du geben kanst; du kanst meine 
Tage durch Gram abkürzen, du kanst Nächte von meinem Leben 
abreissen, aber du kanst mir keinen Morgen leihen; du, du kanst der 
Zeit helfen mich früher alt zu machen, aber keine einzige Falte von 
meiner Stirne nehmen; du kanst durch ein Wort meinen Tod gebieten, 
aber wenn ich todt bin, ist dein Königreich zu wenig, mir nur einen 
Athemzug zu kauffen. 
König Richard. Dein Sohn ist auf Einrathen unsers Staats-Rathes 
verbannt, und du selbst hast deine Stimme dazu gegeben; warum 
rümpfest du izt die Stirne über unsre Gerechtigkeit? 
Gaunt. Dinge, die im Münde süß sind, werden in der Verdauung sauer; 
ihr dranget in mich, daß ich als ein Richter reden sollte; aber ich wollte 
lieber ihr hättet mir befohlen als ein Vater zu reden. O! wär' es ein 
Fremder gewesen, und nicht mein Sohn, ich würde ein gelinderes 
Urtheil ausgesprochen haben. Weh mir! ich besorgte, man möchte mir 
eine übertriebne Nachsicht gegen die meinigen Schuld geben, und den 
Vorwurf der Partheylichkeit zu vermeiden, hab' ich durch meine 
Stimme mir selbst das Leben abgesprochen. 
König Richard. Vetter, lebe wohl; und ihr, Oheim, nehmt euern 
Abschied von ihm; wir verbannen ihn auf sechs Jahre, und er soll 
gehen. 
(Geht ab.) 
 
Sechste Scene. 
Aumerle. Vetter, leb wohl! Was wir uns gegenwärtig nicht sagen 
können, das laßt aus dem Ort eures Aufenthalts, eure Briefe sagen. 
Marschall. Milord, ich beurlaube mich nicht von euch; denn ich will an 
eurer Seite reiten, so weit mich das Land tragen wird. 
Gaunt. Warum bist du so sparsam mit deinen Worten, daß du die 
verbindliche Reden deiner Freunde nicht beantwortest? 
Bolingbroke. Ich habe ihrer zu wenige, zum Abschied nehmen, da 
meine Zunge verschwendrisch seyn sollte, den überströmenden 
Schmerz meines Herzens auszuathmen. 
Gaunt. Du hast keinen andern Schmerz als deine Abwesenheit; was
sind sechs Winter? sie sind schnell vorüber. 
Bolingbroke. Für die Glüklichen; der Kummer macht aus einer Stunde 
zehen. 
Gaunt. Nenn es eine Reise, die du für dein Vergnügen machst. 
Bolingbroke. Mein seufzendes Herz würde mich lügen heissen, wenn 
ich eine Lustreise nennen wollte, was ihm eine gezwungne 
Pilgrimschaft ist. 
Gaunt. Alle Örter die des Himmels Auge besucht, sind für den weisen 
Mann sichre Porte, und Himmel voll Wonne. Lehre die 
Nothwendigkeit so denken, es ist keine Tugend über die 
Nothwendigkeit. Denke nicht, der König habe dich verbannt, sondern 
du den König. Ein Ungemach drükt uns nur heftig, wenn wir es 
unmännlich tragen. Geh, sage, ich habe dich weggeschikt, Ruhm zu 
erwerben; nicht, der König habe dich verbannt. Oder bilde dir ein, es 
hange fressende Pestilenz in unsrer Luft, und du fliehest unter einen 
reinen Himmel. Sieh, alles was deiner Seele theuer ist, davon bilde dir 
ein, es lig' in dem Weg den du gehst, nicht in dem, so du verlässest; 
bilde dir ein, die Vögel seyen Musicanten; das Gras worauf du trittst, 
der Fußboden eines grossen Saals; die Blumen, schöne Damen; und 
deine Schritte, ein frölicher Tanz. Der Kummer beißt nur schwach, 
sobald man einen Scherz daraus macht. 
Bolingbroke. O, wer kan Feuer in seiner Hand tragen, und an den 
befrornen Caucasus denken? Wer kan den nagenden Hunger durch die 
blosse Erinnrung an ein Gastmahl stillen; oder, wenn er nakend im 
December- Schnee gienge, sich durch die Vorstellung eines 
phantastischen Sommers erwärmen? O nein, die Vorstellungen des 
Guten schärfen nur das schmerzhafte Gefühl des Bösen, und der Zahn 
des giftigen Kummers-- 
Gaunt. Komm, komm, mein Sohn, ich will dich ein Stük Weges 
begleiten; hätt' ich deine Jugend und deine Sache, ich wollte keinen 
Augenblik zögern. 
Bolingbroke. So gehabe dich dann wohl, Engländischer Boden! Gehabe 
dich wohl, mein mütterliches Land, meine Säugerin, die noch diese 
kurzen Augenblike mich trägt. Wohin ich auch wandre, kan ich doch, 
obgleich verbannt, mich rühmen, daß ich ein echter Engländer bin. 
(Sie gehen ab.)
Siebende Scene. (Der Hof.) (König Richard, Bagott, Green, u.s.w. 
treten zu einer, und Lord Aumerle zu der andern Thür herein.) 
König Richard (zu Bagott.) In der That, wir bemerkten es auch--Vetter 
Aumerle, wie weit habt ihr den hohen Hereford begleitet? 
Aumerle. Ich begleitete den hohen Hereford, wenn ihr ihn so nennen 
wollt, nicht weiter als bis an die nächste Landstrasse, und dort verließ 
ich ihn. 
König Richard. Und saget, sind viele Thränen beym Abschied 
vergossen worden? 
Aumerle. Meiner Treue, von mir keine, ausser daß der Nord-Ostwind, 
der uns sehr scharf ins Gesicht blies, mir ein wenig Wasser aus den 
Augen preßte, und dadurch von ungefehr unsern kalten Abschied mit 
einer Thräne zierte. 
König Richard. Was sagte euer Vetter, wie ihr Abschied nahmt? 
Aumerle. Leb wohl!--und weil sich mein Herz nicht überwinden konnte, 
meine Zunge dieses Wort so entheiligen zu lassen, so stellte ich mich, 
als ob ich so betrübt sey, daß ich vor Schmerz nicht reden könne. Auf 
meine Ehre, wenn das Wort Lebwohl die Stunden hätte verlängern und 
Jahre zu seiner Verbannungs-Zeit hinzu thun    
    
		
	
	
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