ich es Ihnen wiederholen. Zwar 
sagten Sie mir: »Auch die Schmerzen, die mir durch Sie kommen, will 
ich segnen.« Aber, großes Kind, Schmerzen sind schwer, ach, sehr 
schwer zu segnen. Deshalb erinnere ich wieder und wieder an mein 
erstes Warnen und an -- meine Jahre. Trotzdem kann ich nicht das 
»wir« streichen, gehören ja auch Sie zu jener kleinen Schar, für die das 
Dasein anders gefärbt ist, wie für jene, die in die Welt passen, wie für 
die Urgesunden, die unserem feinsten Fühlen fremd und überlegen 
lächelnd gegenüberstehen. Aus der Vereinzelung will ich Sie erlösen, 
die Einsamkeit für Sie fruchtbar machen. Mehr will ich nicht. Glauben 
Sie mir, immer wird es Menschen geben, die sich wie durch graue 
Fluten bewegen. Musik erfüllt sie, doch sie empfinden sie wie 
Dissonanzen. Harmonien erklingen ihnen kaum, weil sie tastend vor 
allem zurückweichen, was so anders, so ganz anders in ihnen schluchzt 
und klagt und frohlockt, als das Glück der Vielen. Und aus der 
Entsagung, die sich langsam in sie schleicht, wird Erstarrung oder 
Verbitterung. Sie wissen nichts von Leidensgenossen; sie kennen nicht 
sich selbst oder nur sich selbst. All ihr schmerzliches Fragen verhallt 
ins Leere, bis ein Wunder geschieht: Eine Seele erschließt sich der 
ihren. Dann aber werden aus allen verirrten Klängen köstliche 
Melodien. Die grauen Flächen um sie verwandeln sich in schimmernde 
Fluten. Brennende Blutwellen steigen in ihnen empor, röten ihre 
Wangen, stiller Jubel umfängt sie, ein Fremdes durchdringt sie, von 
dem sie nicht wissen, ist es Schmerz oder Wonne. In Dämmerferne 
tauchen für sie lichte Türme empor. -- 
Lieber Junge, ähnlich einem Windhauch, der über stilles Wasser 
streicht, so möchte ich zu Ihnen gekommen sein, oder wie ein 
Silberschein, der über dunklem Gebirge schimmert. Schließen Sie die 
Augen, und erkennen Sie, wovon wir leben in all dem Geräusch von 
Komödien jeglicher Art.
Maria. 
 
Roland an Maria. 
Teure Frau Maria, ich kann es nicht mehr ändern, daß mein ganzes Sein 
Ihnen gehört, in jeder Minute, in jeder Regung, in jedem Empfinden. 
Nur das schwingt in mir weiter, was mit Ihnen im Zusammenhang steht; 
Sie nur kann ich fühlen, nur die Wärme, die Ihre Seele ausströmt und 
entfacht. 
Sie sind, während ich fern von Ihnen bin, mit so vielen Menschen 
zusammen, und mit allen sind Sie gütig, und Ihre Stimme klingt mit 
jenen kaum anders als mit mir. Ich aber habe nur Sie, Maria. Sie wissen 
ja nicht, was es in sich schließt, dieses: »nur Sie«, was es bedeutet, nur 
einen einzigen Menschen zu haben. Ihre Stimme ist die erste 
menschliche Stimme gewesen, die ich in meinem Alleinsein je 
vernommen habe: Verschollene Möglichkeiten aus den Tagen meiner 
Kindheit richten sich auf, Möglichkeiten, die meinem Gedächtnis 
vollständig entschwunden waren. Wollte auch ich einst großen Zielen 
zuwandern, und konnte doch so rasch am Wege zusammenbrechen? 
Heute ist mir jeder Nerv kraftgestählt. Sie haben diese Kraft geweckt, 
also sind Sie es, die mich geschaffen hat. Ist es nicht natürlich, daß am 
Anfang das Geschöpf nur von seinem Schöpfer weiß? 
Frau Maria, erkennen Sie in mir Ihren Schüler; denn wie käme mir 
sonst dieses »am Anfang« in den Sinn, mir, dem allein die Vorstellung 
an einen Wandel Lästerung dünken müßte? Der erste Beweis meines 
Werdens kann nichts als -- Auflehnung sein. Genügt Ihnen die Probe? 
Mögen Sie es hundertmal verneinen: es muß eine Liebe geben, für die 
es kein »am Anfang« gibt und kein »am Ende.« Auf den 
Jugendglauben mache ich Anspruch. Ja, ich behaupte: All Ihr 
Liebesfühlen entbehrte unantastbarer Echtheit; denn nur, wenn 
Menschen alles vergessen müssen, was die Ewigkeit ihrer Liebe 
bedroht, ist ihre Liebe echt, ich meine, unveränderlich wie ein echter 
Edelstein. Sie haben nie alles vergessen wollen oder vergessen können, 
das hat Ihr Lieben beraubt. Sind Sie denn nie von der Leidenschaft zu
einem Menschen besessen worden wie der Märtyrer von seiner Idee, 
auch wenn deren Verwirklichung ihn mit Sicherheit aufs Schaffot 
führen mußte, sicher und gewiß auf den Scheiterhaufen? 
Ich bettle nicht. Meine Seele ist still, weil es keine Grenzen für die 
Stärke ihrer Liebe gibt. Ich werde Sie gewinnen, ganz mir gewinnen, 
Maria, liebste aller Frauen. 
Ihr, Ihr Roland. 
 
Maria an Roland. 
Unverbesserlicher, was wollen Sie mit mir »für Zeit und Ewigkeit« 
anfangen? Erinnern Sie sich an das Entsetzen Ihrer früheren Mitbürger 
über Ihre »Abwege«. Und auch andere werden Sie nicht verstehen. 
Vielleicht werden Sie selbst sich in zehn Jahren unbegreiflich 
geworden sein. Nein! Sie und ich! Die Natur kann Ihr Herz für mich 
nicht gebieterisch dauernd entflammen. Aber -- hören Sie mein 
Bekenntnis: Ich muß auf der Hut sein, mich von Ihren Irrungen nicht 
locken zu lassen, obwohl ich zu ahnen beginne, daß die herrschende 
Sitte verantwortlicher für unsere Unvereinbarkeit zu machen sein 
könnte als die Natur, deren Walten wohl auch zwischen uns »von 
Gottes Gnaden« ist. 
Wenn Liebe die größte Steigerung der in uns ruhenden Kräfte und 
Möglichkeiten schafft,    
    
		
	
	
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