bewusst. So 
bilden sich angewöhnte rasche Verbindungen von Gefühlen und 
Gedanken, welche zuletzt, wenn sie blitzschnell hinter einander 
erfolgen, nicht einmal mehr als Complexe, sondern als Einheiten 
empfunden werden. In diesem Sinne redet man vom moralischen 
Gefühle, vom religiösen Gefühle, wie als ob diess lauter Einheiten 
seien: in Wahrheit sind sie Ströme mit hundert Quellen und Zuflüssen. 
Auch hier, wie so oft, verbürgt die Einheit des Wortes Nichts für die 
Einheit der Sache. 
15. 
Kein Innen und Aussen in der Welt. - Wie Demokrit die Begriffe Oben 
und Unten auf den unendlichen Raum übertrug, wo sie keinen Sinn 
haben, so die Philosophen überhaupt den Begriff "Innen und Aussen" 
auf Wesen und Erscheinung der Welt; sie meinen, mit tiefen Gefühlen 
komme man tief in's Innere, nahe man sich dem Herzen der Natur. 
Aber diese Gefühle sind nur insofern tief, als mit ihnen, kaum 
bemerkbar, gewisse complicirte Gedankengruppen regelmässig erregt 
werden, welche wir tief nennen; ein Gefühl ist tief, weil wir den 
begleitenden Gedanken für tief halten. Aber der tiefe Gedanke kann 
dennoch der Wahrheit sehr fern sein, wie zum Beispiel jeder 
metaphysische; rechnet man vom tiefen Gefühle die beigemischten 
Gedankenelemente ab, so bleibt das starke Gefühl übrig, und dieses 
verbürgt Nichts für die Erkenntniss, als sich selbst, ebenso wie der
starke Glaube nur seine Stärke, nicht die Wahrheit des Geglaubten 
beweist. 
16. 
Erscheinung und Ding an sich. - Die Philosophen pflegen sich vor das 
Leben und die Erfahrung - vor Das, was sie die Welt der Erscheinung 
nennen - wie vor ein Gemälde hinzustellen, das ein für alle Mal entrollt 
ist und unveränderlich fest den selben Vorgang zeigt: diesen Vorgang, 
meinen sie, müsse man richtig ausdeuten, um damit einen Schluss auf 
das Wesen zu machen, welches das Gemälde hervorgebracht habe: also 
auf das Ding an sich, das immer als der zureichende Grund der Welt 
der Erscheinung angesehen zu werden pflegt. Dagegen haben strengere 
Logiker, nachdem sie den Begriff des Metaphysischen scharf als den 
des Unbedingten, folglich auch Unbedingenden festgestellt hatten, 
jeden Zusammenhang zwischen dem Unbedingten (der metaphysischen 
Welt) und der uns bekannten Welt in Abrede gestellt: so dass in der 
Erscheinung eben durchaus nicht das Ding an sich erscheine, und von 
jener auf dieses jeder Schluss abzulehnen sei. Von beiden Seiten ist 
aber die Möglichkeit übersehen, dass jenes Gemälde - Das, was jetzt 
uns Menschen Leben und Erfahrung heisst - allmählich geworden ist, ja 
noch völlig im Werden ist und desshalb nicht als feste Grösse 
betrachtet werden soll, von welcher aus man einen Schluss über den 
Urheber (den zureichenden Grund) machen oder auch nur ablehnen 
dürfte. Dadurch, dass wir seit Jahrtausenden mit moralischen, 
ästhetischen, religiösen Ansprüchen, mit blinder Neigung, Leidenschaft 
oder Furcht in die Welt geblickt und uns in den Unarten des 
unlogischen Denkens recht ausgeschwelgt haben, ist diese Welt 
allmählich so wundersam bunt, schrecklich, bedeutungstief, seelenvoll 
geworden, sie hat Farbe bekommen, - aber wir sind die Coloristen 
gewesen: der menschliche Intellect hat die Erscheinung erscheinen 
lassen und seine irrthümlichen Grundauffassungen in die Dinge 
hineingetragen. Spät, sehr spät - besinnt er sich: und jetzt scheinen ihm 
die Welt der Erfahrung und das Ding an sich so ausserordentlich 
verschieden und getrennt, dass er den Schluss von jener auf dieses 
ablehnt - oder auf eine schauerlich geheimnissvolle Weise zum 
Aufgeben unsers Intellectes, unsers persönlichen Willens auffordert: 
um dadurch zum Wesenhaften zu kommen, dass man wesenhaft werde. 
Wiederum haben Andere alle charakteristischen Züge unserer Welt der
Erscheinung - das heisst der aus intellectuellen Irrthümern 
herausgesponnenen und uns angeerbten Vorstellung von der Welt - 
zusammengelesen und anstatt den Intellect als Schuldigen anzuklagen, 
das Wesen der Dinge als Ursache dieses thatsächlichen, sehr 
unheimlichen Weltcharakters angeschuldigt und die Erlösung vom Sein 
gepredigt. - Mit all diesen Auffassungen wird der stetige und mühsame 
Process der Wissenschaft, welcher zuletzt einmal in einer 
Entstehungsgeschichte des Denkens seinen höchsten Triumph feiert, in 
entscheidender Weise fertig werden, dessen Resultat vielleicht auf 
diesen Satz hinauslaufen dürfte: Das, was wir jetzt die Welt nennen, ist 
das Resultat einer Menge von Irrthümern und Phantasien, welche in der 
gesammten Entwickelung der organischen Wesen allmählich 
entstanden, in einander verwachsen [sind] und uns jetzt als 
aufgesammelter Schatz der ganzen Vergangenheit vererbt werden, - als 
Schatz: denn der Werth unseres Menschenthums ruht darauf. Von 
dieser Welt der Vorstellung vermag uns die strenge Wissenschaft 
thatsächlich nur in geringem Maasse zu lösen - wie es auch gar nicht zu 
wünschen ist -, insofern sie die Gewalt uralter Gewohnheiten der 
Empfindung nicht wesentlich zu brechen vermag: aber sie kann die 
Geschichte der Entstehung jener Welt als Vorstellung ganz allmählich 
und schrittweise aufhellen - und uns wenigstens für Augenblicke über 
den ganzen Vorgang hinausheben. Vielleicht erkennen wir dann, dass 
das Ding an sich eines homerischen Gelächters werth ist: dass es so viel, 
ja Alles schien und eigentlich leer, nämlich bedeutungsleer ist. 
17. 
Metaphysische Erklärungen. - Der junge Mensch schätzt 
metaphysische Erklärungen, weil sie ihm in    
    
		
	
	
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