Japanische Märchen | Page 2

Karl Alberti
Schlaf verfallen; aber der Jüngere konnte kein Auge schlie?en, denn das Heulen, Brausen, Rauschen und Krachen war unheimlich und das H?uschen erzitterte in allen Fugen.
Pl?tzlich gab es einen fürchterlichen Schlag, als wollte der Sturm das Haus zertrümmern, die Tür sprang auf und ein eisiger Wind mit einer riesigen Schneewolke drang herein. Entsetzt starrte Teramichi auf die Wolke, denn diese bewegte sich auf und ab und nahm endlich menschliche Gestalt an, die Gestalt einer Frau in wei?em Gewande und wandte sich zu der Stelle, wo Nishikaze schlief; dort beugte sie sich zu dem Schl?fer nieder, ihrem Munde entstr?mte ein wei?er Nebel, der sich auf das Gesicht des Mannes ausbreitete, dann richtete sie sich auf und kam auf Teramichi zu, der, unf?hig ein Glied zu rühren, die Augen angstvoll weit ge?ffnet hielt. Dicht vor ihm angekommen neigte sie sich nahe auf sein Gesicht und sah ihn ein Weilchen ruhig an; dann sprach sie leise, ihre Stimme war wie ein Hauch und ihr Gesicht nahm freundlichere Züge an: ?Deinen Kameraden habe ich get?tet, wie alles, das in mein Bereich kommt. Auch du solltest sein Los teilen, doch bist du noch kein Mann und hast noch nicht gelebt. Drum sei verschont! Doch diese Schonung wird dir nur so lange Zeit, als du schweigen kannst. Kommt auch nur ein Wort von dem über deine Lippen, was du hier erlebtest, -- sei es zu wem es wolle, nicht Vater, nicht Mutter, nicht Weib noch Kind, niemand, h?rst du, niemand darf erfahren, was hier geschah, -- so treffe ich dich, wo es auch sei! Denke daran!?
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Nach diesen Worten schwebte sie langsam empor und verschwand durch die Tür.
Jetzt wich der Bann von dem jungen Manne, er sprang auf, eilte zur Tür und verschlo? sie fest. Dann wandte er sich zu seinem Kameraden und rief ihn an; doch dieser rührte sich nicht, er war steif und starr, er war tot, sein Gesicht verkl?rte ein glückliches L?cheln. Endlich lie? der Sturm nach und der Morgen brach an und der F?hrmann, der nun zurückkehrte, fand beide M?nner in seinem H?uschen und hielt sie für tot, für erfroren; doch als er sie aufhob, tat Teramichi einen tiefen Seufzer, schlug die Augen auf und kam bald wieder zu sich, w?hrend Nishikaze tot blieb und begraben wurde.
Der junge Mann aber ging wieder seinem Berufe nach und wanderte tagt?glich in den Wald, erz?hlte niemand sein Abenteuer, das er mit der Schneefrau, denn eine solche war es, wie ihm zur Gewi?heit wurde, hatte. So gingen zwei Jahre dahin.
Als er eines Abends nach vollbrachtem Tagewerk wieder heimw?rts wanderte, begegnete ihm ein junges hübsches M?dchen, das ihm so gefiel, da? er sich in ein Gespr?ch einlie?. Das M?dchen erz?hlte ihm, da? es Waise sei und zu entfernt wohnenden Verwandten wandern wolle, wo es hoffe aufgenommen zu werden.
Als das Paar nahe dem Dorfe war, in dem Teramichi wohnte, sprach dieser zu dem M?dchen:
?Es ist jetzt Abend und kalt und die Wege sind unsicher; komm mit in meine armselige Hütte und nimm teil an dem bescheidenen Mahle, das meine Mutter bereitet hat! Ruhe dich dann aus und so du willst, kannst du morgen früh deine Wanderung fortsetzen!?
Das M?dchen, das sich ?Juki? nannte, nahm dies Anerbieten an und begleitete den jungen Mann in sein Haus, wo die Mutter ihm eine freundliche Aufnahme bereitete. Als es sich ausgeruht hatte und am andern Morgen sich wieder auf den Weg machen wollte, bat die Mutter, es m?ge doch noch einige Tage bleiben und wenn es niemand in der Welt habe, der es erwarte, so m?ge es bleiben, so lang es wolle und ihr etwas zur Hand gehen, da sie selbst schon alt sei und sich schon l?ngst eine Stütze im Hause gewünscht habe. Da auch Teramichi, der zu dem M?dchen in hei?er Liebe entbrannt war, sich den Bitten seiner Mutter anschlo?, so schlug es ein und blieb im Hause.
Wie es nun so geht, wenn ein Mann einem M?dchen mit reiner Liebe zugetan, da? das M?dchen schlie?lich auch Liebe empfindet, so war es auch hier und es dauerte nicht lange Zeit, so hatten sich beide ihre Liebe erkl?rt und Teramichi und Juki wurden ein Paar.
Juki war stets eine brave Frau und verehrte ihre Schwiegermutter in kindlicher Liebe bis diese starb; dann widmete sie sich nur ihrem Manne und ihren Kindern, von denen sie im Laufe der Jahre ihrem Gatten zehn geschenkt hatte. Die Kinder blühten und gediehen und wuchsen heran; keine Krankheit, kein Unglück st?rte den Frieden und das Glück dieser Ehe, die jedermann als die beste im ganzen Lande pries.
Als ganz besonderes Wunder aber wurde erw?hnt, da? Juki immer jung aussah, immer blühend und in voller Kraft war und man keinerlei Spuren des Alterns bei ihr wahrnehmen konnte. So vergingen die Jahre, als eines Abends im Winter, als das Paar im traulichen Zwiegespr?ch beisammensa?, wieder einmal ein furchtbarer Schneesturm losbrach. Der Mann erschauerte, indem
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