Kampagne in Frankreich | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
angebotene Speise, sondern auch das selbstgebackene Brot verd?chtig wird, dessen innerer, schnell sich entwickelnder Schimmel ganz nat��rlichen Ursachen zuzuschreiben ist.
Es war den 1. September fr��h um acht Uhr, als das Bombardement aufh?rte, ob man gleich noch immerfort Kugeln hin��ber und her��ber wechselte. Besonders hatten die belagerten einen Vierundzwanzig-Pf��nder gegen uns gekehrt, dessen sparsame Sch��sse sie mehr zum Scherz als Ernst verwendeten.
Auf der freien H?he zur Seite der Weinberge, grad' im Angesicht dieses gr?bsten Gesch��tzes, waren zwei Husaren zu Pferd aufgestellt, um Stadt und Zwischenraum aufmerksam zu beobachten. Diese blieben die Zeit ihrer Postierung ��ber unangefochten. Weil aber bei der Abl?sung sich nicht allein die Zahl der Mannschaft vermehrte, sondern auch manche Zuschauer grad' in diesem Augenblick herbeiliefen und ein t��chtiger Klump Menschen zusammenkam, so hielten jene ihre Ladung bereit. Ich stand in diesem Augenblick mit dem R��cken dem ungef?hr hundert Schritt entfernten Husaren- und Volkstrupp zugekehrt, mich mit einem Freund besprechend, als auf einmal der grimmige, pfeifend-schmetternde Ton hinter mir hersauste, so dass ich mich auf dem Absatz herumdrehte, ohne sagen zu k?nnen, ob der Ton, die bewegte Luft, eine innere psychische, sittliche Anregung dieses Umkehren hervorgebracht. Ich sah die Kugel, weit hinter der auseinander gestobenen Menge, noch durch einige Z?une rikoschettieren. Mit gro?em Geschrei lief man ihr nach, als sie aufgeh?rt hatte, furchtbar zu sein; niemand war getroffen, und die Gl��cklichen, die sich dieser runden Eisenmasse bem?chtigt, trugen sie im Triumph umher.
Gegen Mittag wurde die Stadt zum zweiten Mal aufgefordert und erbat sich vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit. Diese nutzten auch wir, uns etwas bequemer einzurichten, um zu proviantieren, die Gegend umher zu bereiten, wobei ich denn nicht unterlie?, mehrmals zu der unterrichtenden Quelle zur��ckzukehren, wo ich meine Beobachtungen ruhiger und besonnener anstellen konnte; denn das Wasser war rein ausgefischt und hatte sich vollkommen klar und ruhig gesetzt, um das Spiel der niedersinkenden Fl?mmchen nach Lust zu wiederholen, und ich befand mich in der angenehmsten Gem��tsstimmung. Einige Ungl��cksf?lle versetzten uns wieder bald in Kriegszustand.
Ein Offizier von der Artillerie suchte sein Pferd zu tr?nken, der Wassermangel in der Gegend war allgemein; meine Quelle, an der er vorbei ritt, lag nicht flach genug, er begab sich nach der nahe flie?enden Maas, wo er an einem abh?ngigen Ufer versank: das Pferd hatte sich gerettet, ihn trug man tot vorbei.
Kurz darauf sah und h?rte man eine starke Explosion im ?sterreichischen Lager, an dem H��gel, zu dem wir hinaufsehen konnten; Knall und Dampf wiederholte sich einige Mal. Bei einer Bombenf��llung war durch Unvorsichtigkeit Feuer entstanden, das h?chste Gefahr drohte; es teilte sich schon gef��llten Bomben mit, und man hatte zu f��rchten, der ganze Vorrat m?cht ein die Luft gehen. Bald aber war die Sorge gestillt durch r��hmliche Tat kaiserlicher Soldaten, welche, die bedrohende Gefahr verachtend, Pulver und gef��llte Bomben aus dem Zeltraum eilig hinaustrugen.
So ging auch dieser Tag hin. Am andern Morgen ergab sich die Stadt und ward in Besitz genommen; sogleich aber sollte uns ein republikanischer Charakterzug begegnen. Der Kommandant Beaurepaire, bedr?ngt von der bedr?ngten B��rgerschaft, die bei fortdauerndem Bombardement ihre ganze Stadt verbrannt und zerst?rt sah, konnte die ��bergabe nicht l?nger verweigern; als er aber auf dem Rathaus in voller Sitzung seine Zustimmung gegeben hatte, zog er ein Pistole hervor und erschoss sich, um abermals ein Beispiel h?chster patriotischer Aufopferung darzustellen.
Nach dieser so schnellen Eroberung von Verdun zweifelte niemand mehr, dass wir bald dar��ber hinausgelangen und in Chalons und Epernay uns von den bisherigen Leiden an gutem Weine bestens erholen sollten. Ich lie? daher unges?umt die J?gerischen Karten, welche den Weg nach Paris bezeichneten, zerschneiden und sorgf?ltig aufziehen, auch auf die R��ckseite wei?es Papier kleben, wie ich es schon bei der ersten getan, um kurze Tagesbemerkungen fl��chtig aufzuzeichnen.

Den 3. September.
Fr��h hatte sich eine Gesellschaft zusammengefunden, nach der Stadt zu reiten, an die ich mich anschloss. Wir fanden gleich beim Eintritt gro?e fr��here Anstalten, die auf einen l?ngeren Widerstand hindeuteten: das Stra?enpflaster war in der Mitte durchaus aufgehoben und gegen die H?user angeh?uft; das feuchte Wetter machte deshalb das Umherwandeln nicht erfreulich. Wir besuchten aber sogleich die namentlich ger��hmten L?den, wo der beste Lik?r aller Art zu haben war. Wir probierten ihn durch und versorgten uns mit mancherlei Sorten. Unter andern war einer namens Baume humain, welcher, weniger s��?, aber st?rker, ganz besonders erquickte. Auch die Drageen, ��berzuckerte kleine Gew��rzk?rner in saubern, zylindrischen Deuten, wurden nicht abgewiesen. Bei so vielem Guten gedachte man nun der lieben Zur��ckgelassenen, denen dergleichen am friedlichen Ufer der Ilm gar wohl behagen m?chte. Kistchen wurden gepackt; gef?llige, wohlwollende Kuriere, das bisherige Kriegsgl��ck in Deutschland zu melden beauftragt, waren geneigt, sich mit einigem Gep?ck dieser Art zu belasten, wodurch sich denn die Freundinnen zu Hause in h?chster Beruhigung ��berzeugen mochten, dass wir in einem Land wallfahrteten, wo Geist und S��?igkeit niemals ausgehen d��rfen.
Als wir nun darauf die teilweise verletzte und verw��stete Stadt beschauten, waren wir veranlasst, die Bemerkung zu wiederholen: dass
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