Kritik des Herzens | Page 2

Wilhelm Busch
uns mit seiner Suade,

Durch sein breites Expliciren,
Schwadroniren, Disputiren,
Soll er
uns denn stets geniren,
Dieser säuselnde Philister,

Beim Genuß des

edlen Weins?
Pump ihn an, und plötzlich ist er
Kurz und bündig
wie Glock Eins.
Mich wurmt es, wenn ich nur dran denke. --
Es saß zu München in
der Schenke
Ein Protz mit dunkelrother Nase
Beim elften oder
zwölften Glase.
Da schlich sich kümmerlich heran
Ein armer alter
Bettelmann,
Zog vor dem Protzen seinen Hut
Und fleht: Gnä Herr,
ach sein S' so gut!
Der Protz jedoch, fuchsteufelswild,
Statt was zu
geben, flucht und schilt:
Gehst raus, Du alter Lump, Du schlechter!

Nix möcht' er, als grad saufen, möcht' er!
Ich habe von einem Vater gelesen;
Die Tochter ist beim Theater
gewesen.
Ein Schurke hat ihm das Mädchen verdorben,
So daß es
im Wochenbette gestorben.
Das nahm der Vater sich tief zu Gemüthe.

Und als er den Schurken zu fassen kriegte,
Verzieh er ihm nobel
die ganze Geschichte.
Ich weine ob solcher Güte.
Laß doch das ew'ge Fragen,
Verehrter alter Freund!
Ich will von
selbst schon sagen,
Was mir von Nöthen scheint.
Du sagst vielleicht dagegen:
Man fragt doch wohl einmal.
Gewiß!
Nur allerwegen
Ist mir's nicht ganz egal.
Bei deinem Fragestellen
Hat eines mich frappirt:
Du fragst so gern
nach Fällen,
Wobei ich mich blamirt.
Vor Jahren waren wir mal entzweit
Und taten uns Manches zum
Torte;
Wir sagten uns beide zu jener Zeit
Viel bitterböse Worte.
Drauf haben wir uns in einander geschickt;
Wir schlossen Frieden
und haben
Die bitterbösen Worte erstickt
Und fest und tief
begraben.
Jetzt ist es wirklich recht fatal,
Daß wieder ein Zwist nothwendig.

O weh! die Worte von dazumal
Die werden nun wieder lebendig.

Die kommen nun erst in offnen Streit
Und fliegen auf alle Dächer;

Nun bringen wir sie in Ewigkeit
Nicht wieder in ihre Löcher.
Ich meine doch, so sprach er mal,
Die Welt ist recht pläsirlich.
Das
dumme Geschwätz von Schmerz und Qual
Erscheint mir ganz
ungebührlich.
Mit reinem kindlichem Gemüth
Genieß ich, was mir beschieden,

Und durch mein ganzes Wesen zieht
Ein himmlischer Seelenfrieden.
--
Kaum hat er diesen Spruch gethan,
Aujau! so schreit er kläglich.

Der alte hohle Backenzahn
Wird wieder mal unerträglich.
Es saßen einstens beieinand
Zwei Knaben, Fritz und Ferdinand.
Da
sprach der Fritz: Nun gib mal Acht,
Was ich geträumt vergangne
Nacht.
Ich stieg in einen schönen Wagen,
Der Wagen war mit Gold
beschlagen.
Zwei Englein spannten sich davor,
Die zogen mich
zum Himmelsthor.
Gleich kamst du auch und wolltest mit
Und
sprangest auf den Kutschentritt,
Jedoch ein Teufel schwarz und groß

Der nahm dich hinten bei der Hos
Und hat dich in die Höll
getragen.
Es war sehr lustig, muß ich sagen. --
So hübsch nun
dieses Traumgesicht,
Dem Ferdinand gefiel es nicht.
Schlapp!
schlug er Fritzen an das Ohr,
Daß er die Zippelmütz verlor.
Der
Fritz, der dies verdrießlich fand,
Haut wiederum den Ferdinand;

Und jetzt entsteht ein Handgemenge,
Sehr schmerzlich und von
großer Länge. --
So geht durch wesenlose Träume
Gar oft die
Freundschaft aus dem Leime.
Er stellt sich vor sein Spiegelglas
Und arrangirt noch dies und das.

Er dreht hinaus des Bartes Spitzen,
Sieht zu, wie seine Ringe blitzen,

Probirt auch mal, wie sich das macht,
Wenn er so herzgewinnend
lacht,

Uebt seines Auges Zauberkraft,
Legt die Cravatte musterhaft,

Wirft einen süßen Scheideblick
Auf sein geliebtes Bild zurück,


Geht dann hinaus zur Promenade
Umschwebt vom Dufte der Pomade,

Und ärgert sich als wie ein Stint,
Daß andre Leute eitel sind.
Wenn Alles sitzen bliebe,
Was wir in Haß und Liebe
So von
einander schwatzen;
Wenn Lügen Haare wären,
Wir wären rauh
wie Bären
Und hätten keine Glatzen.
Ein dicker Sack, -- den Bauer Bolte,
Der ihn zur Mühle tragen wollte,

Um auszuruhn, mal hingestellt
Dicht an ein reifes Aehrenfeld --

Legt sich in würdevolle Falten
Und fängt 'ne Rede an zu halten.
Ich,
sprach er, bin der volle Sack.
Ihr Aehren seid nur dünnes Pack.
Ich
bin's, der euch auf dieser Welt
In Einigkeit zusammenhält.
Ich bin's,
der hoch von Nöthen ist,
Daß euch das Federvieh nicht frißt;
Ich,
dessen hohe Fassungskraft
Euch schließlich in die Mühle schafft.

Verneigt euch tief, denn ich bin Der!
Was wäret ihr, wenn ich nicht
wär?
Sanft rauschen die Aehren:
Du wärst ein leerer Schlauch,
wenn wir nicht wären.
Wirklich, er war unentbehrlich!
Ueberall, wo was geschah
Zu dem
Wohle der Gemeinde,
Er war thätig, er war da.
Schützenfest, Kasinobälle,
Pferderennen, Preisgericht,
Liedertafel,
Spritzenprobe,
Ohne ihn da ging es nicht.
Ohne ihn war nichts zu machen,
Keine Stunde hatt' er frei.
Gestern,
als sie ihn begruben,
War er richtig auch dabei.
Sehr tadelnswerth ist unser Thun,
Wir sind nicht brav und bieder. --

Gesetzt den Fall, es käme nun
Die Sündfluth noch mal wieder.
Das wär ein Zappeln und Geschreck!
Wir tauchten alle unter;
Dann
kröchen wir wieder aus dem Dreck
Und wären, wie sonst, recht
munter.
Was ist die alte Mamsell Schmöle
Für eine liebe treue Seele!
Sie

spricht zu ihrer Dienerin:
Ach, Rieke, geh Sie da nicht hin!
Was
will Sie da im goldnen Löben
Heut Abend auf und nieder schweben?

Denn wedelt nicht bei Spiel und Tanz
Der Teufel fröhlich mit dem
Schwanz?
Und überhaupt, was ist es nütz?
Sie quält sich ab, Sie
kommt in Schwitz,
Sie geht hinaus, erkältet sich
Und hustet dann
ganz fürchterlich.
Drum bleibe Sie bei mir nur lieber!
Und, Rieke,
geh Sie mal hinüber
Und hole Sie von Kaufmann Fräse
Ein Viertel
guten Schweizerkäse,
Und sei sie aber ja ja ja
Gleich zur Minute
wieder da!
So ist die gute Mamsell Schmöle
Besorgt für Riekens
Heil der Seele.
Ja später noch, in stiller Nacht,
Ist sie auf diesen
Zweck bedacht
Und schleicht an Riekens Kammerthür
Und
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