war. Nur verändert die neue Praxis des Marktes die Dauer von 
Marktzyklen und die Geschwindigkeit geschäftlicher Transaktionen. 
Das Feilschen auf einem Basar erfordert Zeit, digitale Transaktionen 
mit Hilfe von entsprechenden Programmen sind abgeschlossen, bevor 
irgend jemand ihre Folgen kalkulieren kann. 
Regulierungsmechanismen können die Dynamik solcher 
Vermittlungsabläufe beeinflussen. 
Die Sprache des Marktes 
Zeichen vermitteln zwischen dem auf dem Markt repräsentierten 
Gegenstand und dem Interpretant bzw. dem 
Interpretationsvorgang--den Menschen also, die sich im 
Interpretationsprozeß, Bedürfniserfüllung eingeschlossen, konstituieren. 
Jeder Markt, gleich welchen Typus, ist ein Vermittlungsraum. Die 
Unterschiede zwischen den verschiedenen Markttypen (Tauschhandel, 
Wochenmärkte und Lebensmittelmessen, stark regulierte Märkte, 
sogenannte freie Märkte, Untergrundmärkte) liegen nicht so sehr im 
Produkt oder im Produktionsprozeß, sondern im jeweiligen 
Vermittlungstypus. Dabei spielt die jeweilige dynamische Struktur des 
Marktes eine besondere Rolle. 
Gegenstände (Sachen, Geld, Gedanken, Abläufe), die Sprache, in der 
der Gegenstand ausgedrückt wird, und die zum Abschluß oder 
Mißerfolg führende Interpretation sind die drei strukturalen Invariablen, 
die jedem sozioökonomischen Umfeld zu eigen sind. Im sogenannten
freien Markt (der mehr ein abstrakter Begriff als eine Wirklichkeit ist) 
und in strengen Formen der Planwirtschaft sind die Beziehungen 
zwischen den drei Elementen variabel, nicht aber die Elemente selbst. 
In einem konkreten Zusammenhang kann der Interpretationsprozeß 
nachhaltig durch die Assoziationen zwischen einem Produkt und seinen 
Darstellungsformen beeinflußt werden. 
Zahlreiche Dokumente der Sprachgeschichte zeugen von den 
Handelsbeziehungen des Menschen, von den einfachen bis zu den sehr 
komplexen Formen. Besitzverhältnisse und Besitzmerkmale werden 
ebenso versprachlicht wie die Veränderungen von Wechselkursen und 
des sich durch die Marktabläufe stets erweiternden Lebenshorizonts. 
Aus diesem Zusammenhang sind die ersten schriftlichen Dokumente 
überliefert; sie unterstützen unsere These, daß die für eine begrenzte 
Skala des Werteaustausches charakteristischen Marktabläufe die Wiege 
für Notation, Schrift und Schriftkultur darstellten. 
Die enorme Komplexität der Marktmaschinerie ist durch eine Dynamik 
gekennzeichnet, die ab einem bestimmten Entwicklungsstadium nicht 
mehr durch die Gesetze und Erwartungen der Schriftkultur in den Griff 
zu bekommen war. Marktabläufe unterliegen einer Form der 
Selbstorganisation, die durch viele Parameter gesteuert wird; einige 
von ihnen können wir kontrollieren, andere entziehen sich unserem 
direkten Einfluß. Zunehmend wird diese Dynamik von spezialisierten 
Sondersprachen unterstützt, die den praktischen Kontext für neue 
Typen der Transaktion liefern. Netconomy war ursprünglich ein aus net, 
network und economy zusammengesetztes Modewort. In weniger als 
einem Jahr setzte es sich als geläufiger Begriff für eine neue Form des 
Marktes durch, der mit einer außerordentlichen Effizienz immer 
größere Teile der Weltwirtschaft für sich vereinnahmte. Die Folgen 
dieser Netconomy wirken sich auch jeweils vor Ort aus. Traditionelle 
Distributionskanäle können sich erübrigen, Wirtschaftszyklen werden 
beschleunigt und Preise gesenkt. In den virtuellen Geschäften der 
Netconomy werden heute schon Computer, Autos, Software und 
juristische Dienstleistungen in großem Umfang abgewickelt. 
Wir wollen uns nun dem Marktprozeß als Zeichenprozeß in allen
seinen Aspekten zuwenden. Indem die Menschen Waren darbieten, so 
hatten wir gesagt, bieten sie sich selber dar. Die verschiedenen 
Eigenschaften des Produktes (Farbe, Geruch, Textur, Stil, Design usw.) 
wie auch die Qualitäten seiner Darbietung (Werbung, Verpackung, 
Ähnlichkeit zu anderen Produkten) und damit zusammenhängende 
Eigenschaften (Prestige, Ideologie) gehören zu den Komponenten 
dieses Vorgangs. Bisweilen ist der Gegenstand an sich--ein neues 
Kleidungsstück, Werkzeug, Haus, Getränk--weniger wichtig als das 
"Image", das er besitzt. Sekundäre Funktionen wie Schönheit, 
Vergnügen oder Anpassung überlagern die primäre Funktion der 
Bedürfnisbefriedigung. Im Zeichenprozeß des Marktes erweist sich 
eine derart motivierte Sehnsucht nach einem Produkt als mindestens 
ebenso wichtig wie das tatsächliche Bedürfnis. In einem großen Teil 
unserer Welt ist Selbstkonstituierung nicht mehr länger eine Frage des 
Überlebenstriebs, sondern eine Frage des Vergnügens. Je höher in 
einem Kontext des dekadenten Überflusses die semiotische Ebene des 
Marktes liegt, desto bedeutungsloser wird das Marktgesetz der 
lebensnotwendigen Bedürfnisbefriedigung. 
Die auf Lebenserhaltung abzielende menschliche Tätigkeit 
unterscheidet sich erheblich von jenen Tätigkeiten, die zu einem 
Überschuß führen und dementsprechend für den Handel auf dem Markt 
zur Disposition stehen. Überschuß und Tausch, die durch die 
landwirtschaftliche Tätigkeit ermöglicht wurden, hatten die Skala der 
menschlichen Tätigkeiten erweitert und Zeichen, Zeichensysteme und 
schließlich Sprache erforderlich gemacht. Überschüsse können 
vielfältig genutzt werden. Hierfür waren Zeichen und später die 
Differenzierungsformen der Sprache nötig. Rituale, Schmuck, Krieg, 
Religion, Akkumulationstechniken und Mittel der Überredung sind 
Beispiele für solche Ausdifferenzierungen. Alle diese Verwendungen 
sind charakteristisch für Interaktionsformen zwischen Menschen, die 
sich als Siedler niedergelassen haben, und sie brachten Produkte hervor, 
die mehr waren als materielle Konsumgüter. Sie waren allesamt 
Projektionen individueller Selbstkonstituierung. 
Jedes Produkt geht aus einem Zyklus von Entwicklung, Herstellung, 
Handel und dem daran geknüpften Verständnis von Nützlichkeit und
Dauerhaftigkeit hervor. Als die rudimentären Formen von Schreiben 
und Lesen, später die hochentwickelten Formen der Schriftkultur am 
Markt teilhatten, waren die Möglichkeiten dafür geschaffen, die über 
die unmittelbaren Bedürfnisse der Lebenserhaltung hinausgehenden 
Produkte so zu verwenden, daß weitere Überschüsse erzeugt werden 
konnten. Der Markt der Handelsgüter, der Dienstleistungen, der 
Sklaven und der Ideen wurde ergänzt durch den Markt der bezahlten 
Arbeitskräfte, die sich, wie die römischen Soldaten, das Geld für ihren 
Lebensunterhalt verdienten. Diese neue Kategorie Mensch setzt sich in 
einen pragmatischen    
    
		
	
	
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