und Euryalus vor Augen gehabt zu haben. So wie Virgil in 
diesen die Stärke der Freundschaft geschildert hatte, wollte Tasso in 
jenen die Stärke der Liebe schildern. Dort war es heldenmütiger 
Diensteifer, der die Probe der Freundschaft veranlaßte: hier ist es die 
Religion, welche der Liebe Gelegenheit gibt, sich in aller ihrer Kraft zu 
zeigen. Aber die Religion, welche bei dem Tasso nur das Mittel ist, 
wodurch er die Liebe so wirksam zeiget, ist in Cronegks Bearbeitung 
das Hauptwerk geworden. Er wollte den Triumph dieser in den 
Triumph jener veredeln. Gewiß, eine fromme Verbesserung--weiter 
aber auch nichts, als fromm! Denn sie hat ihn verleitet, was bei dem 
Tasso so simpel und natürlich, so wahr und menschlich ist, so 
verwickelt und romanenhaft, so wunderbar und himmlisch zu machen, 
daß nichts darüber! 
Beim Tasso ist es ein Zauberer, ein Kerl, der weder Christ noch 
Mahomedaner ist, sondern sich aus beiden Religionen einen eigenen 
Aberglauben zusammengesponnen hat, welcher dem Aladin den Rat 
gibt, das wundertätige Marienbild aus dem Tempel in die Moschee zu 
bringen. Warum machte Cronegk aus diesem Zauberer einen 
mahomedanischen Priester? Wenn dieser Priester in seiner Religion 
nicht ebenso unwissend war, als es der Dichter zu sein scheinet, so 
konnte er einen solchen Rat unmöglich geben. Sie duldet durchaus 
keine Bilder in ihren Moscheen. Cronegk verrät sich in mehrern 
Stücken, daß ihm eine sehr unrichtige Vorstellung von dem 
mahomedanischen Glauben beigewohnet. Der gröbste Fehler aber ist, 
daß er eine Religion überall des Polytheismus schuldig macht, die fast 
mehr als jede andere auf die Einheit Gottes dringet. Die Moschee heißt 
ihm "ein Sitz der falschen Götter", und den Priester selbst läßt er
ausrufen: 
"So wollt ihr euch noch nicht mit Rach' und Strafe rüsten, Ihr Götter? 
Blitzt, vertilgt das freche Volk der Christen!" 
Der sorgsame Schauspieler hat in seiner Tracht das Kostüm, vom 
Scheitel bis zur Zehe, genau zu beobachten gesucht; und er muß solche 
Ungereimtheiten sagen! 
Beim Tasso kömmt das Marienbild aus der Moschee weg, ohne daß 
man eigentlich weiß, ob es von Menschenhänden entwendet worden, 
oder ob eine höhere Macht dabei im Spiele gewesen. Cronegk macht 
den Olint zum Täter. Zwar verwandelt er das Marienbild in "ein Bild 
des Herrn am Kreuz"; aber Bild ist Bild, und dieser armselige 
Aberglaube gibt dem Olint eine sehr verächtliche Seite. Man kann ihm 
unmöglich wieder gut werden, daß er es wagen können, durch eine so 
kleine Tat sein Volk an den Rand des Verderbens zu stellen. Wenn er 
sich hernach freiwillig dazu bekennet: so ist es nichts mehr als 
Schuldigkeit, und keine Großmut. Beim Tasso läßt ihn bloß die Liebe 
diesen Schritt tun; er will Sophronien retten, oder mit ihr sterben; mit 
ihr sterben, bloß um mit ihr zu sterben; kann er mit ihr nicht ein Bette 
besteigen, so sei es ein Scheiterhaufen; an ihrer Seite, an den nämlichen 
Pfahl gebunden, bestimmt, von dem nämlichen Feuer verzehret zu 
werden, empfindet er bloß das Glück einer so süßen Nachbarschaft, 
denket an nichts, was er jenseit dem Grabe zu hoffen habe, und 
wünschet nichts, als daß diese Nachbarschaft noch enger und vertrauter 
sein möge, daß er Brust gegen Brust drücken und auf ihren Lippen 
seinen Geist verhauchen dürfe. 
Dieser vortreffliche Kontrast zwischen einer lieben, ruhigen, ganz 
geistigen Schwärmerin und einem hitzigen, begierigen Jünglinge ist 
beim Cronegk völlig verloren. Sie sind beide von der kältesten 
Einförmigkeit; beide haben nichts als das Märtertum im Kopfe; und 
nicht genug, daß er, daß sie für die Religion sterben wollen; auch 
Evander wollte, auch Serena hätte nicht übel Lust dazu. 
Ich will hier eine doppelte Anmerkung machen, welche, wohl behalten, 
einen angehenden tragischen Dichter vor großen Fehltritten bewahren
kann. Die eine betrifft das Trauerspiel überhaupt. Wenn heldenmütige 
Gesinnungen Bewunderung erregen sollen: so muß der Dichter nicht zu 
verschwenderisch damit umgehen; denn was man öfters, was man an 
mehrern sieht, höret man auf zu bewundern. Hierwider hatte sich 
Cronegk schon in seinem "Kodrus" sehr versündiget. Die Liebe des 
Vaterlandes, bis zum freiwilligen Tode für dasselbe, hätte den Kodrus 
allein auszeichnen sollen: er hätte als ein einzelnes Wesen einer ganz 
besondern Art dastehen müssen, um den Eindruck zu machen, welchen 
der Dichter mit ihm im Sinne hatte. Aber Elesinde und Philaide, und 
Medon, und wer nicht? sind alle gleich bereit, ihr Leben dem 
Vaterlande aufzuopfern; unsere Bewunderung wird geteilt, und Kodrus 
verlieret sich unter der Menge. So auch hier. Was in "Olint und 
Sophronia" Christ ist, das alles hält gemartert werden und sterben für 
ein Glas Wasser trinken. Wir hören diese frommen Bravaden so oft, aus 
so verschiedenem Munde, daß sie alle Wirkung verlieren. 
Die zweite Anmerkung betrifft das christliche Trauerspiel insbesondere. 
Die Helden desselben sind mehrenteils Märtyrer. Nun leben wir zu 
einer Zeit, in welcher die Stimme der gesunden Vernunft zu laut 
erschallet, als daß jeder Rasender, der sich mutwillig, ohne alle Not, 
mit Verachtung aller seiner bürgerlichen Obliegenheiten in den Tod 
stürzet,    
    
		
	
	
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