Mitternacht fing das Bombardement an, sowohl von der Batterie 
auf unserm rechten Ufer als von einer andern auf dem linken, welche, 
näher gelegen und mit Brandraketen spielend, die stärkste Wirkung 
hervorbrachte. Diese geschwänzten Feuermeteore musste man denn 
ganz gelassen durch die Luft fahren und bald darauf ein Stadtquartier in 
Flammen sehen. Unsere Ferngläser, dorthin gerichtet, gestatteten uns, 
auch dieses Unheil im einzelnen zu betrachten; wir konnten die 
Menschen erkennen, die sich oben auf den Mauern dem Brand Einhalt 
zu tun eifrig bemühten, wir konnten die frei stehenden, 
zusammenstürzenden Gesparre bemerken und unterscheiden. Dieses 
alles geschah in Gesellschaft von Bekannten und Unbekannten, wobei 
es unsägliche, oft widersprechende Bemerkungen gab und gar 
verschiedene Gesinnungen geäußert wurden. Ich war in eine Batterie 
getreten, die eben gewaltsam arbeitete, allein der fürchterlich 
dröhnende Klang abgefeuerter Haubitzen fiel meinem friedlichen Ohr 
unerträglich: ich musste mich bald entfernen. Da traf ich auf den 
Fürsten Reuß den XI., der mir immer ein freundlicher, gnädiger Herr 
gewesen. Wir gingen hinter Weinbergsmauern hin und her, durch sie 
geschützt vor den Kugeln, welche heraus zu senden die Belagerten 
nicht faul waren. Nach mancherlei politischen Gesprächen, die uns 
denn freilich nur in ein Labyrinth von Hoffnungen und Sorgen 
verwickelten, fragte mich der Fürst, womit ich mich gegenwärtig 
beschäftige, und war sehr verwundert, als ich, anstatt von Tragödien 
und Romanen zu vermelden, aufgeregt durch die heutige 
Refraktionserscheinung, von der Farbenlehre mit großer Lebhaftigkeit
zu sprechen begann. Denn es ging mir mit diesen Entwickelungen 
natürlicher Phänomene wie mit Gedichten: ich machte sie nicht, 
sondern sie machten mich. Das einmal erregte Interesse behauptete sein 
Recht, die Produktion ging ihren Gang, ohne sich durch 
Kanonenkugeln und Feuerballen im mindesten stören zu lassen. Der 
Fürst verlangte, dass ich ihm fasslich machen sollte, wie ich in dieses 
Feld geraten? Hier gereichte mir nun der heutige Fall zu besonderem 
Nutzen und Frommen. 
Bei einem solchen Mann bedurft' es nicht vieler Worte, um ihn zu 
überzeugen, dass ein Naturfreund, der sein Leben gewöhnlich im 
Freien, es sei nun im Garten, auf der Jagd, reisend oder durch Feldzüge 
durchführt, Gelegenheit und Muße genug finde, die Natur im großen zu 
betrachten und sich mit den Phänomenen aller Art bekannt zu machen. 
Nun bieten aber atmosphärische Luft, Dünste, Regen, Wasser und Erde 
uns immerfort abwechselnde Farberscheinungen, und zwar unter so 
verschiedenen Bedingungen und Umständen, dass man wünschen 
müsse, solche bestimmter kennen zu lernen, sie zu sondern, unter 
gewisse Rubriken zu bringen, ihre nähere und fernere Verwandtschaft 
auszuforschen. Hierdurch gewinne man nun in jedem Fach neue 
Ansichten, unterschieden von der Lehre der Schule und von gedruckten 
Überlieferungen. Unsere Altväter hätten, begabt mit großer Sinnlichkeit, 
vortrefflich gesehen, jedoch ihre Beobachtungen nicht fort- und 
durchgesetzt; am wenigsten sei ihnen gelungen, die Phänomene wohl 
zu ordnen und unter die rechten Rubriken zu bringen. 
Dergleichen war abgehandelt, als wir den feuchten Rasen hin und her 
gingen; ich setze, aufgeregt durch Fragen und Einreden, meine Lehre 
fort, als die Kälte des einbrechenden Morgens uns an ein Biwak der 
Österreicher trieb, welches, die ganze Nacht unterhalten, einen 
ungeheueren wohltätigen Kohlenkreis darbot. Eingenommen von 
meiner Sache, mit der ich mich erst seit zwei Jahren beschäftigte und 
die also noch in einer frischen, unreifen Gärung begriffen war, hätte ich 
kaum wissen können, ob der Fürst mir auch zugehört, wenn er nicht 
einsichtige Worte dazwischen gesprochen und zum Schluss meinen 
Vortrag wieder aufgenommen und beifällige Aufmunterung gegönnt 
hätte.
Wie ich denn immer bemerkt habe, dass mit Geschäfts- und Weltleuten, 
die sich gar vielerlei aus dem Stegreif müssen vortragen lassen und 
deshalb immer auf ihrer Hut sind, um nicht hintergangen zu werden, 
viel besser auch in wissenschaftlichen Dingen zu handeln ist, weil sie 
den Geist frei halten und dem Referenten aufpassen, ohne weiteres 
Interesse als eigene Aufklärungen; da Gelehrte hingegen gewöhnlich 
nichts hören, als was sie gelernt und gelehrt haben und worüber sie mit 
ihresgleichen übereingekommen sind. In die Stelle des Gegenstandes 
setzt sich ein Wort-Kredo, bei welchem denn so gut zu verharren ist als 
bei irgendeinem andern. 
Der Morgen war frisch, aber trocken; wir gingen, teils gebraten, teils 
erstarrt, wieder auf und ab und shaen an den Weinbergsmauern sich auf 
einmal etwas regen. Es war ein Pikett Jäger, das die Nacht da 
zugebracht hatte, nun aber Büchse und Tornister wieder aufnahm, 
hinab in die niedergebrannten Vorstädte zog, um von da aus die Wälle 
zu beunruhigen. Einem wahrscheinlichen Tod entgegengehend, sangen 
sie sehr libertine Lieder, in dieser Lage vielleicht verzeihbar. 
Kaum verließen sie die Stätte, als ich auf der Mauer, an der sie geruht, 
ein sehr auffallendes geologisches Phänomen zu bemerken glaubte: ich 
sah auf dem von Kalkstein errichteten weißen Mäuerchen ein Gesims 
von hellgrünen Steinen völlig von der Farbe des Jaspis und war 
höchlich betroffen, wie mitten in diesen Kalkflözen eine so 
merkwürdige Steinart in solcher Menge sich sollte gefunden haben. 
Auf die eigenste Weise ward ich jedoch entzaubert, als ich, auf das 
Gespenst losgehend,    
    
		
	
	
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