Ohne den Vater

Agnes Sapper
Ohne den Vater, by Agnes
Sapper

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Title: Ohne den Vater Erzählung aus dem Kriege
Author: Agnes Sapper
Release Date: March 22, 2004 [EBook #11677]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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VATER ***

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[Transcriber's Note: There is no seventh chapter in the printed book
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Ohne den Vater

Erzählung aus dem Kriege
von
Agnes Sapper

Erstes Kapitel.
Im gemütlichen Wohnzimmer eines Forsthauses in Ostpreußen saß ein
kleiner Familienkreis eng und traulich beisammen: der Förster
Stegemann mit seiner noch ganz jungen, lieblichen Frau, die ihr
Kindchen in den Armen hielt und versuchte, mit zärtlichen Worten und
dem Spiel ihrer Finger dem kleinen Geschöpf das erste Lächeln zu
entlocken. Neben ihr lehnte Gebhard, ein kräftiger, etwa zehnjähriger
Junge; er sah nach dem Schwesterchen, das so wohlig in der Mutter
Armen ruhte, und wartete gespannt, ob es noch einmal gelänge, das
Lächeln hervorzuzaubern, das vorhin wie ein Sonnenstrahl über das
Kindergesichtchen gehuscht war. Als es gelang, sah er die Mutter
beglückt an und wandte sich lebhaft an seinen Vater: "Hast du es
diesmal gesehen?"
Nein, er hatte es wieder nicht gesehen, weil ihm etwas anderes noch
anziehender war, als das erste Lächeln seines Töchterchens. Er hatte
auf Mutter und Sohn gesehen. Ihn freute, daß diese beiden sich so gut
verstanden. Es war noch nicht lange her, daß er diese junge Frau
heimgeführt hatte, nachdem seine erste Frau, Gebhards Mutter,
gestorben war. Eine lange Reihe stiller Jahre hatte er mit dem Knaben
verlebt, den eine treue Magd schlicht und streng erzog. Innig nah
standen sich Vater und Sohn, ernst und pflichttreu war der Förster,
anspruchslos der Junge. Kräftig wuchs er in der frischen Waldluft heran
und machte von seinem sechsten Lebensjahr an täglich einen
stundenlangen Weg, um auf einem benachbarten Gut an dem Unterricht
mit den Knaben des Gutsbesitzers teilzunehmen. Auf diesem Weg
begleitete ihn ein treuer Hund des Försters, der schon immer sein
Spielkamerad gewesen und jetzt sein Beschützer auf einsamen
Waldwegen war.

Bei einem Besuch seiner Mutter, die in Süddeutschland lebte, hatte der
Förster das fröhliche, liebevolle Mädchen kennen gelernt, das dann
seine zweite Frau geworden war. Noch immer war's ihm wunderbar
und erfreute ihn in tiefster Seele, daß solch ein neues Familienglück in
seinem Forsthaus erblüht war; und so sah er auch jetzt mit Wonne auf
die junge Frau, ohne daß diese es bemerkte, denn sie war ganz von der
Kleinen hingenommen.
Jetzt stund sie auf und legte das Töchterchen sorgsam in den
Korbwagen. "So Jüngferlein," sagte sie, "nach dieser großen Leistung,
nachdem du zweimal gelächelt hast, wirst du herrlich schlafen, draußen
am offenen Fenster!" Sie fuhr sachte den Wagen in das Schlafzimmer.
Gebhard wandte sich dem Vater zu. "Es ist so nett, wenn die Mutter
"Jüngferlein" sagt zu einem so kleinen Kind, hörst du das nicht auch so
gern, Vater? Überhaupt ist es jetzt so eine schöne Zeit! So soll's immer
bleiben, wie es jetzt ist!"
Stegemanns Gedanken wurden durch diesen Wunsch herausgerissen
aus der friedlichen Umgebung.
"Gebhard, du denkst nicht an den Krieg, sonst könntest du nicht von
einer schönen Zeit reden, die bleiben soll."
"Aber wir siegen doch, und das gibt dann die allergrößte Freude."
"Vorher werden viele Tausende von unsern deutschen Soldaten
sterben!"
"Viele Tausende?" Gebhard wiederholte sinnend diese Worte und blieb
eine Weile ganz nachdenklich. Dann aber trat er dicht an den Vater
heran und begann mit eifrigen Worten: "Das darf man doch nicht so
traurig sagen, Vater? Die Soldaten ziehen doch gern in die Schlacht
und wollen fürs Vaterland sterben? Wenn ich nur schon älter wäre, und
wenn du noch jünger wärst, dann zögen wir miteinander in den Krieg,
du wärst ein Offizier und ich dein liebster Soldat und wenn du befiehlst:
'Freiwillige vor!' komme ich zu allererst. Aber mit zehn Jahren geht das
noch nicht, und du, Vater, gelt du bist schon zu alt, du hast doch schon

ein wenig graue Haare!"
"Die grauen Haare machen nichts; vielleicht komme ich doch noch
daran. Aber sei still, wir wollen damit der Mutter nicht angst machen."
Sie sahen beide nach der Türe, durch die die junge Frau eben wieder
hereintrat. Es lag noch der Schimmer mütterlicher Zärtlichkeit auf
ihrem Gesicht, als sie sagte: "Mein Jüngferlein schlummert schon."
"Dein Jüngferlein, Helene? Mir gehört es auch!" Er zog seine Frau
zärtlich an sich.
"Und ein wenig gehört es auch mir, nicht, Mutter?"
"Freilich. Du wirst sehen, die kleinen Mädchen mögen die
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