Grevinde

Hermann Heiberg
Grevinde, by Hermann Heiberg

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Title: Grevinde
Author: Hermann Heiberg
Release Date: May 6, 2004 [EBook #12273]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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Grevinde
Roman
von Hermann Heiberg
Berlin

Endlich, nach langer, heißstaubiger Fahrt hielt die Postkutsche, und mit
den rauh betonten Worten:
"Hier geht's nach Schloß Rankholm--" öffnete der Schwager den
Wagenschlag und bedeutete einem darin sitzenden Herrn, daß er
ansteigen müsse. Und während dieser, ein junger, vornehm ansehender
Mann seiner Aufforderung folgte, wandte sich derselbe Postillon zu
dem Gepäckkasten, riß des Reisenden Koffer heraus, stieß ihn unsanft
auf den Erdboden und ließ ihn dort liegen.
Und als der Fahrgast, Graf Axel Dehn, ein Wort über Wegrichtung und
Weiterbeförderung seines Gepäcks hinwarf, setzte er statt zu antworten,
die Finger an den Mund und ließ in der Richtung eines von Knicken
eingefaßten Seitenweges dreimal hintereinander einen scharfschrillen
Pfiff ertönen.
Alsbald erschien ein alter, gebückt gehender Mann oben an der
Biegung des Pfades, erhob mit phlegmatischer Bewegung die Hand
zum Zeichen, daß er gehört habe, und näherte sich mit derselben
Gemächlichkeit dem seiner Wartenden.
"Denne Mand besorger alt--" warf der sich nunmehr erst wieder zu
Worten anfragende mundfaule Rosselenker hin, nickte obenhin und
schritt mit einem mürrischen Ausdruck das ihm gebotene Trinkgeld
wegsteckend, dem Wagen mit den beiden Braunen zu. Alsdann
schwang er sich abermals auf den Bock und hieb, nunmehr taktmäßig
mit der Peitsche ausholend, auf die dann auch rasch im Staub der
Landstraße verschwindenden Gäule ein.
"Wie weit ist's noch nach dem Schloß?" warf Graf Dehn, während sich
der Alte, nach ehrerbietiger Verneigung, den schweren Koffer auf die
Schultern packte, hin.
"Saa omtrent ti Minuter!" (So ungefähr zehn Minuten) gab der Alte, in
auffallend plattem Dänisch sprechend, zurück.
Und dann setzen sie sich in Bewegung, und je mehr sie sich dem

zwischen mächtigen Parkbäumen hervorschimmernden Rankholmer
Schloß näherten, desto unfreier wurde dem jungen Fremden zu Mute.
Schon als Knabe hatte er von seinen Eltern von dieser großen,
dänischen Besitzung vernommen und jedesmal mit einem Gefühl der
Beklemmung zugehört. So viel Absonderliches und Unheimliches hatte
sich in den dunklen Prachtsälen, den verschwiegenen Kemenaten, den
dickwandigen Turmzimmern und Fremdengemächern, aber auch auf
den versteckten Treppen dieses seit Jahrhunderten bestehenden und
allezeit in dem Besitz der Grafen Lavard befindlich gewesenen
Schlosses abgespielt! Ein wild trotziges Geschlecht hatte dort gehaust,
um Erbschaften, Geld und schöne Frauen Ränke geschmiedet und sich
nicht selten ingrimmig angefeindet.
Die Frau des nunmehrigen alleinigen Besitzers, des Grafen Lavard, war
eine Französin aus vornehmem Geschlecht! Er hatte die sehr begüterte
Vikomtesse von Verdeuil bei seiner Anwesenheit in Paris auf einem
Balle beim dänischen Gesandten vor zwanzig Jahren als
fünfzehnjähriges Mädchen kennen gelernt, und sie war ihm, mit einem
schwermütigem Verzicht auf die unvergleichbaren Reize ihrer Heimat,
hierher in die einsame nordische Welt gefolgt.
Lavards besaßen zwei Töchter, Imgjor und Lucile, von denen sich die
erstere, etwas ältere, zur Zeit auf Rankholm aufhielt, während sich
Lucile gegenwärtig auf Reisen befand.
Graf Dehns Vater und Graf Lavard hatten einst zusammen bei den
dänischen Dragonern in Kopenhagen gestanden, aber ihren Abschied
genommen, nachdem sie beide gelegentlich einer Urlaubsreise die ihren
Augen und Herzen genehmen Frauen gefunden.
Graf Dehn war eine Ehe mit einer Baronesse von Berg eingegangen.
Mit ihr hatte er reiche Güter in der Lausitz geerbt und war
infolgedessen nicht nur aus dem dänischen Unterthanenverbande
ausgeschieden, sondern auch dorthin übergesiedelt. Immer waren
jedoch die beiden Freunde in Verbindung geblieben, und nun eben ging
der junge Graf Axel von Dehn, der einzige Nachkomme dieser Familie,
nach Rankholm zur Brautschau.--

Mitten in der Einsamkeit lag das mächtige Schloß. Nur ein zu der
Herrschaft gehörendes, in einer Thalmulde malerisch hingestrecktes
Dorf, mit Namen Kneedeholm, teilte diese stille Abgeschlossenheit von
der Welt und der großen Heerstraße.
Noch bevor die beiden Wanderer in die zu dem Schloß führende Allee
eintraten, nahm Graf Dehn das Wort und richtete einige Fragen an
seinen Führer. Und da er's geschickt begann, empfing er, wenn auch
knappe, doch allerlei für ihn wertvolle Mitteilungen aus dem Munde
des Alten.
Und unter solchen lebhaften Reden gelangten sie dann an das Kastell,
das seine Front einem mächtigen, freien Platz zuwandte.
Da aber dieser und das Gebäude ringsum von hohen, laubreichen
Bäumen und dichtem Gebüsch umschlossen waren, erschien's dem
Auge, als ob Rankholm--wie ein Dornröschenschloß--mitten in einem
Walde liege.
Freilich war's anders! Aus den Hinterfenstern schaute man durch den
zu solchem Zwecke gelichteten Park ins Thal hinab, und da lag in
malerischer Schönheit und in solcher
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