denn so hab' ich unter die 
Leute streuen lassen, und so ist es angenommen: Nun, mein frommer 
Herr, werdet ihr mich fragen, warum ich das thue? 
Bruder. Wenn es erlaubt ist, Gnädigster Herr. 
Herzog. Wir haben strenge Geseze, (ein nothwendiges Gebiß für 
unbändige Unterthanen) die wir diese neunzehn Jahre her haben 
schlaffen lassen, gleich einem überfüllten Löwen, der in seiner Höle 
ligen bleibt, und nicht auf Beute ausgeht. Wie es nun zu begegnen 
pflegt, daß wenn allzu zärtliche Väter die Ruthe nicht zum Gebrauch, 
sondern nur zum Schreken, ihren Kindern vor die Augen steken, sie in 
kurzer Zeit mehr verlacht als gefürchtet wird; so ist es unsern Gesezen 
gegangen: Anstatt den Verbrechern den Tod zu geben, sind sie selbst 
todt; die ungebundne Freyheit zieht die Gerechtigkeit bey der Nase, der 
Säugling schlägt die Amme, und alle Anständigkeit der Sitten geht 
verlohren.
Bruder. Es hieng nur von Euer Durchlaucht ab, diese gefesselte 
Gerechtigkeit wieder los zu lassen, und es würde an Euch furchtbarer 
geschienen haben, als an Angelo. 
Herzog. Ich besorge, nur allzu furchtbar. Da es mein Fehler war, dem 
Volk so viel Freyheit zu lassen, so würde es Tyranney gewesen seyn, 
sie für das zu strafen, was ich selbst ihnen zu thun befahl. Denn wir 
befehlen Böses zu thun, wenn wir den Uebelthaten statt der Straffe 
ihren freyen Lauf lassen. Dieses ist der wahre Grund, mein Vater, 
warum ich dieses Amt dem Angelo aufgetragen habe, der unter dem 
schüzenden Ansehen meines Namens straffen kan, ohne daß, so lange 
meine Person nicht gesehen wird, der Tadel auf mich fällt. Um aber 
selbst ein Augenzeuge von dieser Regierung zu seyn, will ich unter 
dem Namen eines Bruders von euerm Orden, sowol den Regenten als 
das Volk besuchen. Ich bitte dich also, schaffe mir einen Habit, und 
unterrichte mich, damit ich die vollständige Person eines ächten 
Franciscaner-Mönchs spielen könne. Noch mehr Gründe für diese 
Handlung will ich bey mehrerer Musse eröffnen; einer davon ist dieser: 
Angelo ist strenge; steht gegen jeden Tadel auf der Hut, gesteht kaum, 
daß sein Blut fließt, oder daß er zu Brot mehr Appetit hat als zu Stein. 
Wir können vielleicht bey dieser Gelegenheit lernen, wie viel man sich 
auf diese strengen Tugenden verlassen kan. 
(Sie gehen ab.) 
 
Achte Scene. (Ein Frauen-Kloster.) (Isabella, und Francisca.) 
Isabella. Und habt ihr Kloster-Frauen keine andern Freyheiten? 
Francisca. Sind diese nicht groß genug? 
Isabella. Ja, freylich; ich frage nicht, als ob ich mehr wünschte; sondern 
weil ich wünschte, daß die Schwesterschaft der heiligen Clara noch 
enger eingeschränkt seyn möchte. (Lucio läßt seine Stimme hinter der 
Scene hören.) 
Isabella. Was ist das? Wer ruft? 
Francisca. Es ist eines Mannes Stimme. Meine liebe Isabella, schließt 
ihr auf, und fragt ihn was er will; ihr dürft es thun, ich nicht; ihr habt 
das Gelübde noch nicht gethan; wenn ihr es gethan habt, so dürft ihr 
mit keiner Mannsperson sprechen, ausser in Gegenwart der Priorin; und 
auch dann, wenn ihr redet, dürft ihr euer Gesicht nicht zeigen, oder 
wenn ihr das Gesicht zeigt, dürft ihr nicht reden. Er ruft wieder; ich
bitte euch, gebt ihm Antwort. 
(Francisca geht ab.) 
Isabella. Wer ruft hier? 
(Sie macht die Thüre auf.) 
(Lucio kommt herein.) 
Lucio. Heil, Jungfrau, wenn ihr seyd, wofür euch diese Rosenwangen 
ankündigen; wollt ihr so gefällig seyn, und mich vor Isabellen bringen, 
der schönen Schwester des unglüklichen Claudio, die sich unter den 
Probe-Schwestern dieses Hauses befindet. 
Isabella. Warum des unglüklichen Claudio, laßt mich zurükfragen, 
indem ich euch sage, daß ich diese Isabella und seine Schwester bin. 
Lucio. Holdselige Schöne, euer Bruder grüsset euch; um euch nicht 
lange aufzuhalten, er ligt im Gefängniß. 
Isabella. Weh mir! Und warum? 
Lucio. Für etwas, wofür er, wenn ich sein Richter wäre, Belohnung 
statt Strafe erhalten sollte; er hat einer guten Freundin ein Kind 
gemacht. 
Isabella. Mein Herr, erzählt mir nicht eure eigne Geschichte. 
Lucio. Es ist wie ich sage; wenn es gleich meine Schooßsünde ist, den 
Kybizen mit den Mädchen zu spielen, und ihnen zum Spaß Dinge 
vorzusagen, wovon mein Herz nichts weiß, so wollte ich doch nicht mit 
allen Jungfrauen so scherzen. Ich sehe euch für ein geheiligtes und dem 
Himmel geweyhtes Geschöpf an; und, aufrichtig zu reden, euer Stand 
macht euch in meinen Augen schon zu einem abgeschiednen seligen 
Geist. 
Isabella. Ihr lästert das Gute, indem ihr meiner spottet. 
Lucio. Denket das nicht von mir. In wahrem Ernst, diß ist die Sache: 
Euer Bruder hat seine Liebste in einen Zustand gesezt, der dasjenige 
was zwischen ihnen vorgegangen, unleugbar macht. 
Isabella. Ist eine schwanger von ihm?--Meine Base Juliette? 
Lucio. Ist sie eure Base? 
Isabella. Durch Adoption, durch die Liebe, die wir als Kinder für 
einander gehabt. 
Lucio. Sie ist es. 
Isabella. O! So kan er sie ja heurathen. 
Lucio. Das ist eben der Knoten. Der Herzog hat sich auf eine sehr 
seltsame Art von hier wegbegeben; und manchen Edelmann, worunter
ich selbst    
    
		
	
	
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