Emilia Galotti | Page 8

Gotthold Ephraim Lessing
unserer Gewalt. Dem Himmel ist beten wollen auch beten.
Emilia. Und s��ndigen wollen auch s��ndigen.
Claudia. Das hat meine Emilia nicht wollen!
Emilia. Nein, meine Mutter; so tief lie? mich die Gnade nicht sinken. --Aber da? fremdes Laster uns, wider unsern Willen, zu Mitschuldigen machen kann!
Claudia. Fasse dich!--Sammle deine Gedanken, soviel dir m?glich.--Sag es mir mit eins, was dir geschehen.
Emilia. Eben hatt' ich mich--weiter von dem Altare, als ich sonst pflege--denn ich kam zu sp?t--, auf meine Knie gelassen. Eben fing ich an, mein Herz zu erheben: als dicht hinter mir etwas seinen Platz nahm. So dicht hinter mir!--Ich konnte weder vor noch zur Seite r��cken--so gern ich auch wollte; aus Furcht, da? eines andern Andacht mich in meiner st?ren m?chte.--Andacht! das war das Schlimmste, was ich besorgte.--Aber es w?hrte nicht lange, so h?rt' ich, ganz nah an meinem Ohre--nach einem tiefen Seufzer--nicht den Namen einer Heiligen--den Namen--z��rnen Sie nicht, meine Mutter--den Namen Ihrer Tochter!--Meinen Namen!--O da? laute Donner mich verhindert h?tten, mehr zu h?ren!--Es sprach von Sch?nheit, von Liebe--Es klagte, da? dieser Tag, welcher mein Gl��ck mache--wenn er es anders mache--sein Ungl��ck auf immer entscheide.--Es beschwor mich--h?ren mu?t' ich dies alles. Aber ich blickte nicht um; ich wollte tun, als ob ich es nicht h?rte.--Was konnt' ich sonst?--Meinen guten Engel bitten, mich mit Taubheit zu schlagen; und wann auch, wenn auch auf immer!--Das bat ich; das war das einzige, was ich beten konnte.--Endlich ward es Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt ging zu Ende. Ich zitterte, mich umzukehren. Ich zitterte, ihn zu erblicken, der sich den Frevel erlauben d��rfen. Und da ich mich umwandte, da ich ihn erblickte--Claudia. Wen, meine Tochter?
Emilia. Raten Sie, meine Mutter, raten Sie--Ich glaubte in die Erde zu sinken--Ihn selbst.
Claudia. Wen, ihn selbst?
Emilia. Den Prinzen.
Claudia. Den Prinzen!--O gesegnet sei die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war und dich nicht erwarten wollte!
Emilia. Mein Vater hier?--und wollte mich nicht erwarten?
Claudia. Wenn du in deiner Verwirrung auch ihn das h?ttest h?ren lassen!
Emilia. Nun, meine Mutter?--Was h?tt' er an mir Strafbares finden k?nnen?
Claudia. Nichts; ebensowenig als an mir. Und doch, doch--Ha, du kennest deinen Vater nicht! In seinem Zorne h?tt' er den unschuldigen Gegenstand des Verbrechens mit dem Verbrecher verwechselt. In seiner Wut h?tt' ich ihm geschienen, das veranla?t zu haben, was ich weder verhindern noch vorhersehen k?nnen.--Aber weiter, meine Tochter, weiter! Als du den Prinzen erkanntest--Ich will hoffen, da? du deiner m?chtig genug warest, ihm in einem Blicke alle die Verachtung zu bezeigen, die er verdienst.
Emilia. Das war ich nicht, meine Mutter! Nach dem Blicke, mit dem ich ihn erkannte, hatt' ich nicht das Herz, einen zweiten auf ihn zu richten. Ich floh--Claudia. Und der Prinz dir nach--Emilia. Was ich nicht wu?te, bis ich in der Halle mich bei der Hand ergriffen f��hlte. Und von ihm! Aus Scham mu?t' ich standhalten: mich von ihm loszuwinden w��rde die Vorbeigehenden zu aufmerksam auf uns gemacht haben. Das war die einzige ��berlegung, deren ich f?hig war--oder deren ich nun mich wieder erinnere. Er sprach; und ich hab ihm geantwortet. Aber was er sprach, was ich ihm geantwortet--f?llt mir es noch bei, so ist es gut, so will ich es Ihnen sagen, meine Mutter. Jetzt wei? ich von dem allen nichts. Meine Sinne hatten mich verlassen.--Umsonst denk ich nach, wie ich von ihm weg und aus der Halle gekommen. Ich finde mich erst auf der Stra?e wieder, und h?re ihn hinter mir herkommen, und h?re ihn mit mir zugleich in das Haus treten, mit mir die Treppe hinaufsteigen--Claudia. Die Furcht hat ihren besondern Sinn, meine Tochter! Ich werde es nie vergessen, mit welcher Geb?rde du hereinst��rztest.--Nein, so weit durfte er nicht wagen, dir zu folgen.--Gott! Gott! wenn dein Vater das w��?te!--Wie wild er schon war, als er nur h?rte, da? der Prinz dich j��ngst nicht ohne Mi?fallen gesehen!--Indes, sei ruhig, meine Tochter! Nimm es f��r einen Traum, was dir begegnet ist. Auch wird es noch weniger Folgen haben als ein Traum. Du entgehest heute mit eins allen Nachstellungen.
Emilia. Aber, nicht, meine Mutter? Der Graf mu? das wissen. Ihm mu? ich es sagen.
Claudia. Um alle Welt nicht!--Wozu? warum? Willst du f��r nichts und wieder f��r nichts ihn unruhig machen? Und wann er es auch itzt nicht w��rde: wisse, mein Kind, da? ein Gift, welches nicht gleich wirket, darum kein minder gef?hrliches Gift ist. Was auf den Liebhaber keinen Eindruck macht, kann ihn auf den Gemahl machen. Den Liebhaber k?nnt' es sogar schmeicheln, einem so wichtigen Mitbewerber den Rang abzulaufen. Aber wenn er ihm den nun einmal abgelaufen hat: ah! mein Kind--so wird aus dem Liebhaber oft ein ganz anderes Gesch?pf. Dein gutes Gestirn beh��te dich vor dieser Erfahrung.
Emilia. Sie wissen, meine Mutter, wie gern ich Ihren bessern Einsichten mich in allem unterwerfe.--Aber, wenn er es von einem andern erf��hre, da? der Prinz mich heute gesprochen? W��rde mein Verschweigen nicht, fr��h oder sp?t, seine
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