ihren beiden Händen; es fehlte nur noch, daß sie 
wie auf dem Theater zu singen anfing. Da wurde mir die Sache doch zu 
toll. Gut, sagte ich, ich will jetzt aufstehen und mitkommen. Steht er 
wirklich als Geist an Eurem Bette, so daß ich ihn mit diesen meinen 
Augen sehe, so ist es meine Ritterpflicht, mir in Eurem Namen diese 
ganz zwecklosen und unbequemen Nachtbesuche zu verbitten. Ist aber 
von einem Gespenst nichts zu sehen, so tut es mir herzlich leid, aber 
ich muß auf Eure Hand verzichten, Lucrezia; denn ich habe einen 
angeborenen Abscheu vor Nachtwandlerinnen und bin fest entschlossen, 
lieber ledig zu bleiben, als eine Somnambule zu heiraten.--Indem ich 
dies sagte, machte ich Miene aufzustehen. Aber sie ließ es nicht so weit 
kommen. Sie schüttelte abwehrend ihre schwarzen Haare, winkte mir 
mit den schönen weißen Armen eine gute Nacht und verschwand ohne
jede weitere Auseinandersetzung. 
Nun mußte ich trotz meines Ärgers aus vollem Halse lachen und schlief 
darüber friedlich wieder ein, wurde auch nicht zum zweiten Male 
gestört. Aber die ganze Affäre bestärkte mich natürlich in meinem 
Entschluß, mich heimlich davonzuschleichen. Denn der Oheim wurde 
täglich zurückerwartet, und wer konnte wissen, was sie dem bereits 
über mich geschrieben, und wie weit dieser Ehrenmann seine schöne 
Nichte durch mich "kompromittiert" glauben mochte. Ich ließ mir am 
Morgen nicht das geringste merken, zeichnete erst eine Welle, ging 
dann, als die Straße schon sehr belebt war, wie gewöhnlich aus, ein 
Päckchen unter dem Arm, das niemand auffiel und in dem ich einen 
Teil meiner Wäsche nach dein "Nettuno" transportierte, wo mein neuer 
Koffer übernachtet hatte. Auf die Art schaffte ich im Laufe des 
Vormittags nach und nach meine sämtliche Habe aus dein Hause, und 
als ich zuletzt die Risse und Zeichnungen in einen großen 
Blechzylinder verpackt den übrigen Sachen nachtrug, sah es doch in 
meinem Zimmer nicht anders aus als sonst, da ich den leeren Koffer, 
einige leere Mappen und mein Waschgerät dem Feind als Beute 
zurückgelassen hatte. Auch die türkischen Pantoffeln des Seligen 
standen mit der unschuldigsten Miene von der Welt unter dem Bette. 
Die Miete hatte ich auf einen Monat vorausbezahlt. 
Nun können Sie sich denken, mit welchem Hochgefühl der Befreiung 
und Errettung ich die schöne Straße nach La Spezia hinsauste, wie ein 
Verbrecher, der zu lebenslänglichem Ah sin' all' ore all' ore estreme 
verurteilt war und glücklich ausgebrochen ist. Die Gegend ist dort so 
schön, daß es mich zu jeder anderen Zeit gewiß verdrossen hätte, auf 
der Eisenbahn hindurchzufliegen. Aber wer eine zärtliche Witwe 
zurückläßt, kann nicht rasch genug von der Stelle kommen. Erst als ich 
spät abends in La Spezia ankam und in der Eroce di Malta abstieg, 
glaubte ich mich geborgen und aß, trank und schlief mit leichtem 
Herzen. In meinem Zimmerchen war nur ein ganz kleiner Tisch, auf 
dem man kaum einen Waschzettel schreiben konnte. Aber--so 
wandelbar ist das Gemüt des Menschen--er gefiel mir in seiner 
Zwerghaftigkeit ganz ausnehmend, und ich konnte nicht ohne stillen 
Schauder an jenen Riesen zurückdenken, der mich ins Netz meiner
Armida gelockt hatte.--Seit Wochen war ich nicht so fröhlich 
aufgewacht wie am andern Morgen, und weil es ein wundervoller Tag 
war, die reinste Junisonne und das Meer spiegelglatt, bcschloß ich, eine 
Fahrt auf dem Golf zu machen nach dem alten Fischer- und Piratennest 
Portovenere, von dem mir meine Freunde in Rom so viel erzählt hatten. 
Da der geringe Wind uns entgegenstand, mußte mein alter Schiffer zu 
den Rudern greifen, und zwei ganze Stunden brauchten wir, bis wir um 
das Vorgebirge bogen und nun der verwitterte Häuserhaufen, das 
malerische Kirchlein und die Insel Palmaria gegenüber in der vollen 
Sommersonne vor uns auftauchten. Sie werden diesen wundersamen 
Erdenwinkel ohne Zweifel auch besucht haben. Ist es nicht wirklich, als 
befände man sich da viele Meilen südlicher in einem jener 
Klippennester am Busen von Salern, wo noch Abkömmlinge der 
griechischen Kolonisten in homerischer Unbekümmertheit ihre Tage 
hinleben? Derselbe schöne Menschenwuchs, dieselbe vorsündflutliche 
Kochkunst und ein urweltlicher Schmutz, der in allen Ecken bergehoch 
versteinert. Ich traute meinen Augen nicht, als ich die einzige 
Hauptgasse hinaufschlenderte durch die Reihen der spinnenden, 
singenden und schwatzenden Weiber, die mit losen Haaren und halb im 
Hemde unter den Türen saßen und mich anstarrten wie ein Meerwunder, 
das die Wellen eben ausgespien. Ach, und die herrliche Vegetation, das 
beneidete Aloe-Unkraut auf den Mauertrümmern der verfallenen 
Festungswerke, Kaktus, Wein und Oliven bunt durcheinander in den 
Gärtchen hinter den grauen Häusern, und die kolossalen Feigenbäume, 
die sich vor Früchten nicht zu lassen wußten! Wenn man sich in der 
reinlichen Toskana einen Monat lang herumgetrieben hat, tut einem 
diese Rückkehr in das Paradies, das der Besen einer löblichen Polizei 
noch niemals ausgefegt hat, über alle Maßen wohl. Ich wurde nicht 
müde, die Gäßchen hinauf- und hinunterzuklettern, aus den leeren 
Fensterbögen des alten Kirchleins auf dem äußersten Felsenvorsprung 
in die schöne Brandung hinunterzustarren, und dann wieder    
    
		
	
	
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