Leben Schillers, aus dem Englischen | Page 2

Johann Wolfgang von Goethe
der deutschen Literatur günstig ist, abermals seine kr?ftige Wirkung beginne und dadurch zeige, wie es auf einer gewissen Stufe der Literatur immer nützlich und wirksam seyn werde.
So sind z. B. Herders Ideen bey uns dergestalt in die Kenntnisse der ganzen Masse übergegangen, dass nur wenige, die sie lesen, dadurch erst belehrt werden, weil sie, durch hundertfache Ableitungen, von demjenigen was damals von grosser Bedeutung war, in anderem Zusammenhange schon v?llig unterrichtet worden. Dieses Werk ist vor kurzem ins Franz?sische übersetzt; wohl in keiner andern Ueberzeugung als dass tausend gebildete Menschen in Frankreich sich immer noch an diesen Ideen zu erbauen haben.
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In Bezug auf das dem gegenw?rtigen Bande vorgesetzte Bild sey folgendes gemeldet: Unser Freund, als wir mit ihm in Verh?ltniss traten, war damals in Edinburgh wohnhaft, wo er in der Stille lebend, sich im besten Sinne auszubilden suchte, und, wir dürfen es ohne Ruhmredigkeit sagen, in der deutschen Literatur hiezu die meiste F?rderniss fand.
Sp?ter, um sich selbst und seinen redlichen literarischen Studien unabh?ngig zu leben, begab er sich, etwa zehen deutsche Meilen südlicher, ein eignes Besitzthum zu bewohnen und zu benutzen, in die Grafschaft Dumfries. Hier, in einer gebirgigen Gegend, in welcher der Fluss Nithe dem nahen Meere zustr?mt, ohnfern der Stadt Dumfries, an einer Stelle welche Craigenputtock genannt wird, schlug er mit einer sch?nen und h?chst gebildeten Lebensgef?hrtin seine l?ndlich einfache Wohnung auf, wovon treue Nachbildungen eigentlich die Veranlassung zu gegenw?rtigem Vorworte gegeben haben.
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Gebildete Geister, zartfühlende Gemüther, welche nach fernem Guten sich bestreben, in die Ferne Gutes zu wirken geneigt sind, erwehren sich kaum des Wunsches, von geehrten, geliebten, weitabgesonderten Personen das Portrait, sodann die Abbildung ihrer Wohnung, so wie der n?chsten Zust?nde, sich vor Augen gebracht zu sehen.
Wie oft wiederholt man noch heutiges Tags die Abbildung von Petrarch's Aufenthalt in Vaucluse, Tasso's Wohnung in Sorent! Und ist nicht immer die Bieler Insel, der Schutzort Rousseau's, ein seinen Verehrern nie genugsam dargestelltes Local?
In eben diesem Sinne hab' ich mir die Umgebungen meiner entfernten Freunde im Bilde zu verschaffen gesucht, und ich war um so mehr auf die Wohnung Hrn. Thomas Carlyle begierig, als er seinen Aufenthalt in einer fast rauhen Gebirgsgegend unter dem 55ten Grade gew?hlt hatte.
Ich glaube durch solch eine treue Nachbildung der neulich eingesendeten Originalzeichnungen gegenw?rtiges Buch zu zieren und dem jetzigen gefühlvollen Leser, vielleicht noch mehr dem künftigen, einen freundlichen Gefallen zu erweisen und dadurch, so wie durch eingeschaltete Auszüge aus den Briefen des werthen Mannes, das Interesse an einer edlen allgemeinen L?nder- und Weltann?herung zu vermehren.
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Thomas Carlyle an Goethe.
Craigenputtock den 25. Septbr. 1828.
"Sie forschen mit so warmer Neigung nach unserem gegenw?rtigen Aufenthalt und Besch?ftigung, dass ich einige Worte hierüber sagen muss, da noch Raum dazu übrig bleibt. Dumfries ist eine artige Stadt, mit etwa 15000 Einwohnern und als Mittelpunct des Handels und der Gerichtsbarkeit anzusehen eines bedeutenden Districkts in dem schottischen Gesch?ftskreis. Unser Wohnort ist nicht darin, sondern 15 Meilen (zwei Stunden zu reiten) nordwestlich davon entfernt, zwischen den Granitgebirgen und dem schwarzen Moorgefilde, welche sich westw?rts durch Gallovay meist bis an die irische See ziehen. In dieser Wüste von Heide und Felsen stellt unser Besitzthum eine grüne Oase vor, einen Raum von geackertem, theilweise umz?umten und geschmückten Boden, wo Korn reift und B?ume Schatten gew?hren, obgleich ringsumher von Seem?ven und hartwolligen Schaafen umgeben. Hier, mit nicht geringer Anstrengung, haben wir für uns eine reine, dauerhafte Wohnung erbaut und eingerichtet; hier wohnen wir in Ermangelung einer Lehr- oder andern ?ffentlichen Stelle, um uns der Literatur zu befleissigen, nach eigenen Kr?ften uns damit zu besch?ftigen. Wir wünschen dass unsre Rosen und Gartenbüsche fr?hlich heranwachsen, hoffen Gesundheit und eine friedliche Gemüthsstimmung, um uns zu fordern. Die Rosen sind freylich zum Theil noch zu pflanzen, aber sie blühen doch schon in Hoffnung.
Zwei leichte Pferde, die uns überall hintragen, und die Bergluft sind die besten Aerzte für zarte Nerven. Diese t?gliche Bewegung, der ich sehr ergeben bin, ist meine einzige Zerstreuung; denn dieser Winkel ist der einsamste in Brittanien, sechs Meilen von einer jeden Person entfernt die mich allenfalls besuchen m?chte. Hier würde sich Rousseau eben so gut gefallen haben, als auf seiner Insel St. Pierre.
Fürwahr meine st?dtischen Freunde schreiben mein Hierhergehen einer ?hnlichen Gesinnung zu und weissagen mir nichts Gutes; aber ich zog hierher, allein zu dem Zweck meine Lebensweise zu vereinfachen und eine Unabh?ngigkeit zu erwerben, damit ich mir selbst treu bleiben k?nne. Dieser Erdraum ist unser, hier k?nnen wir leben, schreiben und denken wie es uns am besten d?ucht , und wenn Zoilus selbst K?nig der Literatur werden sollte.
Auch ist die Einsamkeit nicht so bedeutend, eine Lohnkutsche bringt uns leicht nach Edinburgh, das wir als unser brittisch Weimar ansehen. Habe ich denn nicht auch gegenw?rtig eine ganze Ladung von franz?sischen, deutschen, amerikanischen, englischen Journalen und Zeitschriften, von welchem Werth sie auch seyn m?gen, auf den Tischen meiner kleinen Bibliothek aufgeh?uft!
Auch
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