgefertiget, aber noch nicht der Prinz.-- 
Jener mußte fühlen; dieser muß überlegen. Wie gern wollte der Sohn 
gleich itzt, wie gern wollte er noch eher, als möglich, wieder um seinen 
Vater, um seinen geliebten Vater sein; aber der Prinz--der Prinz kann 
nicht.--Höre! 
Parmenio. Der Prinz kann nicht? 
Philotas. Und will nicht. 
Parmenio. Will nicht? 
Philotas. Höre! 
Parmenio. Ich erstaune-- 
Philotas. Ich sage, du sollst hören und nicht erstaunen. Höre! 
Parmenio. Ich erstaune, weil ich höre. Es hat geblitzt, und ich erwarte 
den Schlag.--Rede!--Aber, junger Prinz, keine zweite Übereilung!-- 
Philotas. Aber, Soldat, kein Vernünfteln!--Höre! Ich habe meine 
Ursachen, nicht eher ausgelöset zu sein, als morgen. Nicht eher als 
morgen! Hörst du?--Sage also unserm Könige, daß er sich an die 
Eilfertigkeit des feindlichen Herolds nicht kehre. Eine gewisse 
Bedenklichkeit, ein gewisser Anschlag nötige den Philotas zu dieser 
Verzögerung.--Hast du mich verstanden?
Parmenio. Nein! 
Philotas. Nicht? Verräter!-- 
Parmenio. Sachte, Prinz! Ein Papagei versteht nicht, aber er behält, was 
man ihm vorsagt. Sei unbesorgt. Ich will deinem Vater alles wieder 
herplappern, was ich von dir höre. 
Philotas. Ha! ich untersagte dir, zu vernünfteln, und das verdreußt dich. 
Aber wie bist denn du so verwöhnt? Haben dir alle deine Befehlshaber 
Gründe gesagt?-- 
Parmenio. Alle, Prinz; ausgenommen die jungen. 
Philotas. Vortrefflich! Parmenio, wenn ich so empfindlich wäre, als 
du-- 
Parmenio. Und doch kann nur derjenige meinen blinden Gehorsam 
heischen, dem die Erfahrung doppelte Augen gegeben. 
Philotas. Bald werde ich dich also um Verzeihung bitten müssen.--Nun 
wohl, ich bitte dich um Verzeihung, Parmenio. Murre nicht, Alter! Sei 
wieder gut, alter Vater!--Du bist freilich klüger, als ich. Aber nicht die 
Klügsten allein haben die besten Einfälle. Gute Einfälle sind 
Geschenke des Glückes; und das Glück,    
    
		
	
	
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