Nach Amerika! Erster Band | Page 3

Friedrich Gerstäcker
die sie fast etwas zu reichlich schmückten, pa?ten nicht ganz zu dem sonst so freundlichen, matronenhaften Aeu?ern.
Clara neben ihr, war das veredelte Bild der Eltern; die lieben treublauen Augen schauten gar so vertrauungs- und unschuldsvoll hinein in die Welt, an deren Schwelle sie stand, und die ihr, wie ein eben ge?ffnetes, prachtvoll gebundenes Buch auf den ersten, flüchtig durchbl?tterten Seiten, nur freundliche Blumen und ihr zul?chelnde Gestalten zeigte. Kein Schmerz hatte diese engelsanften Züge noch je durchzuckt, keine Thr?ne wirklichen Schmerzes den reinen Blick getrübt, und die ganze zarte, sinnige Gestalt glich der eben entkeimenden Frühlingsblüthe im sonnigen Wald, die dem jungen Frühlingstag in Glück und Unschuld die schwellenden Lippen zum Kusse bietet, und in der blitzenden Thauperle ihres Kelchs, den reinen Aether über sich, nur sch?ner, nur glühender zurückspiegelt.
Ihre um nur wenige Jahre ?ltere Schwester, Sophie, die an des Vaters Seite sa?, ?hnelte der Schwester in mancher Hinsicht an Gestalt, aber das einfach kindliche, was Cl?rchen jenen unendlichen Reiz verlieh, fehlte ihr. Ihre Gestalt war voller, majest?tischer, aber auch ihr Blick mehr kalt und stolz; ?ich bin des reichen Dollingers Kind? lag klar und deutlich in den scharf zusammengezogenen Mundwinkeln, in dem fest und entschieden, blitzenden Auge, und auch ihre Kleidung, ihr Schmuck war, wenn nicht reicher, doch jedenfalls mehr in's Auge springend, Bewunderung fordernd.
Zwischen Beiden sa? Clara's Br?utigam, ein junger, bildhübscher Mann in moderner, fast für einen Mann etwas zu gew?hlter und sorgf?ltig geordneter Kleidung; er trug das Haar in natürlichen dunkelbraunen Locken und das Gesicht glatt rasirt, bis auf einen kleinen, aufmerksam gekr?u?ten, und nur bis zur halben Backe reichenden Backenbart, an den Fingern aber mehre sehr kostbare Diamant-Ringe, eine Brillant-Tuchnadel von prachtvollem Feuer, und eine schwere goldene, ebenfalls mit kleinen Edelsteinen besetzte Uhrkette.
Die Bekanntschaft Clara's und ihrer Eltern hatte er dabei auf eine etwas romantische Weise, und zwar gleich als ihr Lebensretter oder doch Befreier aus einer nicht unbedeutenden Gefahr gemacht. Herr und Frau Dollinger waren n?mlich mit ihren beiden T?chtern im vorigen Herbst auf einer Rheinreise bei Rüdesheim aus- und zu dem kleinen Waldtempel oben über Asmannshausen hinaufgestiegen, um sich von dort nach dem Rheinstein übersetzen zu lassen; die Mutter hatte aber durch das nicht gewohnte Bergsteigen heftige Kopfschmerzen bekommen oder, was wahrscheinlicher ist, ennuyirte sich am Land und wünschte an Bord des Dampfers zurückzukehren, und als sie gerade mit dem Kahn über den Rhein fuhren, kam ein Dampfboot stromab, und hielt auf ihr Winken, sie an Bord zu nehmen. Herr und Frau Dollinger, mit Sophie, von den Kahnführern unterstützt, hatten auch schon glücklich die Treppe und das Deck erreicht, und dicht hinter ihnen folgte Clara, als diese sich pl?tzlich erinnerte, ihre Geldtasche im Kahn vergessen zu haben, und anstatt diese sich heraufreichen zu lassen, selber wieder zurücksprang sie zu holen. Durch das Hineinspringen fing aber der schmale Kahn an zu schwanken, w?hrend sie, die vergessene kleine Tasche aufhebend, das Gleichgewicht verlor und, mit dem Kopf voran, in den Rhein stürzte. Unglücklicher Weise waren gerade in dem n?mlichen Augenblick die Kahnleute an Deck des Dampfers gestiegen, den Koffer eines Passagiers, der mit an Land fahren wollte, in ihren Kahn zu heben, und wenn sie jetzt auch, auf das Geschrei an Bord, rasch in diesen zurücksprangen, trieb doch Clara schon hinter dem Dampfboot aus, als der junge, eben von Amerika zurückgekehrte Mann, der dem ganzen Vorfall vom Deck des Dampfers zugesehn, mit keckem Muth ins Wasser sprang und die Jungfrau doch wenigstens so lange an der Oberfl?che unterstützte, bis das Boot herbeikam sie beide aufzunehmen.
Das Weitere nahm einen ziemlich einfachen Verlauf, Joseph Henkel, wie der junge Mann hie?, gewann sich in den n?chsten Wochen, die er in der Gesellschaft der ihm zu gro?en Dank verpachteten Familie zubrachte, die Achtung des Vaters und die Liebe von Mutter und Tochter, und als er zuerst bei der Mutter um die Hand der Tochter anhielt, sagten Beide nicht nein. Allerdings wollte der Vater erst, wenn auch nicht gerade Schwierigkeiten machen, doch etwas Genaueres über die Existenzmittel eines Mannes erfahren, dem er das Glück und Leben eines lieben Kindes anvertrauen sollte. Henkel selber bot ihm dazu die Hand und gab ihm Adressen an verschiedene H?user in New-Orleans, die ihm über seine dortige Stellung genaue Auskunft geben konnten.
Nach seinem Verm?gen mochte der alte Dollinger, wenn auch Kaufmann, nicht so genau forschen; er war selber reich genug, einen reichen Schwiegersohn entbehren zu k?nnen, und etwas Verm?gen mu?te der junge Mann haben, dafür bürgte sein ganzes Auftreten, bürgte besonders in den Augen seiner Frau der reiche und wirklich kostbare Schmuck, den er trug. Joseph Henkel war aber auch au?erdem ein interessanter und sehr gescheidter Mann, der Manches in der Welt schon gesehen und erlebt, und das Gesehene und Erlebte mit lebendigen Farben und Worten zu schildern wu?te. Er hatte die ganzen Vereinigten Staaten von Nord nach Süd und von Ost nach West durchstreift, und
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