Hermann und Dorothea | Page 4

Johann Wolfgang von Goethe
sie. Nun liegt, neugeboren, das Kind ihr nackend im Arme, Und mit wenigem nur verm?gen die Unsern zu helfen, Wenn wir im n?chsten Dorf, wo wir heute zu rasten gedenken, Auch sie finden, wiewohl ich f��rchte, sie sind schon vor��ber. W?r' Euch irgend von Leinwand nur was Entbehrliches, wenn Ihr Hier aus der Nachbarschaft seid, so spendet's g��tig den Armen."
Also sprach sie, und matt erhob sich vom Strohe die bleiche W?chnerin, schaute nach mir; ich aber sagte dagegen: "Guten Menschen f��rwahr spricht oft ein himmlischer Geist zu, Da? sie f��hlen die Not, die dem armen Bruder bevorsteht; Denn so gab mir die Mutter, im Vorgef��hle von eurem Jammer, ein B��ndel, sogleich es der nackten Notdurft zu reichen." Und ich l?ste die Knoten der Schnur und gab ihr den Schlafrock Unsers Vaters dahin, und gab ihr Hemden und Leintuch. Und sie dankte mit Freuden und rief: "Der Gl��ckliche glaubt nicht, Da? noch Wunder geschehn; denn nur im Elend erkennt man Gottes Hand und Finger, der gute Menschen zum Guten Leitet. Was er durch Euch an uns tut, tu er Euch selber." Und ich sah die W?chnerin froh die verschiedene Leinwand, Aber besonders den weichen Flanell des Schlafrocks bef��hlen. "Eilen wir", sagte zu ihr die Jungfrau, "dem Dorf zu, in welchem Unsre Gemeine schon rastet und diese Nacht durch sich aufh?lt; Dort besorg ich sogleich das Kinderzeug, alles und jedes." Und sie gr��?te mich noch und sprach den herzlichsten Dank aus, Trieb die Ochsen; da ging der Wagen. Ich aber verweilte, Hielt die Pferde noch an; denn Zwiespalt war mir im Herzen, Ob ich mit eilenden Rossen das Dorf erreichte, die Speisen Unter das ��brige Volk zu spenden, oder sogleich hier Alles dem M?dchen g?be, damit sie es weislich verteilte. Und ich entschied mich gleich in meinem Herzen und fuhr ihr Sachte nach und erreichte sie bald und sagte behende: "Gutes M?dchen, mir hat die Mutter nicht Leinwand alleine Auf den Wagen gegeben, damit ich den Nackten bekleide, Sondern sie f��gte dazu noch Speis' und manches Getr?nke, Und es ist mir genug davon im Kasten des Wagens. Nun bin ich aber geneigt, auch diese Gaben in deine Hand zu legen, und so erf��ll ich am besten den Auftrag; Du verteilst sie mit Sinn, ich m��?te dem Zufall gehorchen." Drauf versetzte das M?dchen: "Mit aller Treue verwend ich Eure Gaben; der D��rftige soll sich derselben erfreuen." Also sprach sie. Ich ?ffnete schnell die Kasten des Wagens, Brachte die Schinken hervor, die schweren, brachte die Brote, Flaschen Weines und Biers, und reicht' ihr alles und jedes. Gerne h?tt' ich noch mehr ihr gegeben; doch leer war der Kasten. Alles packte sie drauf zu der W?chnerin F��?en und zog so Weiter; ich eilte zur��ck mit meinen Pferden der Stadt zu."
Als nun Hermann geendet, da nahm der gespr?chige Nachbar Gleich das Wort und rief: "O gl��cklich, wer in den Tagen Dieser Flucht und Verwirrung in seinem Haus nur allein lebt, Wem nicht Frau und Kinder zur Seite bange sich schmiegen! Gl��cklich f��hl ich mich jetzt; ich m?cht' um vieles nicht heute Vater hei?en und nicht f��r Frau und Kinder besorgt sein. ?fters dacht' ich mir auch schon die Flucht und habe die besten Sachen zusammengepa?t, das alte Geld und die Ketten Meiner seligen Mutter, das alles noch heilig verwahrt liegt. Freilich bliebe noch vieles zur��ck, das so leicht nicht geschafft wird. Selbst die Kr?uter und Wurzeln, mit vielem Flei?e gesammelt, Mi?t' ich ungern, wenn auch der Wert der Ware nicht gro? ist. Bleibt der Provisor zur��ck, so geh ich getr?stet von Hause. Hab ich die Barschaft gerettet und meinen K?rper, so hab ich Alles gerettet; der einzelne Mann entfliehet am leichtsten."
"Nachbar", versetzte darauf der junge Hermann mit Nachdruck, "Keinesweges denk ich wie Ihr und tadle die Rede. Ist wohl der ein w��rdiger Mann, der im Gl��ck und im Ungl��ck Sich nur allein bedenkt und Leiden und Freuden zu teilen Nicht verstehet und nicht dazu von Herzen bewegt wird? Lieber m?cht' ich als je mich heute zur Heirat entschlie?en; Denn manch gutes M?dchen bedarf des sch��tzenden Mannes Und der Mann des erheiternden Weibs, wenn ihm Ungl��ck bevorsteht."
L?chelnd sagte darauf der Vater: "So h?r ich dich gerne! Solch ein vern��nftiges Wort hast du mir selten gesprochen."
Aber es fiel sogleich die gute Mutter behend ein: "Sohn, f��rwahr! du hast recht; wir Eltern gaben das Beispiel. Denn wir haben uns nicht an fr?hlichen Tagen erw?hlet, Und uns kn��pfte vielmehr die traurigste Stunde zusammen. Montag morgens--ich wei? es genau, denn Tages vorher war Jener schreckliche Brand, der unser St?dtchen verzehrte--Zwanzig Jahre sind's nun; es war ein Sonntag wie heute, Hei? und trocken die Zeit und wenig Wasser im Orte. Alle Leute waren, spazierend in festlichen Kleidern, Auf den D?rfern verteilt und in den Schenken und M��hlen. Und am Ende der Stadt begann das Feuer. Der Brand lief Eilig die Stra?en hindurch,
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