Dank für das Essen. Es war sehr gut. (Er schlägt den 
Pfropfen in die Flasche hinein.) 
Das Fräulein (in der Glasthür, spricht nach außen). Ich bin sogleich 
wieder da! Geht nur solange voran! 
Jean (verbirgt die Weinflasche in der Tischschublade und steht dann 
ehrerbietig auf). 
Fräulein Julie (tritt ein und geht zu Christine an den Herd). Na! Ist es 
fertig? 
Christine (giebt ihr durch Zeichen zu verstehen, daß Jean zugegen ist). 
Jean (galant). Haben die Damen Geheimnisse vor? 
Julie (schlägt ihm mit dem Taschentuch ins Gesicht). Ist Er neugierig? 
Jean. Ach, wie schön das nach Veilchen duftete! 
Julie (kokett). Unverschämter! Versteht Er sich auch auf Parfüms? 
Tanzen kann Er -- Nicht hersehen! Geh Er fort! (Sie tritt hinter den 
Tisch.) 
Jean (naseweis, aber artig). Ist es ein Zaubertrank, was die Damen da in 
der Johannisnacht brauen? Etwas, um dann in den Sternen des Glückes 
zu lesen, sodaß man seine Zukünftige zu sehen bekommt! 
Julie (scharf). Ja, wenn Er die zu sehen bekommt, dann muß Er gute 
Augen haben! (Zu Christine.) Gieße es in eine halbe Flasche hinein und 
korke es fest zu. Komm Er nun und tanze einen Schottisch mit mir, 
Jean -- (Sie läßt ihr Taschentuch auf dem Tisch liegen.) 
Jean (zögernd). Ich will gegen niemand unartig sein, aber diesen Tanz
hatte ich Christinen versprochen -- 
Julie. Na, sie kann ja einen andern bekommen. (Sie tritt zu Christine.) 
Oder wie, Christine? willst du mir den Jean nicht leihen? 
Christine. Das hängt nicht von mir ab. Wenn das gnädige Fräulein so 
herablassend ist, so paßt es sich nicht, daß er nein sagt. Geh nur! und 
bedanke dich für die Ehre. 
Jean. Aufrichtig gesprochen, aber ohne Sie verletzen zu wollen, ist es 
klug von Ihnen, Fräulein Julie, zweimal hintereinander mit demselben 
Herrn zu tanzen, besonders da die Leute hier sehr geneigt sind, 
allerhand Schlüsse zu ziehen -- 
Julie (braust auf). Was soll das heißen? Was für Schlüsse? Was meint 
Er damit? 
Jean (ausweichend). Da das Fräulein mich nicht verstehen wollen, muß 
ich deutlicher reden. Es sieht nicht gut aus, wenn Sie einen Ihrer 
Untergebenen den andern, die dieselbe ungewöhnliche Ehre erwarten, 
vorziehen -- 
Julie. Vorziehen! Was bildet Er sich ein! Ich bin ganz erstaunt! Ich, die 
Herrin des Hauses, beehre den Tanz der Leute mit meiner Gegenwart, 
und wenn ich nun wirklich tanzen will, so will ich es mit einem, der 
führen kann, sodaß ich dem entgehe, ausgelacht zu werden. 
Jean. Wie das Fräulein befehlen! Ich stehe zu Diensten! 
Julie (sanft). Sprechen Sie jetzt nicht von befehlen. Heute Abend sind 
wir ja als frohe Menschen auf dem Fest und legen allen Rang ab! So, 
geben Sie mir denn Ihren Arm! Sei ganz ruhig, Christine! Ich werde dir 
deinen Schatz nicht entführen! 
Jean (bietet ihr seinen Arm und führt sie durch die Glasthür hinaus). 
Christine allein.[D] 
Schwache Violinenmusik in einiger Entfernung im Takt eines
Schottisch. 
Christine (summt die Musik mit, räumt den Tisch ab, wo Jean gegessen 
hat, wäscht den Teller am Aufwaschtisch ab, trocknet ihn ab und setzt 
ihn in einen Schrank. Dann legt sie die Küchenschürze ab, nimmt einen 
kleinen Spiegel aus der Tischschublade, stellt ihn gegen die Krucke mit 
Flieder auf dem Tisch, zündet ein Talglicht an und macht eine 
Haarnadel heiß, mit der sie ihre Stirnhaare kräuselt. Darauf geht sie an 
die Glasthüre und lauscht, kommt wieder an den Tisch zurück, findet 
das Taschentuch des Fräuleins, das dieselbe vergessen, nimmt es und 
riecht daran; dann breitet sie es in Gedanken aus, reckt es, streicht es 
glatt und legt es viermal zusammen). 
[Anmerkung D: Diese stumme Scene muß gespielt werden, als wenn 
die Schauspielerin wirklich allein wäre: also sie muß nach Bedürfnis 
dem Publikum den Rücken zuwenden und nicht in den Zuschauerraum 
hineinsehen; auch sich nicht übereilen, als wenn sie fürchtete, das 
Publikum könnte ungeduldig werden. Der Verfasser.] 
Jean (kommt allein durch die Glasthür zurück). Ja, sie ist verrückt. So 
zu tanzen! Und die Leute stehen an den Thüren und grinsen über sie. 
Was sagst du dazu, Christine? 
Christine. Ach, es ist ja jetzt ihre Zeit, und da ist sie immer so 
sonderbar. Aber willst du jetzt kommen und mit mir tanzen? 
Jean. Du bist doch wohl nicht böse, daß ich dir echappierte? 
Christine. Nein! Nicht im geringsten, das weißt du ja; und ich kenne 
auch meine Stellung -- 
Jean (legt die Hand um ihre Taille). Du bist ein verständiges Mädchen, 
Christine, und würdest eine tüchtige Hausfrau werden -- 
Julie (kommt durch die Glasthüre herein; sie ist unangenehm 
überrascht; mit erzwungener Munterkeit). Sie sind ja ein scharmanter 
Kavalier -- der seiner Dame davonspringt.
Jean. Im Gegenteil, Fräulein Julie, wie Sie sehen, habe ich mich beeilt, 
die Verlassene aufzusuchen! 
Julie (in anderm Ton). Wissen Sie, daß Sie wie kein anderer tanzen! 
Aber warum gehen Sie am Festabend in Livree? Legen Sie sie gleich 
ab! 
Jean. Dann muß ich das Fräulein bitten, sich einen    
    
		
	
	
	Continue reading on your phone by scaning this QR Code
	 	
	
	
	    Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the 
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.