Eine vornehme Frau | Page 7

Hermann Heiberg
in Verwirrung bringen, wenn sie ��ber den Wolken herrschte! Jeder ruft mir entgegen: Welch ein reizvolles Gesch?pf! und jeden Tag werde auch ich entwaffnet durch den Zauber ihrer Liebensw��rdigkeit. Aber sie bringt verm?ge ihrer untilgbaren, durch eine grenzenlos verkehrte Erziehung hervorgerufenen Fehler den ruhigsten, besonnensten und geduldigsten Mann zur Verzweiflung. Die gr??ten und besten Eigenschaften eines Menschen verwandeln sich in das Gegenteil, wenn ihnen das Ma? fehlt. Sanftmut und Liebensw��rdigkeit sinken zur Charakterlosigkeit herab, Herzensg��te wird Thorheit, Geist und Verstand streifen an Insanie und je sch?ner die H��lle, desto gr??er der Schmerz, da? sich unter so vollendeten Formen ein so ungeordneter Geist verbirgt."
"Sie ��bertreiben, Clairefort!" rief Teut warm. "Ihre Frau ist ein Engel! Ihre Fehler sind nicht so schlimmer Art; ja, ich behaupte, sie sind auch Tugenden! Weint sie nicht wie ein Kind, wenn man ihr vom Ungl��ck berichtet, m?chte sie nicht stets helfen? Hilft sie nicht? Ist sie nicht r��hrend besorgt um ihre Kinder und sitzt sie nicht wie j��ngst, als Carlitos krank war, Tag und Nacht an ihrem Bett? Ist sie nicht stets liebevoll gegen Sie, Clairefort, sieht sie nicht zu Ihnen empor wie zu einem H?hergearteten und nimmt jeden Tadel, jedes Scheltwort ohne Murren entgegen? Ist sie nicht ohne Beispiel selbstlos? Verlangt sie je etwas f��r sich? Ist es nicht nur immer der Gedanke an andere, der ihre Entschl��sse bestimmt? Sah man je ein so gl��ckliches Gemisch von nat��rlichem Verstand und Herzensg��te?--Ja, sie ist sorglos, kannte nie eine Einschr?nkung, wei? nichts von materiellen Sorgen, giebt mit vollen H?nden, oft vielleicht unverst?ndig--"
Hier unterbrach Clairefort den Sprechenden, und indem er ihn mit einem Blick anschaute, durch den man eine vertrauensvolle ?u?erung einzuleiten und sich Verschwiegenheit zu sichern pflegt, sagte er:
"Nein, nein! Immer, immer unverst?ndig! Ma?los, Freund! Ihre Verschwendung ist grenzenlos. Wie soll das ��berhaupt werden? Unter uns: Wenn das meine Frau noch einige Jahre so forttreibt, bin ich ruiniert. Schon lange war ich gezwungen, mein Kapital anzugreifen."
Teut schwieg. Was er h?rte, ��berraschte und beunruhigte ihn aufs h?chste. Unwillk��rlich dr?ngte sich ihm der Gedanke auf, weshalb der Mann, wenn die Dinge so lagen, sein Hauswesen, seine Geselligkeit nicht einschr?nke, die zahllose, meist ��berfl��ssige Dienerschaft nicht entlasse und Ange, die ihrer Eigenart nach auch in einfacheren Verh?ltnissen zufrieden leben w��rde, die Gelegenheit n?hme, so th?richt zu wirtschaften. Aber er fand sich doch nicht berechtigt, dergleichen auszusprechen, und w?hrend seines Schwankens kam ihm Clairefort zuvor:
"Ich wei?, was Sie mir erwidern werden, Teut," hob er, unter der Best?tigung seiner Gedanken wiederholt das Haupt bewegend, an. "Sie meinen, ich sei nicht minder schuld als Ange. Wir k?nnten uns anders einrichten und dadurch Einnahmen und Ausgaben in das richtige Gleichgewicht bringen. Auch Tibet dr?ngt mich seit Jahr und Tag, aber dann--dann--"
Er hielt inne. Ein ?ngstlich unschl��ssiger Ausdruck trat in seine Mienen, und nur mit ��berwindung l?sten sich die Worte aus seinem Munde:
"Sehen Sie! Es wird Ihnen r?tselhaft erscheinen," fuhr er endlich abgerissen und in Pausen sprechend, fort. "Ich liebe meine Frau grenzenlos. Ich f��rchte dann--ich f��rchte--da? sie sich mir entfremden k?nnte. Eine unbeschreibliche Angst ��berf?llt mich, ich k?nnte ihre Liebe einmal verlieren--durch einen Wandel der Verh?ltnisse. Ich sinne selbst ratlos dar��ber nach, was in meiner Seele vorgeht. Tausend Gedanken best��rmen mich. Oft habe ich schon gedacht: Wenn sie doch einmal das Leben so liebt--ich m?chte es ihr erhalten--ihre Fr?hlichkeit ist doch lauter Sonnenschein;--und dann--dann--m?chte ich, da? sie der Himmel fr��h zu sich n?hme, damit sie Sorge und Kummer nie kennen lernt. Aber kann man eines geliebten Menschen Tod w��nschen? Das ist doch unfa?bar. Ich wei? nicht, was in mir vorgeht. Ich m?chte ?ndern und vermag es nicht--vermag es durchaus nicht. Die Schw?chen, die meiner Liebe entspringen, sind gr??er als meine bessere Einsicht."
Teut sa? stumm und schaute vor sich nieder, denn neben ihm seufzte der Mann in tiefer Bewegung auf.--Welch ein Einblick in das Seelenleben eines Menschen. Voll Klarheit, ja voll Ungeduld und Tadel ��ber unhaltbare Zust?nde, und doch aus eifers��chtiger angstvoller Liebe zu schwach, um beizeiten ein zweifellos hereinbrechendes Ungl��ck von sich, seinem Weibe und seinen Kindern abzuwenden?!
Einmal zuckte Teut unbehaglich zusammen, denn pl?tzlich stieg die Zukunft vor ihm auf. Die unabweisbaren Folgen solcher Verh?ltnisse traten unheimlich vor seine Seele. Vielleicht war ihm in dem Clairefortschen Hause eine gro?e, undankbare Aufgabe beschieden, und jene Selbstliebe, die Unbequemes von sich st??t und nur unbehelligt genie?en will, behielt die Oberhand. Was scherten ihn am Ende die fremden Menschen, dieser Mann mit seiner Unschl��ssigkeit, seiner Melancholie und seinem ehelichen Unbehagen, diese in den Tag lebende Frau mit ihrer Unerfahrenheit und ihrem sorglosen Lebenswandel?
Aber das war nur eine schnell vor��bergehende Regung. Er sprang auf, fa?te Claireforts Hand und sagte:
"Und trotz alledem mu? geschehen, was Sie f��r Recht erkennen, lieber Clairefort! Ich bin bereit, Ihnen zu helfen, soweit es in meinen Kr?ften steht. Soll ich einmal mit Frau Ange reden?"
Bei diesem Anerbieten bohrte sich ein eigent��mlicher Blick aus den Augen
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